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Vom Leben und Sterben in der Mark

Lagebericht von J-Coop

In den letzten Tagen hatten uns aus dem Osten schreckliche Meldungen ereilt. Angeblich stand der Feind bereits in Angermünde. Befreundete Truppen leisteten dort erbitterten Widerstand, doch war es Gerüchten zu folge, es einigen feindlichen Divisionen gelungen in den weitläufigen Waldgebieten die Front zu überwinden und weiter Richtung Berlin vorzustoßen.

Schnee
Hier schien die Welt, wenn auch glatt, so doch in Ordnung


Also beschloss der Kader einmal mehr sich in den Dienst des Guten zu stellen und die Heimat vor diesen Subjekten zu schützen. Die Offensive startete unter dem Decknamen „Rob Abshitstour“ in Bernau und hatte offiziell das Ziel Angermünde.

Die Schneefälle der letzen Zeit hatten sich wie eine wärmende Decke über die Landschaft gelegt, und so den Frost daran gehindert tiefer in den Boden einzudringen.

Das aus Berlin an die Front geschickte schwere Militärgerät hatte den Boden zerwühlt und die einsetzende Schneeschmelze tat ihr übriges um die ehemals vorhandenen Wege in moorastige Todesfallen zu verwandeln.
Auf unserem Weg nach Norden kamen wir immer wieder vorbei an Fuhrwerken, die im Schlamm versunken waren und hatten einige Mühe uns dieses Schicksal zu ersparen. Teilweise durchquerten wir aber auch Gebiete, die der Krieg bislang völlig verschont hatte und erfreuten uns am Sonnenschein, kurzen gut fahrbaren Wegabschnitten, sowie der schönen Landschaft. Doch mit jedem Meter den wir uns der Front näherten wurden solche Abschnitte seltener. Immer wieder durchquerten wir Landstriche die ehemals grüne Wälder waren, deren traurige Reste nun aber von Granaten zerfetzt im Schlamm lagen. Es war wahrlich keine Freude diese menschenfeindliche Gegend zu bereisen. Vorbei am Bukowsee der noch verschneit in der Landschaft lag, kamen wir schließlich nach Finowfurt, wo wir unser weiteres Vorgehen planten.
Anstatt uns wie erwartet weiter Richtung Angermünde durchzuschlagen, änderten wir unbemerkt unsere Route und machten uns auf nach Süden um den bereits erwähnten feindlichen Divisionen in den Rücken zu fallen. Zur vollständigen Verwirrung, änderten wir nochmals die Richtung und fuhren erneut kurz nach Osten und dann geschützt im Tal des Nonnenfließes weiter Richtung Bernau. Der Feind schien den selben Weg gewählt zu haben, denn auch hier war von den Wegen nicht viel mehr als eine zähe braune Masse übrig geblieben aus welcher hier und dort die sterblichen Überreste vereinzelter Widerstandskämpfer herausragten.
Die Spuren waren aber noch recht frisch und so schöpften wir Hoffnung den Feind noch vor dem Erreichen der Stadt völlig unvorbereitet aus dem Hinterhalt angreifen zu können. Kurz vor Bernau war es dann tatsächlich soweit und die entscheidende Schlacht begann. Wie erwartet gewannen wir sie auch, hätten unseren Sieg jedoch fast mit dem Verlust des Obersts bezahlen müssen.
So waren wir denn alle froh, als wir zwar ausgezehrt und erschöpft, jedoch unverletzt den Zug in die Heimat bestiegen. Außerdem freuen wir uns mitteilen zu können, dass Rob nun, ohne sich um die Heimat sorgen zu müssen, in neue Abenteuer aufbrechen kann.

Jockels Meinung:

Lieber J-Coop,
danke für die einleitenden Worte, welche allerdings nur schwach wiedergeben können, was uns heute widerfuhr. Darauf hoffend, der Frost der letzen Tage hätte in seiner Mildtätigkeit dafür gesorgt, den schweren Boden der Mark zu einer betonharten Piste zu gefrieren, mussten wir uns nur allzuoft eines Besseren belehren lassen. Bereits kurz nach dem Bernaus Stadtmauern hinter uns verschwanden, kündeten die Wegeverhältnisse in dramatischer Weise die Torturen der kommenden Kilometer an. Eindringlich versuchte uns der Waldboden nach Ladeburg klarzumachen, dass heute eher ein Tag wäre, welcher gemütlich auf der Ofenbank zu verbringen wäre. Von Wegen war weit und breit keine Spur. Anfänglich verdeckten diese ihre Unzulänglichkeit noch unter einer, auf den ersten Blick, schön anmutenden Schneedecke, doch je länger die unangekündigte Sonne auf diese herunterbrannte, offenbarte sich, dass General Schlamm das Zepter fest in seiner schmierigen Pranke hielt. Und dieser dachte nun nicht im Traum daran, uns drei tapferen Fürchtenixen auch nur 300m zusammenhängend fahrbare Strecke zu gönnen.

Ich für meinen Teil* fuhr von den heute zurückgelegten 75km ca. 65km im Grenzlastbereich. Nur meiner Wut, welche meinem Bauch innewohnte, seit ich heute morgen gegen 08:00 Uhr realisieren durfte, dass man mir innerhalb von 2 Monaten zum 2. Mal mein Stadtrad geklaut hatte, verhinderte, dass ich ein frühes Ende in den nasskalten Weiten Russlands fand. Und nach Russland oder besser noch Sibiren im Sommer sah es in der Tat aus. Der noch vor wenigen Tagen steinharte Permafrostboden der heimischen Tundra war im Licht der Sonne zu einer zähklebrigen Mumpe verkommen. Die einzigen Organischen Lebensformen, welche in der Lage sind unter derartigen Bedingungen so etwas wie Leben zu entwickeln, gehören der Gruppe der Einzeller an.
Wir aber schuffteten uns unermüdlich durch diesen Gulak, welcher sich gemeinhin Geländeradsport nennt. Ohne Pause, eierten wir mit einer lächerlich kleinen Reisegeschwindigkeit durch dieses Gelände-Gomorrha.

Kurz vor Erreichen des Zieles hatte ich beschlossen, es für heute gut sein zu lassen. Blass und mit zittrigen Fingern hatte ich fiebernd meinen letzten Willen in den Schlamm gekritzelt und mit matter Stimme meinen Schöpfer auf meine Ankunft vorbereitet, da begab es sich, dass die Kameraden nicht ohne mich weiterziehen wollten. Jede Bitte, mich hier und jetzt sterben zu lassen wurde mit der Begründung abgewiesen, dass sie es mir ansonsten gleich tun würden. Das konnte und wollte ich nun nicht verantworten. Also wurden die, diesmal wirklich allerletzten, Reserven mobilisiert und bei Albertshof der rettende Asphalt erreicht. Nun zeigte es sich, dass die Bremsen an unseren Fahrgeräten keinesfalls festgegangen waren. Es rollte. Und wie es rollte. Und so gab es an diesem denkwürdigen Tag doch noch ein versöhnliches Ende.

In Bernau trennte sich OnkelW von uns, welcher heute eine tadellose Leistung gezeigt hatte, mit dem festen Vorsatz, eine Tankstelle an der Ortsperepherie zu überfallen. J-Coop und ich ließen den Tag in der S-Bahn ausklingen, unterstützt von so manchem kohlehydratreichen Softdrink eines hier nicht näher zu benennenden Weltkonzerns. Wahrscheinlich halfen wir auf diese Weise mit, den Krieg im Irak zu verlängern, doch darauf konnten wir heute keine Rücksicht nehmen.

Schlaft schön und lasst Euch das Geschriebene eine Wahrnung sein.

* J-Coop ist heute einmal mehr als das Ausnahmetalent in Erscheinung getreten, als welches er in diesen Monaten für Furore sorgt. Aus dem wird mal ein Großer.

3 Kommentare

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  • Oh ja, das hört sich an, als ob heute wieder ein Tag war, an dem die Schweine geschmiedet wurden.

    Ich habe den Tag mit meiner Frau in Potsdam verbracht – ein bisschen Kultur lutschen zwischen dem ganzen harten Sport ist auch eine wirklich willkommene Abwechslung.

    In der Hoffnung auf mal wieder eine baldige gemeinsame Tour.

  • @rikman: deine frau lutscht auch kultur?

    @abshitstourer: danke für die tollen berichterstattungen! es war mir ein große freude eure wohlersonnenen zeilen zu lesen und mit euch zu fühlen. wie gerne hätte ich an eurer seite gekämpft. aber es ist eine erleichterung zu wissen, dass der kader auch ohne mich, und davon bin ich fest ausgegangen, die heimische mark brandenburg zusammenhalten und gegen den imperialistischen feind verteidigen kann.

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