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InVeloVeritas – Hin- und Rückfahrt der drei TK

Im Winter spielte ich erstmals mit dem Gedanken, nach Wolkersdorf im Weinviertel zu fahren. Da zu dem Zeitpunkt noch unklar war, wer mitkommen würde, reifte folgender Plan: Anreise mit dem Zug am Samstag, Ausfahrt am Sonntag und zurück am Dienstagabend. Für die Rückreise eine Versicherung gegen schlechtes Wetter in Form eines ab Wien gültigen Zugtickets, welches auch Zustiege in Prag oder Dresden zulassen würde. Der Plan reifte, Mitfahrer sagten zu und ab, am 15.6. war es soweit.

Eine am Vortag gekaufte Kühltasche wurde mit 2 durchgefrorenen Flaschen Wassereis á 1,5l befüllt, am Bahnhof Südkreuz kamen 8 halbe und 3 Maurerfäuste vom Hauptsponsor dazu. Mitstreiter hatte lose Eiswürfel bei der großen Burgerkette geholt und kühlte damit seine Getränke, Toni nahm einfach sehr kaltes Bier in seine Kühltasche. Noch ein Kaffee und ein Abschiedsphoto, dann gings los.

Wir stiegen so gutgelaunt und mit Unmengen von Proviant in den überfüllten Zug. Zwei Wagen fehlten aus unerfindlichen Gründen, ebenso die versprochenen Fahrradstellplätze im reservierten Wagen. Egal, irgendwie brachten wir die Räder unter, verscheuchten noch schnell ein Paar von unseren Plätzen und kurz vor 9:00 und kurz hinter der Berliner Stadtgrenze zischte zum ersten Mal an diesem Tag eine geöffnete Bierflasche. Dieses Ritual würde sich bis zum späten Nachmittag wiederholen, nur unterbrochen durch das Kramen im Proviantsack. Das Ziel erreichte der Dreierpack schon sichtlich angeschlagen.

Die Weiterfahrt sollte mit der U-Bahn und S-Bahn erfolgen und weil wir schonmal in der U-Bahn waren und die auch am Stephansplatz halten würde, gönnten wir uns einen kleinen Umweg und noch ein kleines Bier. Bei der Hitze drohte schnell der Tod durch Dehydrierung….

Bei diesem leckeren Schluck wurden wir schnell von Passanten angesprochen, woher wir dies leckere Brau hätten. Sie selbst kämen auch aus Berlin und hätten Durst.

Weiter mit der S-Bahn gings nach Wolkersdorf, wo wir nach kurzem Abwerfen der Habseligkeiten im Hotel schnell das versammelte Starterfeld in der Stadtwirtschaft fanden. Und endlich war der Sixpack der gemeldeten Kader beisammen und stürzte sich gemeinsam ins Carboloading. Bis nach Mitternacht verteilten wir Handzettel zur Huschke-Fahrt, tranken die Biervorräte leer und gingen dann mit dem Veranstalter noch an eine Weinprobe. Die Konkurrenz war überrascht von unserem Trainingseifer und rechnete nicht wirklich mit unserem Erscheinen am nächsten Morgen. Doch wir besiegelten unser Vorhaben noch mit einem Schluck Obstler an der Hotelbar.

Am Montag trennte sich die Equipe wieder, die eine Hälfte wollte den Hotelpool nutzen und landestypische Getränke konsumieren, die andere Hälfte wollte ins gesegnete Land des Bieres fahren. Der Niederösterreichische Rundfunk warnte vor körperlicher Betätigung im Freien, Aufenhalte in der Sonne seien auf ein Minimum zu begrenzen. Also genau das richtige, um bis zum Sonnenuntergang auf dem Rad zu sitzen. Das Sitzen ging übrigens erstaunlich gut, Toni und Mitstreiter hatten moderne Wegbeschreibungen eines in der Betaphase befindlichen Fußgängerroute abgespeichert, so daß sich der unbedarfte Dritte im Windschatten halten konnte.

So richtig flaches Einrollen gibt es im Weinviertel nicht, schnell geht es in irgendwelche Hügel, die an die Toscana oder die Uckermark erinnern. Die benutzten Wege sind frei von Autos, die Dörfer scheinbar ohne Einwohner. Unwirkliche Stille liegt über dem ganzen Gebiet, die Hitze ist schon um 9:00 ohne Erbarmen. Bereits nach einer guten Stunde sind die Wasserflaschen das erste Mal leer, wir laben uns beim Stiegenwirt.

Der gebrachte Kaffee hat nichts mit dem bestellten und erwarteten Espresso zu tun, bis jetzt ist der Hintergrund der Wien Kaffeekultur an uns vorbeigegangen. Doch drinnen beim Stiegenwirt gibts zum einen ein mittelalterliches Kreuzgratbogengewölbe zu bewundern und zum anderen eine alte Post- und Bahnlandkarte. Auf dieser liegen Wien und Prag garnicht so weit auseinander, handelt es sich doch um eine Karte des K.u.K.-Reiches in seiner größten Ausdehnung.

Während Twobeers sein Training von einem Tag auf den anderen radikal geändert hat (mit nur 10 halben früh ins Bett), blieb Toni bei der alten Strategie und hat unter dieser Last und seinem 25-L-Rucksack schwer zu leiden. Sein Gesicht gleicht teilweise denen am Wegesrand.

Für die Figuren am Kreuz scheint es in der Nähe eine Manufaktur zu geben, die einfache Blechstanzarbeiten ausführen.

Durch schöne Kellergassen und durch Rebhügel gings immer Richtung NW, als plötzlich das Blubbern eines großhubigen Motorrades hinter uns zu hören war. Wir machten Platz und vorbei fuhr nicht ein sondern 10-15 Motorräder der Gendarmerie, wahrscheinlich getarnte Kuttenträger. Durch die kurvigen Abfahrten zwischen den Weinstöcken konnten wir deren Tempo ganz gut halten.

Gegen Mittag überschritten wir die Landesgrenze nach Tschechien ohne Probleme, doch veränderte sich das Umfeld deutlich. Waren die Felder vorher kleinteilig und mit verschiedenen Früchten bestellt, reichten die Monokulturen jetzt bis zum Horizont.

War kurz vor der Grenze ein Schloß von Maria Theresia aufs feinste restauriert, zeigte das nächste Dorf den Verfall der feudalen Herrscher.

Die fein asphaltierten Wirtschaftswege wichen Geländewegen und im Konsum gabs lecker Bier. Schiebend (alle schoben!) meisterten wir den fast senkrechten Hang abwärts…


In diesem Bereich sahen wir auch manchmal Hinweise auf die Grüne Route von Wien nach Prag (www.gpsies.com/map.do?fileId=hjyldjswkedqhcnd), wie die vollständige Beschilderung aussieht, entzieht sich unserer Kenntnis.

Das Thermometer machte bei 35°C nicht Halt, die schwarzen Leibchen aus Funktionsfaser wärmten auch durchgeschwitzt hervorragend. Ab jetzt war das Ritual in jedem Städtchen 1/2l Radler, 1,5l Wasser und ein Eis. Die Strecke Wolkersdorf-Prag würde etwa 280 km betragen, davon wollten wir am ersten Tag über 200 machen, damit in Prag am nächsten Tag noch etwas Zeit wäre. Telc überraschte uns mit einem wunderschönen Marktplatz mit Laubengang, ach wie gerne hätten wir den Tag hier ausklingen lassen.

Doch wir fuhren weiter und die nächsten Ortschaften boten nichts zum Übernachten. Bis zur nächsten größeren Stadt Vlasim sind es 40km, unter normalen Verhälnissen eine gute Stunde. Doch müde, ausgelaugt und von der Hitze geschwächt, brauchten wir doch einiges länger, warteten doch auch noch ein paar hundert Höhenmeter auf uns.

Die Sonne stand schon dicht am Horizont, hatte aber noch nichts von ihrer wärmenden Kraft verloren, als wir Vlasim erreichten. So schön wie Telc war, so niederschmetternd war der Anblick von Vlasim. Es gibt dort zwar ein Schloß mit Park, dessen Restaurant geschlossen hatte, doch dominierten sozialistische Plattenbauten die Stadt. Wir folgten dem Hinweis zu einem Sporthotel und wurden abgewiesen. Weiter auf der Suche nach einer Unterkunft hielten wir an einer typischen Bierkneipe, wie sie Hasek im Schwejk beschreibt. Die Luft zum Schneiden, doch zum Niederknien das ausgeschenkte Bier. Auch dort konnte man uns nicht mit dem Hinweis auf eine Übernachtungsmöglichkeit weiterhelfen. Würden die 3 Stunden Restlicht reichen, um bis Prag zu kommen? Das Licht würde reichen, unsere Kräfte nicht. Im Hotel Vorlina war das letzte Zimmer vor ein paar Minuten gebucht worden, doch hier bekamen wir den Tip, es bei der Pension Silvie zu versuchen. Ein Telefonat, eine Wegbeschreibung und schon huschte ein Lächeln über unsere Gesichter, was einige Minuten später nicht mehr weichen wollte. Betten, kalte Duschen, kaltes Bier – Herz, was willst du mehr? Richtig, Gulasch mit Knödel! Nein, Knödel gibts nur mittags. Mist! Egal, wir bestellen reichlich und unsere Körper weigern sich, die angebotenen Mengen aufzunehmen. Und auch den Hinweis des Wirtes, wo wir noch „Nachtflaschen“ kaufen könnten, ignorieren wir und gehen einfach mal fast nüchtern und sehr erschöpft in die Koje, nicht ohne Frühstück für 7:00 zu ordern.

Diestag, 8:00, die Flaschen sind gefüllt, das Thermometer zeigt schon wieder fast 30°C. Die am Vorabend durchgespülten Klamotten sind trocken, das Sitzfleisch schmerzt und sofort geht es in den ersten Anstieg. Die Lockerheit des Vortages ist weg, jetzt muß der Willen über das Fleisch siegen. Bis Benesov gehts weiter auf der Strasse 112 (auf der uns auch mal ein Krankenwagen mit Blaulicht mit Überschallgeschwindigkeit in einem kleinen Dorf überholt), dann wirklich erstmals ein Wegweiser nach Prag! Aber die E55 ist eine Nummer zu groß für uns, wir fahren fast parallel auf kleinen Straßen, die dafür auch mehr Höhenmeter bieten als die ebene E55, die wir auch mal kreuzen müssen.

Wieder sind wir noch keine zwei Stunden unterwegs, da sind die Flaschen ausgetrunken. Am Straßenrand steht ein Restaurant, es ist noch zu, doch an der Rückwand findet sich ein Wasserhahn, der uns erfrischt. Laut prustend und plätschernd machen wir Koch und Wirt auf uns aufmerksam. Die hetzen nicht den Hund auf uns, sondern betrachten uns mit gewisser Freude und Verwunderung, dass wir nicht nach Bier fragen. Wir verzichten erstmal, haben wir doch noch einiges vor uns.

Bei jedem Anstieg rechnen wir damit, dass es endlich der letzte sein müßte und sich eine weite Ebene mit der Skyline von Prag vor uns öffnen müßte. Doch dazu müssen wir erst wirklich nahe an Prag rankommen. Erst knapp 10km vor dem Ziel ist es soweit, Hochhäuser sind am Horizont zu sehen und die erwarteten Höhenmeter der Routenplaner sind übertroffen. Doch damit endet auch der gemütliche Teil der Straße, wir sind in der werktäglichen Rushhour. Unbedarften Bewohnern ländlicher Gebiete möchte ich unbedingt von einer solchen Einfahrt in die Stadt abraten, wir tauschen die Ruhe der kleinen Straßen mit der Freude auf das Ziel. Es ist 10:30 als wir das Ende unserer Route erreichen.

Wenzelsplatz, Karlsbrücke, Bier heißen jetzt die nächsten Stationen.

Wie man sehen kann, vernachlässige ich zu oft die Dehnungsübungen und bekomme die Beine nicht mehr gerade…

Wir verlassen das touistische Epizentrum nach Two Beers und fhren Richtung Hauptbahnhof auf der Such nach Gulasch und Knödeln. Wir werden nicht fündig, vielleicht haben wir zu schnell aufgegeben. Doch wir stärken uns für die Heimfahrt mit der Bahn. Und da wir nicht wissen, ob diese Stärkung ausreichend ist, kaufen wir lieber noch ein paar Bier im Bahnhof kurz vor der angekündigten Abfahrt des Zuges. Diese Vorräte müssen wir mit allem was haben verteidigen.

Lange Zeit müssen wir warten, wo und ob unser Zug kommt, dann ist er endlich da und die Klimaanlage ist defekt. 40°C lassen unserer Kreislauf sofort wieder auf Hochtouren kommen, doch der Zugbegleiter hat Erbarmen mit uns und schickt uns in die erste Klasse. Hier haben wir gekühlte Ledersessel und reichlich Platz.

Zwischen Prag und Dresden können wir die Ausmaße der letzten Überschwemmungen nur noch erahnen, sind aber froh, nicht auf dem Elberadweg zu fahren, der voller Schlamm ist. In Dresden dann ein unplanmäßiger Halt von fast zwei Stunden: es fehlt an Trinkwasser! Ist die Klimaanlage ausgefallen, muß der Zug Trinkwasser bereithalten. Und irgendwann werden endlich 15 6er-Packs mit Wasser geliefert und wir sinken ermattet in die Sitze. Und gegen 23:00, nach ca. 50l Bier, 500km auf dem Rad und über 5000 Höhenmetern, sind wir wieder zu Hause, das Abenteuer ist zu Ende.

twobeers

7 Kommentare

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  • Mich deucht die An- und Abfahrt scheint der heroischere Teil gewesen zu sein. Das Rennen eher ein Anlass zur Planung dieser feinen beneidenswerten Tour.

  • Mannomann! Ich habe längst den Überblick eurer Reisen in all die fremden Länder verloren! Gefühlt seid ihr die ganze Zeit mit Rad und Flasche unterwegs und erlebt Wahnsinns-Abenteuer! Was für ein toller Bericht auch dieser wieder ist. Super Bilder und ich kann mir gut vorstellen, dass ihr echt Spass hattet. Irgendwann muss ich mal kündigen, oder mich nen Jahr krankschreiben lassen, um auch mal wieder mit böllern zu können. Toll! Weiter so – eure Berichte halten mich am Leben. Beste Grüsse – DK

  • Beim Stiegenwirt einen „Espresso“ bestellen und darauf hoffen, Wiener Kaffeehauskultur erleben zu können ist schon abenteuerlich. Möglicherweise spürt man hier schon die Auswirkungen des reichlichen Alkoholkonsums.

    Also Klartext: Wiener Kaffeehauskultur heißt so, da sich die besagten Häuser in Wien befinden und „Kaffeehaus“ und nicht „Stiegenwirt“ heißen. Wien ist übrigens nicht mit Österreich gleichzusetzen. Oder was würdet Ihr sagen, wenn Euch jemand nach einem Besuch in Finsterwalde sagt, er wäre in Berlin gewesen?
    Dann noch zu den erwähnten Kaffeespezialitäten. Diese heißen nicht „Espresso“ oder „Latte Macchiato“ sondern „Brauner“, „Einspänner“, „Fiaker“ usw.. Alles andere ist kalter Kaffee.

  • Hach, Bahnfahren ist so toll!

    Die Beschreibungen der Suche nach ein Unterkunft kann ich von meinen winterlichen Skitouren nur allzugut nachvollziehen. Ist schon immer irgendwie etwas verrückt bei unseren tschechischen Freunden…

    Das zweite Foto von oben von dir, twobeers, mit dem Bierkorb – legendär :] Danke!

  • Hoffe für 2021 auf rege Beteiligung des Kaders bei Anreise/Rückreise/Rundreise! Hach war dit dufte damals und auch dieses Jahr.

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