La Doyenne – 100e édition de Liège-Bastogne-Liège

Die alte Kohle- und Stahlmetropole der Wallonie liegt im Morgengrauen. Wobei so grau, wie in den Wettervorhersagen der letzten Tage angekündigt, ist es gar nicht. Im Gegenteil, nahezu wolkenlos und klar empfängt uns dieser Morgen. Ich schmeiße Regenjacke und allerlei wärmende Kleidungsstücke zurück in den Koffer und beschließe kurz-kurz mit Armlingen zu fahren. Zur Not habe ich noch die neue Weste und ein Buff in der Trikottasche.

Wir rollen durch das morgendliche Lüttich und sind nicht die einzigen, die sich auf den Weg zum Startbereich machen. Wie ausgekundschaftet, lassen wir es mit der Steigung langsam angehen. Lieber ein paar Meter mehr, dafür deutlich flacher geht es hoch zum Start. Die anderen 5000 sind auch schon da und mit fliegendem Start setzt sich das Feld nach und nach und jeder für sich in Bewegung.

Start

Nach 13km soll es eine Transponderbrücke geben, erst ab da geht es so richtig los. Ein ganz großer Vorteil im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungen mit heftigen Massenstürzen. Wir sehen die Brücke zwar nicht, aber das ist ja auch egal. Hauptsache das Feld rollt ohne Hektik und Stress los.

Kurz nach dem Stadtende von Lüttich befinden wir uns im ersten Anstieg. Die Luft ist kühl und wir haben etwa 8°C. Das kurbeln bergauf wärmt den Körper und ich bin froh auf die „Sauna-Jacke“ verzichtet zu haben. Erste Fahrer werden überholt, aber auch viele überholen uns. Tempo und richtige Gruppe finden, heißt die Devise.

Erster Anstieg am Morgen

Immer wieder ermahnen wir uns gegenseitig zur Vernunft und disziplinierter Fahrweise. „Der Tag wird noch lang“ ist eines der am häufigsten gehörten Zitate an diesem Morgen. Als wir an einer Ampel unsere Gruppe von vielleicht 50-60 Leuten auseinander reißen lassen, höre ich freundliche Kommentare „Das Loch kannst Du wieder zu fahren“.

Als die Ampel wieder auf Grün schaltet sind gefühlt 5 Minuten vergangen. Von der Gruppe vorne ist nichts mehr zu sehen. Ein junger Franzose setzt sich vor mich und ballert wie blöde los. Naja, denke ich mir, lass ihn mal machen und hänge mich hinter ihn. Tatsächlich erreichen wir vor der ersten Verpflegung die Gruppe wieder und lassen die VP links liegen.

Verdammt, ich habe kaum noch Wasser und bis zum nächsten Zwischenstop sind es noch über 60km. Ein fataler Fehler, aber was soll ich machen. Jetzt ist es zu spät und ich hoffe das es irgendwie gehen wird. Das Profil verspricht lediglich einen offiziellen Berg bei KM80, den Côte de la Roche. Mit 3km Länge und einem Höhenunterschied von 170 Metern auch nicht gerade ein epischer Berg.

Als wir nach La Roche in den Berg einfahren, merke ich erste Mangelerscheinungen in meinen Beinen. Die Muskel zucken, bereits jetzt kein gutes Zeichen. Nach dem „Gipfel“ geht es in ein schönes Tal und ich sehe auf einem Straßenschild „Bastogne 19km“. Super, jetzt schön im Tal bis Bastogne.

Von wegen – ein Hügel nach dem anderen, eine Welle folgt der nächsten. Der Wind bläst seit Lüttich von vorne, erst in Bastogne kommen wir hoffentlich in den Genuss von Rückenwind. Ich bin seit Kilometern trocken und ständig zucken meine Oberschenkel. Der Besenwagen soll mein sein und ich spekuliere schon über mögliche Ausstiegsszenarien und die Rückkehr per Bahn nach Lüttich.

Doch endlich sehen wir die Verpflegung in Bastogne bei KM 112. Meine Laune ist am absoluten Tiefpunkt und ich hadere mit allem. Egal, es heißt Flaschen auffüllen, Essen, Essen, Essen…
Meinen beiden Mitstreitern geht es deutlich besser, entspannt rollen sie scheinbar die Hügel rauf.

Nic und Lelo am Berg

Zum Glück hat mir die Verpflegung die erwünschte Erholung gebracht. Mir geht es wieder deutlich besser, als wir bei KM 132 mit dem Côte Saint Roch den ersten richtig fiesen Schinken erreichen. Auf gut einem Kilometer geht es fast 130 rauf. Des öfteren sehe ich 20% und mehr auf dem Tacho stehen. Nicht schön…

Zum Glück ist das Ding nicht so lang und bei KM 150 kommt auch schon die nächste Verpflegung. Leider hat der Italiener einen Schleicher und wir legen einen unfreiwilligen Zwangsstop kurz vor dem Dörfchen Steinbach ein. Lelo kommt der Platten aber ganz gelegen, hat er doch gerade seinen „dunklen Moment“ auf der heutigen .

Landschaft

Nach Vielsam geht es in einem schönen Tal bergab, anschließend gleich zweimal zur Sache wieder bergauf. Erst mit der berühmten Côte de Wanne (2200m / 170hm) und dann vor dem nächsten Verpflegungspunkt noch die Spezialrampe Côte de Stockeu (2300m / 230hm). Der Stockeu wird seinem Ruf vollauf gerecht. Ungnädig windet sich die Straße ohne größere Kurven steil bergauf. Oben kurze links-links Passage im Wald und wieder runter ins Dorf.

Dort wartet die vierte Verpflegung und jede Menge Kopfsteinpflaster. Mittlerweile stehen den Teilnehmern die Strapazen ins Gesicht geschrieben. Merklich stiller als an den VPs zuvor ist es hier. Noch etwa 100 Kilometer und 2000 Höhenmeter liegen vor uns. Ich bin voll motivivert, die nächsten Kilometer sprühe ich nur so vor Energie.

Gleich nach der VP in Stavelot geht es in die Côte de la Haute Levee. Ein mieses Teil, steil, nur gerade aus und oben, wenn man denkt es ist vorbei, zieht es noch einmal an. In Zahlen heißt das 3,5 Kilometer mit 200 Hm. Naja, geht auch vorbei.

Die schnellen Abfahrten entschädigen für die Strapazen und die Landschaft ist herrlich. Dank des zeitigen Frühlings in diesem Jahr sind die Bäume voll mit frischen Blättern, die Rapsfelder blühen und das Thermometer hat sich mittlerweile auf 17°-18°C erwärmt.

An Spa-Francochamps und der berühmten Formel 1-Rennstrecke vorbei erreichen wir den Col du Rosier (4500m / 250hm). Hier haben die Veranstalter die erste von vier Zeitmessungen eingerichtet. Jeder kann sich seine persönliche Zeit später im Internetz anschauen. Der Rosier ist mit 4,5 KM der längste Anstieg des Tages. Ich würde ihn als typischen Mittelgebirgsberg bezeichnen. Nicht wirklich steil und schwer kann man hier gut sein Tempo und Rhythmus finden.

Auf meinem Weg nach oben kommt niemand geringeres, als die mehrfache Damenweltmeisterin Marianne Vos vorbei. Locker flockig unterhält sich die Dame im Regenbogentrikot mit einem anderen Fahrer. Dankeschön!

Etwas irritiert ob der vielen Richtungsweiser verfehlen wir kurzzeitig auf der Abfahrt den Weg. Zum Glück schließen wir dann mit einer größeren Gruppe zusammen und es geht die nächsten 20km endlich mal zügig voran. Es folgt die nächste Verpflegung. Dort hatten wir am Morgen die erste ausgelassen. Diesmal passiert mir der Fehler kein zweites Mal und alle Depots werden wieder aufgefüllt.

Bei KM 229 kommt der nächste Zeitmessungsberg, die berühmte Redoute! Links und rechts der Straße stehen schon die Gitter für die Profis, dahinter Wohnmobil an Wohnmobil. Lediglich die Fans lassen sich nicht blicken. Hier vermisse ich die Atmosphäre von Flandern und den Hellingen.

Redoute

Die Côte de la Redoute (1650m / 162hm) überzeugt durch gleichmäßig hohe Steigungswerte. Und nach der Zeitmessung geht es immer noch bergauf. Ich verfluche die ewigen unbenannten Anstiege, kein Name, nix und trotzdem mehr als 10% steil. Wann geht es endlich nach Lüttich?

Lelo und Nic an der Redoute

Der nächste Hügel mit Namen ist bei KM 242 der Côte des Forges (2100m / 126hm). Eigentlich kaum der Rede wert, erlebe ich hier einen erneuten Wendepunkt. Spürbar verlassen mich meine Kräfte, ich habe zwar noch ein Gel, bekomme es aber auf gar keinen Fall mehr runter. So hoffe ich auf die letzte Getränkeverpflegung am Fuße der Côte de la Roche aux Faucons.

Ein letztes Gummibärchengetränk und dann noch zweimal rauf. Die Roche aux Faucons ist mit 1,5km Länge und 1500 Höhenmetern noch einmal ein echter Härtetest. Kurz hinter Nic komme ich mit 8 Sekunden Rückstand an der Zeitmessung an. Lelo folgt wenig später.

Immer noch sind es 25 Kilometer bis ins Ziel. Eigentlich brauche ich noch ein Gel, es geht aber einfach nicht mehr. Also weiter mit schwindenden Kräften. Endlich sehen wir die alten Industrieanlagen von Lüttich. Dort wo wir am Vortag mit den Profis den Saint-Nicolas hoch sind.

Unser amerikanischer Freund lässt die Pedalen an dem Berg mit seinem Namen noch mal richtig fliegen. Die Zeitmessung weist bei ihm später eine gute Mittelfeldplatzierung aus. Am Gipfel des Côte de Saint-Nicolas (1400m / 106hm) haben wir es fast geschafft. Nur noch wenige Kilometer bis Ans, die Steigung zum Ziel der Profis geht noch einmal schmerzhaft in die Beine.

Die letzten 5 Kilometer bis ans Ziel der Jedermänner sind dann leider durch viel Straßenverkehr beeinträchtigt. Aber nichts desto trotz erreichen wir glücklich und geschafft das Ziel nach über 280 Kilometern und mehr als 4000 Höhenmetern.

Shakehands im Ziel

No. 4 - Mo(nu)mente zum Genießen

Dort füllen wir unsere Energiespeicher mit einheimischen Brauspezialitäten wieder auf. Nach gut 12 Stunden haben wir also das vierte der fünf Radsportmonumente bezwungen.

Leffe für alle

Es war ein hartes Stück Arbeit, aber mit Abstand die schönste Strecke bislang. Lediglich die Zuschauer hätten mehr sein können, zumindest an den bekannten Anstiegen. Sehr gespannt sind wir schon, wie unser Abenteuer in der Lombardei wohl zu Ende gehen wird.

Am nächsten Tag haben wir uns noch den Start der Profis angeschaut. Dabei auch der belgische König Philippe und der Kannibale Mercks.

König und Kannibale

Mehr Bilder im Archiv und offizielle Videos von den Anstiegen auf der Seite des Veranstalters (Startnummern 1390, 1387, 1383).

Rosier

Redoute

Roche aux Faucons

Saint Nicolas

Profil
2% an Kilometern hat der Tacho zuviel auf der Uhr, waren am Ende ca. 285 km.

darkdesigner

8 Kommentare

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  • Ihr seid Helden! Klingt irgendwie auch ganz locker, wie ihr dieses mal über die Strecke gekommen seid. Ganz ohne Blutflecken auf dem Pflaster.

  • Danke für die Blumen, zu den Fragen:
    Die Fotos sind von Nic, Nina, den Streckenfotografen (habe ausnahmsweise mal die Foto-CD erworben) und von mir. Es war die erste Veranstaltung seit ich denken kann, bei der ich nicht einen einzigen Sturz gesehen habe. Absolutes Lob an Veranstalter und Fahrer! Das Grande Finale wird die Lombardei-Rundfahrt sein, das Rennen der fallenden Blätter. Es findet traditionell im Oktober statt und verläuft von Mailand nach Como oder Bergamo nach Lecco oder Mailand nach Lecco oder Lecco nach Como oder auch mal Varese und umgekehrt… Wir werden sicher berichten.

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