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Wieso sieht die Sächsische Schweiz so aus wie sie aussieht?

Vor zwei Wochen waren Boerge, und ich zum Boofen in der Sächsischen Schweiz. Diese Region ist eine ganz besondere, gebirgsähnliche Landschaft in Deutschland. Jeder kennt die Bilder der zerklüfteten Felswände, einzelstehender hochaufragender Gesteinstürme und verwitterten Berge. Als ausgebildeter Geograph, und so einer bin ich ja nun, wirft man sicher ein detailierteres Auge auf so manches kleine Naturwunder als der gemeine Spaziergänger. Alles erklären kann man sich dennoch nicht. Und doch, so wie auf der Anreise von der Elbe aus durch das schöne Kirnitschtal geschehen, bekommt man oft das selbe zu hören: „Rob, du hats doch sowas studiert. Wie kommt das denn, dass es hier so aussieht?“.

Anstatt nach allerlei Ausflüchten zu suchen, warum man trotz sieben Jahren des Geographiestudiums und Reisen durch die weite Welt nicht erklären könne, was es mit der Sächsischen Schweiz auf sich habe, halte ich dann einfach mal weltmännisch die Fresse.
Da dieses erste Mal Boofen aber sicher nicht das letzte Mal gewesen sein wird, die Fragen größtenteils unbeantwortet blieben und mich selber das Interesse gepackt hat, wissen zu wollen, wie es dazu kam, dass die so aussieht, wie die Sächsische Schweiz aussieht, will ich der Sache hier in möglichst kompakter Form und auch für mich selber verständlich ergründen.

Die Sächsisch-Böhmische Schweiz liegt im deutsch-tschechischen Grenzgebiet einige zehner Kilometer östlich von . Markant sind die zahlreichen Felsformationen, spektakuläre Felsentürme, Burgen und das tief eingeschnittene Tal der Elbe. Die Sächsische Schweiz erreicht Höhen bis über 500 Meter N.N. und wird eingerahmt vom Lausitzer Bergland im Nordosten und dem Erzgebirge im Westen. Die vielbeschriebenen Felsen bestehen aus kreidezeitlichem Sandstein. Dieser Sandstein besitzt, je nach seinem Anteil an dem gesteinsbildenden Mineral Quarz sowie seiner Fein- oder Grobkörnigkeit, eine höhere oder weniger hohe Widerständigkeit gegen Erosion und Abtragung.

An den letzten beiden Sätzen kann man erkennen: will man die Entstehungsgeschichte und das heute Bild solch einer Landschaft beschreiben, muss man sich zweier geographischer Disziplinen bedienen. Dies ist zum ersten die Geologie, welche die erdhistorische Entwicklung und den heutigen Aufbau des Untergrundes sowie die Zusammensetzung der Gesteine beschreibt. Zum zweiten zieht man die Geomorphologie zu Rate. Diese Disziplin beschäftigt sich mit der Formgebung der Erdoberfläche und deren gestaltenden Prozessen. Zunächst zur Geologie, zur Entstehungsgeschichte des Raumes, wo sich die heutige Sächsische Schweiz befindet.

Vor etwa 99 Millionen Jahren, in der Oberkreidezeit, wird der höchste Meeresspiegelstand der Erdgeschichte angenommen. Zu dieser Zeit waren weite Gebiete „Europas“ Meere. Auf dem Bild oben ist die Elbzone zu dieser Zeit rekonstruiert worden. Im Hintergrund die Steilküste der Westsudetischen Insel (Lausitzer Gebirge, Riesengebirge), im Vordergrund rechts die Klippengebiete des „Plauenschen Grundes“.
Dieses Gebiet wird auch als die „Sächsische Straße“ bezeichnet. Wie man in der folgenden Abbildung erkennen kann, war sie eine Meeresverbindung zwischen dem Meer im Böhmischem Becken im Südosten und dem großen Meer im Norddeutsch-Polnischen Becken. Das Böhmische Becken war verbunden mit der Tethys, einem riesigen Ur-Ozean. Damals gab es das heutige Mittelmeer nicht und auch die heutigen waren noch nicht entstanden.

Durch diese Meerenge zwischen der Westsudetischen Insel und der Mitteleuropäischen Insel (Erzegbirge, Fichtelgebirge, Bayrischer Wald) floss das Meerwasser und es kam zur Ablagung von Erosionsmaterial (Sedimentation). Je nach Lage wurden in diesem Gebiet verschieden grobe oder feine Materialien sedimentiert. Entsprechend der Tansportkraft des Wassers werden feine Tonpartikel weiter getragen und erst später abgelagert. So kommt es, dass es heutzutage in dem Gebiet der sächsischen Schweiz Regionen gibt, in denen das Gestein einen höheren Anteil an feinem Ton habt. Oder es gibt Gesteine, die einen hohen Anteil an grobem Quarz haben. Jenachdem sind die freigelegten Sedimente/Sedimentgesteine dann später unterschiedlich widerständig gegen Abtragung (Erosionsresistenz) und bilden andere Formen heraus.
Es gibt aber nicht nur regional unterschiedliche Sedimentzusammensetzungen. Auch die einzelnen Sedimentschichten übereinander sind oftmals verschieden zusammengesetzt, da entweder mehr oder weniger Material abgelagert wurde, oder das Material verschiedene Herkunft/Zusammensetzung hatte. Doch dazu später.

Am Ende der Kreisezeit vor etwa 65 Millionen Jahren kam es zu höherer plattentektonischer Aktivität und einer allgemeinen Hebung im mitteleuropäischen Raum. Durch die Heraushebung der Alpen kam es einer hohen bruchtektonischen Aktivität im umliegenden Raum, zu vertikalen und horizontalen Bewegungen der Erdkruste. Das Meer zog sich zurück und die feste Oberfläche wurde freigelegt. Auch das Gebiet der heutigen Sächsischen Schweiz wurde tektonisch gestresst, mit Brüchen und Klüften durchzogen. Infolge der Heraushebung des Erzgebirges vor etwa 35 Millionen Jahren wurde auch das Sandstein-Plateau der heutigen Sächsischen Schweiz angehoben. Während dieser Anhebung schnitt sich die Elbe tief in das Plateau ein (antezedentes Durchbruchstal). Die folgende Blockabbildung soll dies grafisch veranschaulichen (hier Blockbild Nummer 2).


Wesentliche Stadien der geomorphologsichen Entwicklung der Sächsischen Schweiz von der Oberkreide bis heute.

Die Eintiefung der Elbe forcierte die Erosion und damit der Zertalung das Sandsteinplateaus. Heute lassen sich mehrere fossile Talböden der Elbe rekonstruieren, also mehrere Stadien der Eintiefung. Die Elbe tiefte sich etwa 400 Meter ein und sorgte als lokale Erosionsbasis damit für stetig große Höhenunterschiede und damit eine große Erosionskraft des fließenden Wasser (fluviatile Erosion). Diese Eintiefung fand erst mit dem Ausgang der letzten Eiszeit sein Ende.

Fluviatile Erosion über das Flussnetz hat die Eigenschaft, dass sie „rückschreitend“ wirkt: Mit der tiefen Elbe als Erosionsbasis schneiden sich auch die Nebenflüsse schnell tief in das Sandsteinplataeu ein. Und auch die Nebenflüsschen der Nebenflüsse. Die Sandsteinplatte wird zergliedert und zertalt, oftmals entlang älterer Klüfte oder Gesteinswechseln. Diese Erosion setzt sich bis zum heutigen Stadium fort. Es werden Felsenmassive, Tafelfelsen oder gar die spektakulären Einzelfelsen herausmodelliert.


Geologischer Schnitt durch das Felsenrevier des Schrammsteingebietes.

Mit der Freilegung des Sandsteinplateaus und dem Einschneiden der Elbe haben also geomorphologische Prozesse wie Verwitterung und Erosion eingesetzt und das heutige Bild der Sächsischen Schweiz geschaffen. Im geomorphologischen Sinne ist das Elbstandsteingebirge eine Schichtstufenlandschaft. In der Abbildung oben kann man die einzlenen horizontalen Sandsteinschichten unterscheiden. Diesen Schichten sind Inselberge (Reste der oberen, schon angetragenen Schichten; Königsstein) oder kegelförmige Kuppen aus Basaltgestein (älterer tertiärer Basaltvulkanismus; Großer Winterberg) aufgesetzt. Die Verwitterung dieser Landschaft und das Herausbilden des sehr verschiedenen Landschaftsbildes ist von grob drei Punkten abhängig:
– des tekonischen Untergrunds,
– der Gesteinszusammensetzung und der unterschiedlichen Widerstänidgkeit der Gesteine gegen Verwitterung und Erosion, und
– dem Klima.

Die Verwitterung des Gesteins lässt sich in chemische und physikalische Verwitterung unterscheiden. Bei der chemischen Verwitterung wird das Gestein in seiner mineralischen Zusammensetzung angegriffen, Elemente im Gestein werden herausgelöst und das Gestein zersetzt. Anderseits können neue Verbindungen festere Struktren entstehen lassen. So kommt es z.B. zu dem auffälligen Wabenstrukturen auf dem nacktem Fels. Physikalisch wirkt die Verwitterung zum Beispiel durch Tempraturwechsel, durch Frostsprengung aufgrund gefrierendem Wassers in Klüften und Spalten, sowie durch Wind und Wasser. So bilden einzelne Schichten des Sedimentgesteins mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Erosionsresistenz charakterischtische Formen heraus. Auf der vorhergegangenen Abbildung, dem geologischen Schnitt, sind die geomorphologischen Charakteristika („Ausbildung“) der einzelnen Sandsteinschichten dargelegt.

In der folgenden Abbildung sind typische Verwitterungsformen im Elbstandsteingebirge zusammengefasst.

Die nächsten beiden Abbildungen sollen den Erosionsvorgang der Sandsteinplateaus und Felsen verdeutlichen.


Kluftgesteuerte Auflösung eines Sandsteinplateau.


Schicht und Kluftverwitterung.

Wie im letzten Bild zu erkennen ist, ist bei der Herausbildung der typischen Feslenformationen besonders der Umstand größerer oder geringerer Widerständigkeit gegen Erosion entscheidend. Mehr widerständige Schichten stauen das von oben in die Klüfte eindringende Wasser. Wichtig sind also vor allem die vertikalen Klüfte und die horizontalen Gesteinschichten mit höherem Anteil an Ton und feinem Schluff. Man unterscheidet die „Kluftauswitterung“ und die „Schichtauswitterung“, wobei beide Verwitterungsarten unterschiedliche morphologische Ausprägungen haben. Kluftauswitterung führt zur Bildung von Felsentürmen und -wänden, Klufthöhlen und Klammen und Tälern. Die Schichtauswitterung bildet Überhänge, Schichthöhlen, Felsentore und Felsbänder.

Je nach Auslösungsgrad der Schichtstufenlandschaft (aufgrund der Gesteins- und Schichtunterschiede) des Elbsandsteingebirges bzw. der Sächsischen Schweiz ergibt sich ein lokal unterschiedliches Bild in diesem Raum:


Blick aus Richtung Südost auf das Elbsandsteingebirge.

Dank dieser Fülle an Informationen kann man sich nun also erklären, warum es sich gerade im Elbsandsteingebirge so vertrefflich auf Felsnadeln klettern lässt, warum dort so schön unter Felsüberhängen boofen kann oder verbotenerweise über Felsbrücken laufen.
Und beim nächsten Boofen wird dieser Stoff hier von mir persönlich vor Ort abgefragt. Zur weiteren Vertiefung sei die Quellenangabe empfohlen, der ich alleinig alle obigen Informationen und Abbildungen entnommen habe.

rob

Quelle: Hübner, F et al. (2006): Potentialanalyse für eine Aufnahme von Teilen der Sächsisch-Böhmischen Schweiz als Weltnaturerbegebiet der UNESCO; Teil Geologie/Geomorphologie – Abschlussbericht. Freiberg / Sachsen.

12 Kommentare

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  • Sehr interessant, Rob!
    Heißt das etwa, wir haben in einer Schichtfugenhöle genächtigt? Ist ja nicht sehr vertrauenerweckend. Aber die Steine scheinen von der Schwerkraft zum Glück nicht besonders viel zu halten.

  • mensch rob, warum sachst du nich bescheid, wenn ihr boofen kommt? da wär ich bestimmt mitgekommen und hätte mich als ortskundiger tourenklaus angeboten.
    wo ward ihr denn genau?

  • Bester Rob, ich kann nicht alle Deiner Ausführungen glauben! Wenn da wirklich Meer war, wo waren dann die Sachsen? Und wenn mehr Meer war, wo ist das dann heute hin? Über den Rand der Scheibe geflossen? Unwahrscheinlich! Was heute so alles gelehrt wird….

    Twobeers

  • Die Sachsen gab’s damals schon.Allerdings im Untergrund.Nachdem Sie hinter Meissen das Durchbruchstal erfunden hatten,verschwand in diese Richtung auch das Meer .In den Postelwitzer Steinbrüchen ham’se dann der Erosion nachgeholfen und Felstürme umgekippt um die Frauenkirche zu installieren.Dem Treiben wurde so Anfang 1900 Einhalt geboten.Wo ’se die Steine für die Jetzige herhaben ,weiß ich nicht.
    Die Statisch unbestimmteste Boofe ,die ich kenne ist die Lichterhöhle.Ein gutes Gefühl will da nicht aufkommen.
    Rob,->Klasse Erklärung,->werd ich mir ausschneiden und zur nächsten Wanderung /Radtour zum Beeindrucken der Zeitgenossen zur Vorführung bringen.So kompakt hab ich das noch nie gelesen.
    Zur Entstehungsgeschichte kann man noch sagen,->Alle Formationen erosiven Ursprunges werden in dieser Gegend Steine/Felsen(Falkenstein…) genannt und Alle Formationen vulkanischen Ursprunges, Berge Winterberg,Kaltenberg,Tannenberg,Rosenberg…).Die Ausnahme macht hier der Deciner Schneeberg ,…das ist nun wieder eigentlich ein Stein.
    Aber er besitzt hinter dem Turm(roter wanderweg) einen der hervoragensten Abfahrten die ich so kenne.Vielleicht hatt ‚er sich deswegen Berg genannt. Aber das ist ja wieder ’ne andere Geschichte.
    Grützii
    ULF

  • Wenn die öffentlich-rechtlichen Verdummungsanstalten ihren Bildungsauftrag nicht mehr Ernst nehmen, so muss jemand in die Bresche springen. Dr. Robert Feldspat füllt hier die Lücke mit Bravour! Was jetzt noch fehlt, ist nur noch eine kleine Geomorphologie des „Planeten aus Härte und Disziplin“ 😉

    Danke, Robsen! Alle Fragen, die ich mir je in der sächsischen Schweiz stellte, sind dank dieses hervorragenden Beitrags erschöpfend beantwortet.

  • Die neueste Veröffentlichung meines geschätzten Kollegen Prof. Glimmer, ich hoffe Ihre Studierenden haben den Stoff bis zur nächsten Exkursion verinnerlicht und sind in der Lage ihn zu rekapitulieren.

    @zweipils: Die Sachsen waren da, wo sie schon immer waren – im Tal der Ahnungslosen. Außerdem bezweifele ich eine Existenz von Humanlebewesen in der besprochenen Region für Zeiträume >15.000 bp.
    Falls Sie näheres zu wissen wünschen, so empfehle ich Ihnen die bevölkerungsgeographische Vorlesung des Kollegen Prof. Dr. Dr. Menschenfreund, seines Zeichens Bevölerungsgeograph, Soziologe und Anthroposoph zum Thema: Generierung und Degenerierung eines Volksstammes am Exempel der „Sachsen“.

  • Das wohl anmassenste überhaupt: „Teildisziplin der Geographie – die Geologie“ 😀 dazu kann ich nur folgenden Artikel empfehlen:

    www.zeit.de/1993/20/geheimnisvoller-geograph

    und nach allem was ich in meinem Geologie Studium bisher so von Geographen mitbekommen habe, beschäftigen die sich tatsächlich lieber mit der Frage des seins oder nicht seins von irgendwelchen Sozial- und Containerräumen, als mit harten Fakten wie Steinen, wozu zwangsläufig Physik, Chemie und Mathematik gehören … wobei letzeres schon in der Einführungsveranstaltung zur Statistik bei Geographen scheitert …

    ansonsten aber eine wunderbare Zusammenfassung und ein Beleg: nicht jeder Geograph ist ein Depp 😉

    • Leider ist der Link zu deiner Quelle nicht mehr vorhanden, allerdings denke ich, dass in der Grafik „Stadien der Geomorphologie“ ein kleiner Fehler vorliegt. Während des Vorrückens des Einspanzers wurde (aufgrund der Reliefinversen Vorrückrichtung) eine Menge Wasser angestaut – Eisstausee bis Prag (wunderbar über Bändertone nachweisbar) – dieser fehlt hier … denn wo soll das schmelzende Wasser aus dem Zährgebiet des Gletschers denn hin ?

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