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Der Nachwuchs hat das Wort

Unglaublich aber wahr: Trotz Parolen wie „Saufen für den Weltfrieden“, Veranstaltungen wie dem Walter von der Vogelweide Gedächtniscup (von dessen Teilnahme man Minderjährigen nicht ernst genug abraten muss), trotz aufgrund ausufernder Radfernfahrten nicht unerheblicher Abwesenheiten bei anstehenden Erziehungsmassnahmen, trotz all dieser Dinge gibt es inzwischen einen nicht gerade kleinen Pool an talentierten Nachwuchsradsportlern, welche sich in die Spuren ihrer -Väter begeben haben. Allen gemeinsam ist, dass sie wesentlich talentierter als ihre Altvorderen sind.


Am Vorstart zur dritten Etappe der TMP-Tour (Foto: Ick)

Mein Beitrag zur Geschichte ist meine Tochter Laura. Seit wir, die liebenden Eltern sie 2011 davon überzeugen konnten, Sport in ihre Freizeitbeschäftigung zu integrieren, ist einiges passiert. Alles aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Was ich mit ihrer Zustimmung aber liefern kann, ist ihr kürzlich selbst verfasster Jahresrückblick 2013 mit der schönen Überschrift:

Der Deutsche Meistertitel und ich

Anfang des Jahres hätte wohl kaum einer damit gerechnet, dass ich es in diesem Jahr noch schaffe. Ein Tief durch Krankheit und einer Mischung aus schlechtem Wetter und vielen anderen kleinen Sachen machte es nicht gerade einfacher sich konsequent zu motivieren auf der Rolle zu fahren.
Als es dann endlich hieß, wir fahren zu den ersten Wettkämpfen, ging es dann aber schon wieder deutlich besser. Berliner Meisterin im Omnium wurde ich dann auch gleich ohne große Probleme und andere kleine Wettkämpfe gingen auch leicht von der Hand oder besser gesagt vom Bein. Ein Grund dafür war wahrscheinlich auch, dass ich in meiner Altersklasse innerhalb von nur eine Konkurrentin hatte, die ich auch noch bei der Berliner Meisterschaft im auf Abstand halten konnte. Zwischendurch fuhren wir auch zu Sichtungsrennen in ganz Deutschland, deren Ergebnisse anfänglich noch zu wünschen übrig ließen und nicht gerade zu meinen Erfolgen gezählt werden können. Eines der Ereignisse in diesem Jahr worüber ich mich immer noch sehr ärgere ist die Berliner Meisterschaft auf der Straße wo ich im Sprint einen kleinen Fehler machte und so schließlich nur auf Platz zwei und somit auch gleich dem letzten Platz landete.


Berliner Meisterschaft Omnium (Foto: och ick)

Bei anderen Wettbewerben musste ich am Anfang der Saison immer sehr darum kämpfen überhaupt im Feld zu bleiben, was die Übersetzung die ich, wenn ich mit der U15 fuhr, nicht einfacher machte.
Der nächste Punkt war die Deutsche Meisterschaft auf der Straße. Naja was soll man da sagen, es war einfach Pech. In der zweiten von sechs Runden hatte ich einen Platten. Der Materialwagen war ziemlich weit weg und ich musste gefühlt ewig warten bis dann endlich das Laufrad gewechselt war und ich wieder ans Feld heranfahren konnte. Kaum am Feld dran ging es schon wieder den Berg hoch und ab da weiß ich eigentlich kaum noch etwas. Ich kam Schlussendlich als 15te ins Ziel.


DM Nachwuchs Strasse Einzel (Foto: Mani Wollner)

Die Deutsche Meisterschaft Bahn lief dann schon besser. Sie war in Oberhausen. Wir waren mit dem Landesverband ganze 5 Tage dort und die zwei Wettkämpfe liefen auch ganz gut. Nach einigen Diskussionen darüber welche Übersetzung ich jetzt auf 2000m fahren soll hatten sich dann alle geeinigt und es konnte losgehen. Am Ende kam Platz 6 dabei heraus. Somit hatte sich auch bestätigt, dass ich meine Leistung innerhalb der Saison sehr gesteigert hatte. Ich war sehr zufrieden und gespannt auf das Punktefahren. Das war aber ein einziges Geschreie, da wir nicht sehr viele Mädchen waren, fielen die Vorläufe weg und die ganzen unerfahrenen Mädchen schlingerten über die Betonbahn und machten es nicht grade einfacher eine klare Linie zu finden. Am Ende war es dann noch Platz 6 und ich fuhr mit einem guten Gefühl nach Hause. Zumal dort auch schon mein neues Bahnrad „Lanny“ auf mich wartete.

Der nächste Höhepunkt war die Deutsche Omniumsmeisterschaft (Bahn) in Köln. Zwei Tage vor Abfahrt wurde ich krank und hatte Angst, dass es dort noch schlimmer werden würde, wurde es auch. Das hielt mich aber nicht davon ab, im Gegensatz es half mir noch mehr zu beißen und meine Wut über die Schwäche in Kraft auf die Pedalen umzuwandeln. Der beste Wettkampf bei den sechs Disziplinen war eindeutig die 2000m Einerverfolgung, die ich mit meiner eigenen Bestzeit von 2min und 40sec schaffte. Danach war klar, dass ich aufs Podium fuhr. In den zwei letzten Wettbewerben konnte ich dann nochmal alle Kraft zusammen halten und wurde somit Deutsche Vizemeisterin im Omnium 2013. Die erste Deutsche Meisterschaft die ich überglücklich mit einer Medaille verließ.


DM Nachwuchs Omnium Köln / Punktefahren (Foto Mani Wollner)

Kurz danach war auch das letzte und für mich auch das beste Sichtungsrennen der Saison wo ich im Sprint Vierte wurde und nochmal meine gewonnene Stärke unterstreichen konnte.

Die letzte und für mich auch allerbeste Deutsche Meisterschaft ( Straße) fand in Genthin statt. Ich fühlte mich am Morgen schwach, müde und was es sonst noch so alles gibt um sich für einen misslungenen Wettkampf zu rechtfertigen. Aber es kam anders als ich und viele andere gedacht haben. Als ich auf der Startrampe stand drehte ich mich zur Fahrerin hinter mir noch einmal um und bat sie mich bitte nicht einzuholen. Sie grinste nur und sagte: „mal sehn“. Einzelzeitfahren war nicht meine Paradedisziplin weil man dort nur mit sich selbst kämpft, man ist ständig im Schmerzbereich, hinter einem fahren die Trainer und beobachten einen, am Straßenrand stehen entspannt die Zuschauer und feuern einen an. Es fühlt sich so an als ob man der Einzige ist, der sich quälen muss und alle anderen vergnügen sich daran. Aber genau das treibt einen an noch schneller zu fahren, noch fester im Sattel zu sitzen, sich noch mehr auf die Straße zu konzentrieren und schlussendlich findet man doch Gefallen daran. Die ganze Strecke über lagen meine Gedanken nur bei meinem Red Bull, dem Energieriegel und dem Koffeingel welches ich vorm Start bekommen hatte. Zugegeben, mir war schlecht aber trotzdem würde ich immer wieder das gleiche vorher essen und trinken. Von hinten hörte ich durch das Mikrofon immer nur: „treten, treten, treten“ oder: „Töröö, töröö“. Ich musste grinsen. Nach 4km, also kurz vor der Wende fing es an zu regnen und das war Klasse. So konnten die Beine ein wenig abkühlen und ich nahm es in Angriff, die Fahrerin vor mir zu überholen. Zwei Kilometer vor dem Ziel schaffte ich es auch, was mir nochmal einen zusätzlichen Energieschub gab. Auf der letzten Gerade unterlief mir dann doch noch ein Fehler: ich hörte schon 100m vor dem Ziel auf zu treten, da ich einen Werbebogen mit dem Zielbogen verwechselte. Kaum also über die richtige Ziellinie gefahren, ließ ich keinen mehr zu Wort kommen sondern beschwerte mich die ganze Zeit nur darüber wie viel Zeit ich durch dieses Missgeschick verloren hätte. Als es dann doch jemand mal schaffte zu Wort zukommen, erfuhr ich dass ich die neue Bestzeit hätte. Ich dachte, das wäre ein Scherz und fuhr zum Auto, das aber zum Glück gleich an der Zieleinfahrt stand. So bekam ich bei jeder Fahrerin die langsamer als ich war ein Däumchen gezeigt. Langsam realisierte ich das ich mittlerweile sicher unter den ersten drei war und als dann auch noch die letzte durchs Ziel fuhr und alle auf mich zu kamen und mir zum Deutschen Meisterschaftstitel gratulierten, konnte ich es noch weniger fassen. Auch auf dem Podium kam es mir noch sehr unreal vor. Erst nach ein paar Tagen begriff ich, dass ich tatsächlich gewonnen hatte. Gerade in der Disziplin die am wenigsten mit Glück zu tun hat, wo es eigentlich nur um die Beinkraft und den Willen geht schnell zu fahren.


DM Nachwuchs Einzelzeitfahren Strasse (Foto. Paula Kerndt)

Zwei Wochen danach war mein letztes Rennen, welches auch schon das Letzte der Saison war. Die Aussicht auf die zwei Wochen Pause danach ließen die Motivation eher sinken, da der Körper sich schon auf Urlaub eingestellt hatte. Es wurde schon in den neuen Altersklassen gestartet und so war ich bei den Juniorinnen am Start. Es ging über drei Tage, ein Omnium in Cottbus auf der Betonbahn. Es war sehr kalt und leicht kränklich war ich auch. In diesen drei Tagen sprach ich kaum und aß auch sehr wenig. Ich hatte heftige Rückenschmerzen und wollte einfach nur noch nach Hause. Als es dann auch endlich soweit war und wir auf dem Heimweg waren schlief ich ein und freute mich schon auf die zwei Wochen ohne meine manchmal blöden Räder. Diese zwei Wochen schaffte ich auch tatsächlich ohne ein einziges Mal eines meiner vielen Räder zu benutzen. Es fehlte mir auch ehrlich gesagt nicht. Einfach mal nichts zu tun war super.

Nach diesen zwei Wochen ging mein Wintertraining los, ich habe noch nie so viel Krafttraining oder überhaupt so viel Training innerhalb einer Woche gemacht, auch ein Umstand an den ich mich erst mal gewöhnen muss. Aber es macht sehr viel Spaß, besonders wenn man in so einer wettkampffreien Zeit trotzdem immer noch gute Nachrichten bekommt, wie die, dass ich in die Nationalmannschaft aufgenommen wurde oder das ich Nachwuchssportler des Monats November von Berlin geworden bin. Jetzt geht es erst mal weiter mit dem Wintertraining. Im Dezember geht es dann nach bevor dann die ersten Lehrgänge und vielleicht ja auch das Sechstagerennen anstehen. Ich bin gespannt auf die nächste Saison.

Laura


Im Nationalmanschaftstrikot (Foto: Tilo Wiedensohler / Camera 4 )

…mit Trainer Uwe Freese (Foto: Tilo Wiedensohler / Camera 4 )

Nachtrag:
– Artikel im Berliner Tagesspiegel
Wir bewegen Berlin
– Laura auf Youtube

16 Kommentare

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  • Mensch Laura.
    Du glaubst gar nicht, wie sehr ich deine Zeilen genieße !!! Sie wurden auch großartig geschrieben.
    Ich drück dir alle Daumen für die neue Saison und auch ich bin sehr stolz auf dich !!
    Ich freue mich darauf, dich irgendwann mal wiederzusehen und deinen großen Ehrgeiz in deinen Augen zu sehen. Ich will dich unbedingt mal fahren sehen.

    Viel Glück und liebe Grüße
    S.

  • Glückwunsch zu dieser Leistung (kaum zu glauben was man so schaffen kann wenn man kein Bier trinkt) Weiterhin viel Spass am Training und dem Radfahren ansich.

    Cu Danni

    P.S. Übrigens auch sehr schön geschrieben und ich glaube der einzigste Bericht hier in dem nicht einmal das Wort „Bier“ fiel….

  • Ich liebe die Geschichten der „Next Generation“!!!

    Es ist einfach schön, dass Dir der Sport gefällt. Und dabei auch noch so erfolgreich zu sein, besser kann es kaum laufen. Lass Dir die Lust am radeln durch nichts nehmen! Bin gespannt auf neue Erlebnisse der Nachwuchskader,
    dd

  • Kaderstatus behalten (youtube bei 2:44). Sehr löblich. Meine Stimme hast du schon gehabt und bekommst sie weiter. Laura forever

  • Toller Bericht! Jaja, es steckt viel Training, Disziplin und Ehrgeiz hinter deiner Geschichte! Ich finde es großartig, dass du in der Nationalmannschaft bist! Was für ein Erfolg – klasse! Weiter so und bis bald… v.d.m.

  • Cooler Bericht, Laura! Was für geniale Erfolge Du Dir erarbeitet hast! Herzlichen Glückwunsch dazu.

    Auf dass wir Dich auch in Zukunft manchmal auf dem Asphalt sehen dürfen 😉
    Hustenpeter

  • Go for Gold Laura!

    Du wirst den derzeit allmächtigen Inselmenschen bald zeigen wie das Schnellfahren auf der Bahn so geht! (Trotzdem darfst Du ruhig alte Männer im ESK-Trikot grüßen wenn Du sie bei Malchow triffst 😉 )

    boom

  • Dankeschön für die Glückwünsche und das ihr abgestimmt habt. Ich würde ja gerne noch öfter im ESK-Trikot trainieren aber leider sind sie mir zu groß und das sieht mein Trainer dann nicht so gerne aber wenn die Mutti erst mal die Trikots kleiner gemacht hat werde ich sie wieder öfter fahren.

    Laura

  • Schöne Sache Laura, Glückwunsch und mach weiter so.
    Nationalmannschaft ist eine große Ehre, und Du machst grade das durch, was ich mir immer erträumt hab.
    Bleib dabei und nutz dein Talent, Du hast reichlich davon 😉
    Bin mal gespannt, was diese Saison dir zu bieten hat…

    Marcus

  • Jetzt frage ich mich nach diesem tollen Artikel nur, welche Trikots besser stehen: die der Nationalmannschaft oder die umgenähten ESK-Laibchen? 🙂

    Immerhin konnte ich dieses Jahr jeden einzelnen km stolz im ESK-Trikot absolvieren und erst Recht, wenn ich solch wunderbare Geschichten lesen kann! – Natürlich mangelt es mir aber auch an der würdigen Alternative mit deutscher Flagge… 😉

    Da meine Tochter aber gerade erst das Laufen anfängt, betrug die Jahres-km-Leistung leider nur ca. 100km und war damit weit unterhalb des messbaren Bereiches, aber egal: auf den Nachwuchs!!!

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