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Usedomer Badejungs

Die legendären -Heringsatt-Ostseefahrten sind ein wichtiger Meilenstein im frühen -Radsportkalender, nicht zu Letzt wegen der noch bestehenden Ungewissheit über Formtief oder Formhoch. Sind Ü200 zu dieser Jahreszeit machbar oder blanker Illusionismus. Sind Kurz-Kurz Trikotagen verfrüht oder Lang-Lang verspätet. Gibt es Regen oder Schnee, Sonne oder Wind. Fragen über Fragen, die in einer präzisen Endvorbereitung am Abend durchdacht werden müssen. Mit der Überprüfung des rechtzeitigen Weckrufes werden die Augen geschlossen in der Gewissheit an Alles gedacht zu haben.

Diese Gewissheit kann einem mit einer roten Kelle in den dunklen Morgenstunden schnell genommen werden, wenn einem auf dem Weg über eine rote Fussgängerampel und einem nicht entzündeten Rücklicht die Zivilstreife Gesprächsbedarf sieht. Nach 10 Minutiger Strafpredigt und meinem Einwand endlich zum monetären Teil kommen, da mein Zug gerade den Bahnhof verlässt und ich allein den Weg an die Ostsee bestreiten kann, wird mir mit den Worten: „Das scheint mir Strafe genug zu sein!“ eine Gnade zu teil, über die ich mich in dem Moment nicht richtig freuen kann.
Mein Frust wird in der S-Bahn in Richtung Oranienburg erheblich gemildert, da Twobeers mir am Fernsprechendgerät klar macht, dass gewartet wird und nicht ohne mich gestartet wird.

20 Minuten nach offizielem Start geht es bei 0°C mit 9 Mann davon 8 leicht angefroren in den dichten morgendlichen Nebel in Richtung . Schnell wird Fahrt aufgenommen um die Betriebstemperatur zu erhöhen. Die Dichte des Nebels erhöht sich auch und tropft stetig von den Brillengläsern herunter, fehlt nur noch das sich Eiszapfen am Brillenrahmen bildet. Mittlerweile scheint die Sonne und vertreibt den Nebel. Es beginnt, das Wechselspiel von Windschatten geben und suchen, bis die erste Ordnung durch Olles Platten an einer immer wieder gern genommenen Kopsteinpflasterstraße in Liebenwalde durcheinander kommt.

Nach Vogelsang und Hammelspring ist die erste Zwangspause schon fast vergessen, als in Lychen der nächste Schrauberstopp eingelegt werden muss, um Twobeers lockere Schrauben festzuziehen. Die Feldberger Seenlandschaft wird mit festen Griff genommen und Woldegk gefahrlos erreicht. Die Bäckersfrau im Woldegks Edeka wird mit den Worten begrüßt: “ Und? Bockwürste sind alle, wa?“ Die Antwort ist wie jedes Jahr die selbe. Macht nichts, gibt genug andere ungesunde Sachen.

Mod31 entscheidet sich in Anbetracht der gestiegenen Temperatur (9°C) in weißer Unterwäsche weiter zu fahren
Ickes Trödeleien werden mit Iboproven 800 beendet und die Wirkung zeigt sich ziemlich schnell, ich muss ihn nicht mehr schieben.

Neben einmal Hupen und einer „höflichen“ Bemerkung aus dem Seitenfenster erreichen wir ohne besonderen Vorkommnisse die Insel Usedom.
Den weiteren taktischen Rennverlauf zitiere ich hier aus der Sicht von Mitstreiter:

„Nachdem der Nebel durchfahren, Formtäler überwunden, Pöbler ignoriert und drei Päuschen genossen waren fiel am Wegweiser nach Ückeritz der imaginäre Startschuss zum der Primavera 2012.
Noch einmal fragt sich der Pedaleur ob es die Stunde des Säbels oder des Spatens ist. In der Heimat von Störtebeker scheint die Antwort auf der Hand zu liegen.Und schon zieht Ole am Horn, Twobeers setzt nach und ich schließe die Lücke mit Rifli und dem SZB im Schlepptau. Eine zünftige 38 wird angeschlagen. Am ersten leichten Hügel lässt Twobeers den Gang stehen und drückt souverän hinweg. Der Rest macht sich lang.

Die Jahre zuvor konnte ich nur das Schaltgeräusch von boom und sobald sein Hinterrad bewundern um im Zielsprint den Kürzeren zu ziehen. Obwohl der große Sprinter heute fehlte, war es doch zu unsicher sich auf eine Sprintankunft verlassen. Wie würde mich Twobeers in der Ebene zuvor tief ins Grau fahren und würde die Erfahrung eines Ole den Sprint für ihn entscheiden? Nein der letzte Hügel vor Pudagla sollte meiner sein. Die Meute würde gesprengt und wenn die UBB mir wohlgesonnen, das Ortsschild gewiss sein. Noch einmal kurz in die Führung, dann fallen lassen am vorletzten Berg. Das Tempo wurde verschleppt.

Fast gemächlich ging es durch Nepperin. Nun gibt sich keiner mehr die Blöße. Verhalten rollen wir aus dem Örtchen, den letzten Berg vor Augen. Als die ersten Ketten mit einem Rasseln einen Gangwechsel ankündigten zog ich durch. Der Anstieg war kurz genug um ihn mit Frequenz niederzuringen. Knapp vierzig zeigte das Mäusekino. Erst am Ortsschild von Pudagla ein banger Blick zurück. Ha, alleine. Kette etwas nach rechts und das Gebälk in aerodynamische Form gefaltet. Bis zur Kreuzung waren es Ewigkeiten bei leichtem Gegenwind. Würden Sie mich stellen? 200m vor der Kreuzung schaltete die Ampel auf grün. Perfekt. Beim Abbiegen waren 2 Punkte auszumachen. Die Verfolger! Wer würde es sein. Zerstritten oder in Allianz? Der Puls ist nun schon deutlich in den Ohren zu Hören, die Beine nach 210km wie Beton.

Wie weit war das bloß noch mal? Dass muss doch bald? Ein letzter Blick zurück. Sie kommen nicht näher. Es war vollbracht. Doch wer war mir da auf den Fersen. Ole und Rifli hatten auf den letzten Meter noch taktiert. Twobeers und der SZB hatten Pech an der Lichtzeichenanlage.“

Die anschließende Diskussion das Ückeritzer Ortsschild als Trostpflaster für Boom abzuschrauben, vertagten wir auf die Abendstunden und den Zeitpunkt des maximalen Alkoholspiegels und fuhren in Richtung Strand.

Hier standen Ickes Frauen und beobachteten uns beim Gang in die 5 Grad kalte Ostsee. Trotz Badekappen und Schnaps war der Gang kurz aber heftig.
Das anschließende Fischgelage wurde wie schon in den letzten Jahren durch A3K-Touristen, diesmal aus sicherer Entfernung, beoabachtet. Angebotene Wortgefechte wurden nicht angenommen oder vielleicht auch nicht verstanden, man weiß es nicht. Vielleicht kann der allgemeine Triathlet mit verbaler Kommunikation nichts anfangen und sucht sein Heil in der zeitlich ausgedehnten körperlichen Ertüchtigung. Ausnahmen bestätigen die Regel und sahsen bei uns am Tisch.

Der Zeitpunkt der Abreise rückte näher, die Zeche gezahlt, der Obolus fürs morgendliche Warten bezahlt und nach herzlicher Verabschiedung mit guten Wünschen für das Jahr 2013 wurde das Gleis 13 des Ückeritzer Großbahnhofs erreicht. Die Zugfahrt in der UBB neben 3 lesbischen Fußballfans mit polnischen Bier erschien kurzweilig und wurde auch nicht langweilig als SZB im Regionalexpress Richtung zur legendären Kunstdiskussion anhob.
Ob der Fisch schlecht war oder SZB Kunstverständnis schon immer sehr speziell war, blieb bis zur Ankunft in Berlin offen. Zumnindest scheint dieser Artikel solange keine Kunst zu sein, bis mir ein Volldepp dafür Geld gibt. Meine Kontonummer kann per Email erfragt werden.

Ritzelflitzer

ritzelflitzer

6 Kommentare

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  • Mein lieber Rifli! Kunstvolle Zeilen sind das und ich wäre fürwahr gerne dabei gewesen. Aber solange es nicht klar aus der Nase schnoddert, sondern gelbgrün sollte man das heimelige Sofa nicht verlassen.

    Zur Kunstdefinition kann ich noch anbringen, dass es für mich grosse Kunst ist, morgens zur Werkbank zu eilen.
    Hat aber wieder keine Sau überwiesen, war’s nur Arbeit, für die man das Bett verließ! 😉

      • Der Sondertropfen über Mitstreiter: „Ich fuhr in seinem Windschatten. Obwohl, der macht gar keinen richtigen Windschatten.“

        • Deswegen sollte er auch immer seine Nase nach rechts oder links halten, dann klappt das auch wieder mit dem Windschatten….

  • Der Bericht von Mitstreiters kilometerlanger Soloflucht inklusive grüner Welle hat mich emotional ergriffen und berührt. Großartig!

  • Im Zug nach Oranienburg am Morgen tat der gleiche Scherge Dienst wie in den letzten Jahren, also der, welcher von Staubi schon richtig Schimpfe ob seines Geschäftsgebarens bekommen hatte. Auch diesmal akzeptierte er nicht das Zusteigen auf ein Wochenendeticket.

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