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Radfahren an Karfreitag oder TourenschELM Eule

Als meine Arbeitskollegen am Gründonnerstag im Büro die große Radtasche stehen sahen, erwarteten viele eine der legendären Abenteuerreisen von mir. Wenigstens ein sagenumwobenes Mittelgebirge sollte auf dem Tourenplan stehen, gespannt sahen sie mich an. Als ich ihnen als Ziel meiner Reise lapidar „Wolfsburg“ entgegnete, blickten mich ratlose Augen an. Das meiste war noch ein erstauntes „Aha?!“…

Von Wolfsburg aus soll meine Tour am Karfreitag bei herrlichem blauen Himmel und Sonnenschein starten. Der Wind bläst kräftiger als vorhergesagt, dafür stimmt die Windrichtung – Süden – frontal von vorne.
Die ersten 90 Minuten quäle ich mich gegen die Windwand. Der erste Hügel wartet nach Flechtdorf im Forst Lehre, ein schöner Schotterweg im Wald führt hoch zum Hülsenberg.


Am Horizont der Elm

Über Rothenkamp und Scheppau erreiche ich den Fuß des Elm in Bornum. Jetzt endlich Kantenwind, ich stoße westlich um den Kamm herum über den Galgenberg nach Erkerode. Dort befindet sich der Einstieg ins Reitlingstal, der Kader Onkel hatte sich anno 2008 bereits um die Unterjochung dieses Landstriches gekümmert. Mir bleiben lediglich die Sicherung des Territoriums und Erkundungen in weiter östlich liegende Landschaften übrig.

Im Reitlingstal tümmeln sich zahlreiche Zweiradfahrer, sowohl motorisiert, als auch ohne maschinelle Unterstützung. Der Bärlauch spriest an allen Ecken und Kanten, man bekommt den Duft kaum aus der Nase. Sportlich gesehen ist die Anfahrt von Erkerode nicht wirklich eine Herausforderung, aber nach den ersten zwei Stunden und bei entsprechend hohem Tempo komme ich auf Temperatur. Oben am Tetzelstein entschließe ich mich zur Abfahrt nach Sampleben und weiter nach Eitzum, um von dort erneut die Elm-Hochstraße zu erklimmen.

Auch die zweite Erstürmung läßt die Steigungsprozente nicht in große Höhen ausufern und kontinuierlich trete ich die Kurbel Umdrehung für Umdrehung. Schlußendlich wartet die Abfahrt nach Schöningen. Ich kann die Umschreibungen von Onkel analog zu denen für Königslutter nur bestätigen: Die letzten 50 Jahre scheint auch dort die Zeit stehen geblieben zu sein.

Was der Osten kann, kann der Westen mindestens genauso gut. Ein riesiger Braunkohletagebau wie früher auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs wird lediglich von Förderbändern, Schienenstrang und einem Asphaltband geteilt. Ich fahre weiter nach Reinsdorf und überquere die Bundeslandgrenze Niedersachsen nach Sachen-Anhalt bei Hohnsleben. Schlagartig ändert sich der Untergrund, wo eben noch sanfter Asphalt unter meinen Pneus war, ist nun der real existierende Kommunismus in Form fiesen Kopfsteinpflasters.

Auf den nun folgenden Kilometern kann man 20 Jahre Deutsche Einheit und die blühenden Landschaften mal wieder vom feinsten aus der Nähe betrachten. Zum 80. Geburtstag auch an dieser Stelle einen herzlichen Dank und Glückwunsch an die Birne aus der Palz…
Wenigstens die Stücke um Harbke sind asphaltiert und die Landschaft im ehemaligen Sperrgebiet entschädigt für Schmerzen in den Unterarmen. Nach einem kurzen Stop zwecks Kuchenzufuhr in Harbke, erreiche ich den Ortsteil Autobahn an der A2 in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte Deutsche Teilung.


An Kreativität kaum zu überbietender Ortsname…

Nördlich der Autobahn schlage ich mich in den Wald und finde einen direkten Weg (Forstautobahn) nach Bad Helmstedt. Hier erwartet mich nochmal eine kleine Herausforderung mit den beiden Walbecker Warten im Lappwald. Anschließend knalle ich runter nach Walbeck, dort empfängt mich erneut fieses Pflaster. Ich ahne welche Qualen die Frühjahrsklassiker zu bieten haben. Zum Glück wird die Straße wenigstens ab Ortsmitte wieder asphaltiert (Flickenteppich), über den Drachenberg nach Weferlingen und weiter bis Döhren. Ich kehre endgültig nach Niedersachsen zurück und ab Mackendorf heißt es bis Rhode wieder Wind von vorne, bzw. Kantenwind.

Garniert mit nicht asphaltierten Feld- und Waldwegen macht mir das ganze mittlerweile langsam zu schaffen. Meine Verpflegung habe ich dummerweise zu Hause vergessen und 5 Stunden liegen auch schon hinter mir. Wenigstens ist die Trinkflasche noch gut gefüllt. Aber ab Rhode ist wieder Asphalt und meinen Rädern und der Wind schiebt endlich von hinten. Mit konstantem Tempo von ca. 35 Stuckis sind die letzten Wellen und Kilometer bis VW-City erstaunlich schnell zurückgelegt.


Niedersäschsische Alleenlandschaft

Am Ende des Tages habe ich 135km mit über 1000 Höhenmetern auf der Uhr. Seit einem halben Jahr die erste erwähnenswerte Ausfahrt, ich hab mich fast schlechter als nach HH-B gefühlt. Der Frühling kann und muss jetzt kommen, sonst sehe ich an Himmelfahrt echt alt aus.

darkdesigner

5 Kommentare

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  • Schön Herr Eule! Wenn mit schmalen Reifen nicht nur Flüsterasphalt sondern auch Pflaster und und Schotter bezwungen werden, dann ist es ein Frühjahrsklassiker.

  • Es ist gut zu wissen, dass du die bereits von mir verheerten Lande wiederum gekenchtet hast. Das ließ mir die Zeit, mein neues Revier, einschließlich des illustren Vororts Potsdam und des für echte Berlkiner viel zu langweiligen Grunewalds per Rad zu erkunden. Den Ortsteil Autobahn kannte ich hingegen noch nicht. Du warst vermutlich der erste KAder, der dort seine Reifenspuren eingegraben hat.

  • Diese Tour gibt mir Rätsel auf: Weg von einem der langweiligsten Flecken der Republik und wieder zurück. Masochist oder völlige Leere im Kopf. War der OT Autobahn das Ziel oder die Sehnsucht nach der Ödnis um die A2?

  • Wenn du denkst, dass Wolfsburg langweilig ist, schau dir mal die Landschaft 20 km nördlich davon an. Für mich ein Mysterium. Im Herzen Deutschlands liegt ein beinahe weißer Fleck aufd er Landkarte, ich meine zwischen Wolfsburg und Wittingen in Süd-Nord-Richtung und zwischen Winsen /Aller und Brome in West-Ost-Richtung.

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