MONTAG, 11. Juni 2007, 600:
Der Himmel ist noch leicht grau, bevor die ersten Sonnenstrahlen über der Sierra Nevada hervorblinzeln. Ich bereite alles vor, Kartenmaterial, Wasser bunkern (alleine 3l als Notreserve), warme Kleidung (auf 3400m ü.NN erwarte ich Temperaturen im einstelligen Bereich), Essen wird eingepackt. Um kurz vor 700 holen wir Nic ab, frühstücken nochmal in einem der wenigen geöffneten Cafes, pan con tomata und einen frischen Zomo Naranja.
Die ersten Meter aus der Stadt raus sind im morgendlichen Berufsverkehr kein Zuckerschlecken, zumal ein verdammter Autobahnzubringerkreisel durchfahren werden muß. Ohne Feindberührung schaffen wir es letzlich doch und kommen über Huétor-Vega nach Monachil. Dort ist schon alles viel entspannter und bei strahlend blauem Himmel geht es in den Einstieg zur Sierra. Bei etwa 900m ü.NN beginnt am Ortsausgang eine kaum befahrene Straße in Richtung Estación de Esqui. Das Schild „carretera alta montagna“ war bezeichnend für die nun kommenden Stunden, Serpentinen und höhenmeter ohne Ende.
Auf 1400m ü.NN gab es zum ersten Mal eine kurze Abfahrt, dazu die Gelegenheit in einer Kneipe Wasser nachzutanken. Die nächsten 2-3km mußten wir die Nationalstraße benutzen, die war etwas stärker befahren, aber alles noch im erträglichen Rahmen. Wer will hier auch schon hoch? Außer ein paar LKWs und französischen Testfahrern (Renault, Citroen und Peugot mit ihren abgeklebten Erlkönigen) war kaum ein Auto zu sehen.
Nach dem besagten Stück Nationalstraße bogen wir hinter der Tankstelle am Mirador de los Viboras auf die für Autoverkehr gesperrte Seitenroute ab. Traumhaft, wieder Serpentinen ohne Ende, kein Verkehr und Natur pur.
Einer fährt schon seit Stunden auf dem kleinen Blatt…
Langsam wurde die Vegetation spärlicher, wir knackten die 2000er Marke und bis zum Skiort Pradollano auch die 2500er Grenze. Die Baumgrenze war erreicht und fortan rollten wir durch eine karge Gebirgslandschaft.
Die schneebedeckten Gipfel waren so nah und doch noch so weit entfernt.
Bei 2700m ü.NN meinte Nic, es könne doch nicht mehr so weit sein. Doch die winzigen Masten der Skilifte ließen erahnen wie weit es noch sein würde…
Am letzten Parkplatz auf 2750m ü.NN gab es noch eine Jausenstation und wir tankten das letzte Mal Wasser und Nahrung vor dem Gipfel auf.
Hatte ich bei 2000m eine kleine Schwächephase, lief es jetzt wieder erstaunlich gut. Ich hatte gehörigen Bammel vor den Höhen ab 3000m, keine Ahnung wie mein Körper auf den Sauerstoffmangel reagieren würde. Etwas schwindelig war mir dann doch und auch der Puls ging höher. Das Tempo war bei gleichem Gang und gefühlter Trittfrequenz um 2km/h langsamer als noch 1500m niedriger.
Nach dem ersten Schneefeld legten wir die letzte Verpflegungspause ein und warteten auf Nic.
Ab jetzt sollten wir den Gipfelsturm ausfahren, leider hinderte uns aber wenige Höhenmeter später die immer dicker werdende Schneedecke daran. Bei etwa 3300m ü.NN war Schluß mit fahren. Eine 2m hohe Schneedecke über der Straße verhinderte ein weiterkommen mit dem Velo.
Verdammt, 100hm unter dem Gipfel der höchsten Straße Europas…
Ich war frustriert, wollte es nicht wahrhaben, wie konnte das sein?! Lorenzo machte sich zu Fuß auf und kletterte die Ski/Geröll/Schneereste-Piste hoch. Ich versuchte das gleiche, aber mit meinem Rad. Ich wollte unbedingt das Gipfelfoto haben, egal wie. Am Gipfel des höchsten Skiliftes war jedoch Schluß für mich. Ich war fertig, Puls konstant am Anschlag, alle 10m Pause zum Luftholen, Schwindel, Erschöpfung – und wir mußten ja noch zurück.
Mittlerweile hatte auch Nic das Skilifthäuschen erreicht, ohne Rad, er wollte es Lorenzo gleichtun und machte sich auf die letzten 50hm.
Ich blieb enttäuscht mit meinem Bike zurück und stapfte durch den Schnee zurück auf 3300m ü.NN und hockte mich auf die Straße. Dunkle Wolken waren an den umliegenden Gipfeln aufgezogen und ich rechnete schon mit dem schlimmsten, einem Wetterumschwung im Hochgebirge. Bisher hatten wir keine Wolke gesehen und nur blauen Himmel und nun diese dunklen Boten.
Meine Socken und Schuhe waren vom Schnee naß, mit warmen Steinen wärmte ich mich auf. Zum Glück hatte ich die dicken Sachen dabei, in der Sonne waren es aber immer noch angenehme 18°C. Nur unter den Wolken wurde es sofort empfindlich kalt. Schon komisch in kurzen Sachen auf 3300m im Schnee zu stehen…
Irgendwann kamen die zwei vom Gipfel zurück, ich hatte es nicht ganz geschafft, dafür war mein Rad höher als deren Bikes. Ehrlich, das scheiss Ding zu Fuß zu bewältigen, war nicht mein Ziel. Irgendwann werde ich auch die letzten 50hm schaffen, vielleicht im August, dann soll alles schneefrei sein. Immerhin war ich noch nie so hoch mit meinem Rad und es war überwältigend schön und bewegend 50km bergauf zu fahren. Fast 2700 Höhenmeter am Stück lagen hinter uns, die Kräfte schwanden und trotzdem, immer wieder würde ich das tun.
Zurück auf etwas über 2000m ü.NN knickten wir in Pradollano ab, unglaublich häßlich. Schlimmer als bei die Franzosen fiel mir spontan ein, aber solange sie im ganzen Park nur das eine Nest zuknallen.
Für die Rückfahrt entschieden wir uns nicht die Straße zu nehmen, sondern auf Trails durch den Nationalpark zu donnern. Nicht erlaubt, aber einfach der absolute Hammer. Zunächst führte der wirklch immer nur trailbreite Weg über die Langlaufloipe von Pradollano, ehe wir einen Wanderpfad gen Westen fanden.
Es wurden Wildbäche durchquert, Gemsen, Schafe, Rinder gesichtet, wunderschöne Pflanzen am Wegesrand bewundert und immer wieder die Karte studiert. Ängstlich, ob der Weg vielleicht doch an einer unüberwindlichen Steilwand enden würde und alle bisher vernichteten Höhenmeter wieder erklommen werden müßten.
Zum Glück ging alles gut und nach dem der Paß Collado del Pinto (2038m ü.NN) überquert war, wartete ein Hammerdownhill zum Jardin Botanico.
In Richtung Granada konnten wir den ganzen Tag über dunkle Feuerwolken sehen und hofften das diese uns nicht den Weg versperren würden. Im nachhinein stellte sich das als ein Feuer oberhalb der Alhambra im Samstags durchquerten mtb-Revier raus. Verherend wütetet das Feuer dort auf einer großen Fläche.
Ab dem Jardin Botanico, ca. 1700m ü.NN, rollten wir auf einer Schotterpiste in Richtung Monachil. Es waren etwa 20km, einfach nur durch die unberührte Natur, kein Mensch, kein Auto, hinter jeder Kurve wieder tolle Blicke. Felswände, Gipfel und tiefe Schluchten, Hammer!!!
Am Ortseingang von Monachil erreichten wir die Zivilisation wieder und hatten immernoch knapp 400hm bergab zu fahren, um auf die Hochebene „runter“ zu fahren. Gegen 2030 saßen wir dann wieder in Granada und genossen einige Abschlußbierchen. Der Abend wurde ähnlich den vorangegangenen zelebriert und irgendwann fielen wir ins Bett. Diese Nacht konnte gut geschlafen werden.
Ich träumte von Höhenmetern…
Du wiederholst hier für mich ein Leiden, das ich vor über 6 Jahren schon einmal hatte, nur war ich dort vor Ort und hatte kein Geländerrad dabei und auch keine Zeit mir eins auszuleihen um diese geniale Gegend (besonders auch die Stadt) mit dem Rad zu erkunden. Dazu kam noch, dass einen Tag nach meiner Abreise der MTB-Weltcup-Zirkus ein Weltcuprennen startete und die Stadt und an der jetzt ausgeschilderten CC-Strecke Tage vorher mit allerlei Radvolk überbevölkert war
Na was ist jetzt mit der Fortsetzung? ich bin soweit!
Ja, und ich ärger mich, dass ich mir die Sache hab entgehen lassen, aber ich habe ja auch keinen Radkoffer und die Berge sehen doch arg steil aus…
Ich erwarte Fortsetzung und liver-Berichterstattung!
Der Ausblick in die Berge läßt weitere Leidensgeschichten Deiner Mitfahrer erwarten… 🙂
Der Ausblick in die Berge läßt weitere Leidensgeschichten Deiner Mitfahrer erwarten… 🙂
Hey, das ist ja lustig, Yo! Da hat ein doch tatsächlich ein misteriöser Unbekannter gleichzeitig dasselbe geschrieben wie Du! Ich bin ja sowas von verblüfft!
Tja, das nenn ich mal Gedankenübertragung!!
…äh, könnte natürlich auch sein, dass der Browser gehakt hat. Oder es gibt da draussen noch jemanden, der… – ahnee, dass wäre zu unwahrscheinlich!
Viel interessanter ist ja, wann endlich der spannende Teil an Berichten der Touristik-Veranstaltung kommt! Der Titel verspricht da ja noch einige nette Erzählungen… 🙂
Es geht weiter, nächster Teil vielleicht schon morgen 😉
Krassomat, lieber Darki! Das sitzt man am frühen Morgen am Rechner, um Deinen Bericht zu lesen, und sabbert vor Aufregung wie eine 90-jährige, der die Dritten ins Breichen gefallen sind. Großartiger Bericht, wunderschöne Bilder, unglaubliche Tour.
Jetzt muss ich erst mal die Tastatur abwischen…
wow, mein lieber scholli…ähm darki. ich hoffe dein körper hat sich inzwischen wieder aklimatisiert *gg* das du probleme hattest bei der schnellen zunahme von höhenmetern ist normal. mach dir mal keine sorgen. denn normal sollte sowas im etwas langsameren tempo geschehen 🙂 freue mich auf weitere berichte.
50km bergauf? Respekt!
aber 50km Trails bergab? YIEHAAA!!!
Krass mein Lieber! Gut das du sauerstoffarme Atmung schon mit dem Gesicht nach unten in dem Flusenteppich deines Bades ausreichend trainieren konntest. Mal in echt – Darki, großes Kino! Ganz großes Kino! Freue mich auf die Fortsetzung… menis
Wenn ich immer die Berichte lese, denke ich mir: Man wo nimmt der Typ die Zeit dafür her…und wo der sich überall rumtreibt. Klasse Eule, so lerne ich auch mal was von der großen weiten Welt kennen 🙂
OnkelW
Deine öden Rennberichte sind sowas von langweilig gegen das hier. Hiermit verbiete ich dir jemals wieder an irgendwelchen Rennen teilzunehmen bzw. besser noch: nie wieder darüber zu berichten, es sei denn du machst den ersten Platz oder sie reichen an dieses Niveau heran 😉
F5 … immer noch keine Fortsetzung …. F5 … immer noch keine Fortsetzung …. F5 … immer noch keine Fortsetzung …. F5 … immer noch keine Fortsetzung …. F5 … immer noch keine Fortsetzung …. F5 … immer noch keine Fortsetzung ….
So erstmal fertig, heute Abend bekomme ich noch die CD von Lorenzo mit 300Bildern und dann wird noch hier und da ergänzt
Darki, geil!
Darki, wie schon so oft ein super Bericht von dir. Einfach klasse das!
Großes Kino, DD! Menschomann – da wäre ich aber gern dabei gewesen. Bis bald… menis
schoener Bericht Springer!!!
muchas gracias don t°bo de los bembels
der bericht vermittelt das gefühl als sei man dabei gewesen. sehr geil! optimale mischung an freizeitaktivitäten in sehr ansprechender landschaft und stadt würde ich sagen. gut gemacht!
Ich hab jetzt mal Lorenzos Bilder im Kleinformat hochgeladen, mal sehen wann ich die Zeit finde, sie noch im Bericht in groß einzufügen…
Dein / Euer Vorhaben war echt Spitze, Eule. Geile Bilder in geiler Gegend! Aber mal ehrlich, bei diesen herrlichen Straßen kommt man doch bestimmt auf andere Gedanken, oder?
Sehr schön jedenfalls…
@Acke: Du willst doch immer nach Malle… Nicht nur einmal hab ich an ein Frühjahrslager gedacht, aber es liegt bei Dir/Euch mal den Trubel von Malle gegen echte Abenteuer einzutauschen. Das Hotel in Grazalema ist genial und nicht teuer, aber ich mach mich nicht mehr krumm Euch davon zu überzeugen. Mein Ziel fürs Frühjahr mit dem schmalen steht! 😉
Che fuerte!!! Superbericht!!! Das alles selbst zu erleben war aber noch besser! Was eine Woche….. Freue mich schon auf das naechste mal!
@Eule:
Ich war schon in der Sierra Nevada und mußte feststellen, daß es für 2 Wochen Raderlebnis einfach zu wenige kleine Sträßchen gibt. Außerdem ist Malle für mich im nachsten Jahr sowieso kein Thema mehr.
Was ist denn Dein Ziel fürs schmale Frühajahr? Habe ich etwa das Wort Taunus vernommen?
mensch, don eule, großes kino!
ich sag nur – NEID!
danke für den herrlichen bericht.
BF