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Qualitätswege

Feiger Gedanken
Bängliches Schwanken,
Weibisches Zagen,
Ängstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Macht dich nicht frei.

Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei!

Endete die Beschreibung Lichtenbergs mit Goethe, so möchte ich die weiteren Ausführungen mit Goethe beginnen.
Und so stieg ich ohne Karte, ohne Streckenkenntnis und ohne Plan in den Zug Richtung Küstrin. Mit mir eine Schulklasse, die längere Zeit auf dem Bahnsteig ausharren mußte und deren Blasen zum Platzen gefüllt waren. Doch der kleine Zug der NEB verfügte nur über ein Klo, dies war allerdings außer Betrieb.
In Rehfelde war ich noch nie, doch Rob wollte hier die Tour beginnen. Also Ausstieg. Rehfelde empfing mich wesentlich freundlicher, als mich Lichtenberg verabschiedet hat.

Der Himmel noch grau verhangen, die Bahnhofskneipe genau wie der „Tender“ in Lichtenberg seit Jahre zu, so wurde mir der Beginn einer Tour leichtgemacht. Doch schon nach wenigen Metern hielt ich an einer Informationstafel.

Na also, das grüne Tor zur Märkischen Schweiz, jetzt kanns losgehen. Nach rechts oder links? Erstmal links. Und siehe da, gleich der nächste Hinweis. Und wie gut, daß die Hilfe der Götter in Form eines digitalen Bildspeichers dabei war. So konnte ich die gebotenen Hinweise in mich aufsaugen und bei Bedarf auch wieder hervorkramen (falls das Gedächtnis mir einen Streich spielen möchte).

Kurz den Zoom angeschmissen, siehe da, die Karte ist auch auf dem kleinen Bildschirm erkennbar. Leider war die Kennzeichnung von schmalen Pfaden unzureichend. Doch würde ich vor dem Oberst bestehen können, wenn ich mit dem breitgereiften Arbeitsgerät auf markierten Wegen fahren würde? Eine kalte Welle der Ernüchterung durchfuhr meinen Körper. Ich mußte mich setzen und wartete auf den nächsten Wink aus der Höhe. Und alsbald kam der Gedanke: wenn der Oberst und Goethe den Rennsteig befahren bzw. bewandert haben, den meistbegangenen Fernwanderweg Deutschlands, dann ist der E11 keine Schande für mich. Also auf und Richtung Garzin. Schon empfing mich eine Straße, die Goethe vielleicht nicht, Fontane aber auf jeden Fall bewandert hat.

Die Bewirtung am Wegesrand war wie im Aufruf dargestellt. Obstbäume wie im Märchen hingen übervoll mit reifen Früchten, deren Duft die Sinne frohlocken ließ.

Nur wenig später offenbarte sich der Europäische Qualitätswanderweg als Opfer der Unwetter, die das Land in der vorhergehenden Nacht heimgesucht hatten. Tief hatte sich ein Sturzbach in den Weg gefressen, Findlinge lagen frei, die Natur bot ein urwüchsiges Bild.

War an abschüssigen Stellen das Wasser unter Mitnahme von viel Material abgeflossen, so mußte es ja auch irgendwo hin. Und das, was nicht versickern konnte, machte sich auf dem Weg breit. Nach sieben Kilometern waren beide schuhe komplett mit schlammigem Wasser geflutet, schmatzend wurde jede Kurbelumdrehung quittiert, der Antrieb verrichtete knirschend doch willig sein vorantreibendes Werk.

Nach einiger Zeit erreichte Buckow, doch die Stadtdurchfahrt auf Asphalt paßte so garnicht in mein heutiges Programm, außerdem war der Europawanderweg am Ortseingang nicht ausgeschildert. Ich entschied mich also für den Panoramaweg. Es mag Leser geben, denen meine schier übermenschlichen Fähigkeiten bei der Beherrschung des Zweirades im Gelände bekannt sind, allen anderen sei gesagt, daß es sicherlich Leute gibt, die den Panoramaweg „flowig“ finden. Ich entschied mich für Trageeinheiten auf den rutschigen Knüppelbrücken und -treppen. Dadurch hatte ich aber auch genug Muße, um den Blick über einen der vielen Seen zu genießen.

Am anderen Ende von Buckow zeigte mein vorderer Pneu etwas von der neuesten Braintechnologie. Selbsttätig war der Reifeninnendruck auf ein Minimum gesenkt worden, maximaler Grip war die Folge. Grandios. Doch sollte im folgenden die Wegebeschaffenheit wieder einfacher werden, also wollte ich den Druck wieder erhöhen (genau hier haperts noch mit der Braintechnologie). Also doch hinein ins schöne Städtchen Buckow und es entspann sich folgender Dialog mit einem Eisdielenbesitzer:

„Tach.“
„Tach.“
„Gibts hier nen Fahrradladen?“
„Nö.“
„Ne Tankstelle?“
„Nö.“
„Wat machste, wenn de nachts mal dringend n Bier brauchst?“
„Denn jeh ick inn Keller.“

Ich pumpte also selbst ein wenig Luft in den Pneu und fuhr Richtung Pritzhagener Mühle, der E11 würde mich hinführen. Der Blechkuchenkönig würde mich fürstlich verwöhnen, alle Vorurteile über die geringe Qualität brandenburgischer Backwaren würden von feinem Hefeteig und krachenden Streuseln weggefegt. Doch auch hier folgte Ernüchterung.

Doch mitgeführter Proviant ließ diese Enttäuschung geringausfallen und es ging weiter Richtung Neuhardenberg.
Der gewählte Weg war wirklich schön, allerlei Mühlen lagen am Wegesrand, auch Biber sollen wieder heimisch sein.

Und ich traf auf die Ruine eine alten Wasserspenders an einer Wegkreuzung.

Im Zuge des Goetzenaustausches hatte Neuhardenberg mal Marxwalde geheißen , nicht zu verwechseln mit dem unweiten Marxdorf. Die neu eröffnete Gutsbäckerei Neuhardenberg bestätigte dann allerdings die oben erwähnten Vorurteile wieder.

Die Touristeninformation hatte geschlossen, die öffentlich ausgehängte Karte zeigte wenig und so entschied ich mich für einige Kilometer auf dem „Theodor-Fontane-Qualitätsradwanderweg“. Hier muß ich den örtlichen Tourismusbeauftragten Lob aussprechen, die Ursprünglichkeit der Gegend wird durch diesen Weg nicht beeinträchtigt. Zwischen Karlsdorf und Altfriedland wurden meine gerade getrockneten Schuhe erneut geflutet, während Molche und Unken in seegroßen Pfützen vor mir flohen. Und dann stieß ich auf die merkwürdigste Schilderanordnung des Tages.

Noch darüber sinnend, was und wie da wohl neu gebaut würde, erreichte ich einen Ort, dessen Name den Tag wie kein zweiter treffend beschreibt.

Hinter dem Zaum graste übrigens eine Schar Gänse unter dem Motto „Ne jut jebratne Jans is ne jute Jabe Jottes.“
Die B167 gequert und schwups ist man wieder auf wunderschönen alten Alleen, die sich auf internetgestützten Routenplanern nicht wiederfinden lassen. Wie gut, wenn man ohne Karte und ohne Begleitung sich einfach von der inzwischen scheinenden Sonne leiten lassen kann!

Groben Schätzungen zufolge müßte ich irgendwo den Gamengrund treffen, ich ließ mich einfach
treiben und traf auf das Schloß Reichenow.

Die Fahne flatterte auf dem Burgfried, das Hotel heischte um Aufmerksamkeit und mit der Sonne um meine Gunst. Ich ließ es liegen und fuhr weiter, endlich traf ich wieder auf bekannte Wege. Es war der „66-Seen-Qualitätswanderweg“, der übermannshoch von Brennnesseln bewachsen war. Na herrlich!

Die Gegend um Leuenberg war der reine Horror, doch der dortige Bäcker verkauft grandiosen Kuchen für weniger als einen Taler das Stück. Ich besann mich der Tour im Frühjahr, als ich mit Boerge, Rifli und Rob an gleicher Stelle saß. Solle ich von hier weiterfahren nach Strausberg? Ober nach Falkenberg und ab dort den Zug nehmen? Nein, ich versuche mich Richtung Bernau durchzuschlagen. Das gelingt mir auch ganz gut, landwirtschaftliche Wege sind hier häufiger als Waldwege. Nach dem Neubau der Ruine vorhin sehe ich die zweite interessante Beschilderung einer Kirche.

Bernau wird ereicht, ich habe keine Lust auf die Bahn und fahre weiter an der Panke auf bekannten Pfaden bis nach Hause. Das Ende sieht so aus:

Wenn alles getan ist.
Wenn alles getan ist.

twobeers

10 Kommentare

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  • Fein Sache das! Vor allem sicher viel kurzweiliger als mein Montagsausflug, der wie folgt zu beschreiben ist: … Runde 4 etwas schneller, zwei Laufpassagen … Runde 7 volle Pulle … 3 Runden ruhig mit jeweils 2 Laufpassagen … Runde 14 3 kurze Antritte mit dicker Mühle … Zu Hause gabe es dann lecker Kräutertee und zwei Möhren.

  • @ mensch Acke war den die Kombination von Kräutertee und Möhre diese Woche von der Ärztin genehmigt?

    @zweibier Würde schon mal ein Patent für den Brainreifen anmelden!

    … und das mit dem Flow üben wir noch!

    Haste fein jemacht!

  • Große Klasse!
    Und die Schilder: Göttlich! Neubau einer Ruine und endlich weiß ich was mit „offener Kirche“ gemeint ist. Wobei die kleene Illustration auf dem Schild aussieht, als ob das Menneken gleich inn offenen Sarg kippt.

  • steht da 172km auf dem tacho? na nur gut, dass ich liegengeblieben bin.

    nein, es tut mir aufrichtig leid. und wie dir deine frau ja hoffentlich ausgerichtet hat, bin ich nach meiner 4h runde am nachmittag noch kurz an deiner haustür vorbei, um mich zu entschuldigen, aber du warst noch nicht wieder daheim.
    ich bin nach dem weckerklingeln wieder eingenickt und dein sturmschellen hat mich dann auch nicht unter der bettdecke vorkriechen lassen, sorry. ich hatte einen blutdruck wie ein toter stein und vermochte mich nicht bewegen.

    aber mit mir wären diese schönen zwei beiträge mit den großartigen fotodokumenten nicht entstanden und im übrigen bist du auch ohne karte in etwa so gefahren, wie ich es gedachte hätte.
    danke für deine zeilen.

    rb

    p.s.: ich habe da übrigens schon eine idee für diesen sonntag…

  • Um an der Pritzhagener Mühle dem Hungertod zu entfliehen sollte sich die Nettoöffnungszeit von 12-16 Uhr gemerkt werden. Schöner Bericht wiedermal!

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