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Kampf gegen die Naturgewalten

Es war sieben Uhr am Sonntag Morgen. Die Nacht wollte dem Tag nicht so recht weichen. Auf dem Fenster trommelte der Regen und dicke graue Wolkenpakete zogen stetig aus Süd-Südwest vorüber. Die Konsultation des Wetterradars ergab, dass dieser Zustand sich für die nächsten Stunden auch nicht ändern sollte.

Doch Eisenschweine haben sich noch nie ums Wetter geschert und so sollte die Fahrt wie geplant stattfinden. Eine Schrippe zum Frühstück war genug. Der Rucksack wurde mit vier Packungen Aldi Riegeln sowie drei Litern Wasser gefüllt und das Sitzpolster bekam eine dicke Schicht von Eules Spezialschmiere. Mein treuer Begleiter für diese , ein gewisser Ernesto, der eigentlich in wärmeren Gefilden zu Hause ist, war bereits am Vortag gründlich vorbereitet worden, so dass er nur noch aus dem Schuppen geholt werden musste – das war um halb neun und von nun an war ich nass.

Es konnte also losgehen. Ach so, das Ziel hatte ich ja noch gar nicht genannt. Nach Gera im thüringischen sollte es gehen, wo ich unter der Woche hause. Da in Gera dieses Jahr auch die Buga gastiert, hatten meine Mutter und Tante beschlossen den Besuch dieser Gartenveranstaltung mit einer kurzen Visite in meiner Wohnung zu verbinden, so dass ich ohne schweres Gepäck reisen konnte.

So, nun aber aufs Rad! Die ersten Kilometer liefen richtig gut. In Michendorf ging es auf die B2, die eigentlich direkt zielführend sein sollte. Der dampfende Seddiner See wurde passiert und Beelitz ins Visier genommen. Am Ortsausgang stehen dort seit Jahren zwei alte Migs vor einem Einkaufszentrum, die mich eine Weile über den Begriff Flugrost sinnieren ließen.
Das ständige Plätschern des Regens und der unaufhörliche Strahl den das Vorderrad Richtung Unterrohr schleuderte, lösten recht bald einen Reflex aus, der mich zu einem ersten kurzen Halt zwang. Danach hatte ich das Gefühl es würde nicht mehr ganz so gut rollen und überlegte, ob es am Wind lag, oder ob die kurzen Hose doch etwas zu gewagt war. Ein leichtes Gefälle hinter Dietersdorf zauberte für einige Zeit eine 4 zu vorderst auf den Tacho, was vorerst alle Zweifel wegspülte. Doch auf jede Abfahrt folgt auch wieder ein Anstieg und der ließ nicht lang auf sich warten. Hier wurden die Beine langsam wieder hart. Auf endlosen schnurgeraden Kilometern durch Kiefernwälder über die sanften Ausläufer des Flämings passierte ich die Grenze nach Sachsen Anhalt und bald darauf kam das Ortseingangsschild der Lutherstadt Wittenberg in Sicht. Hier galt es die Fahrradzufahrt zur Elbbrücke zu finden, die sich schließlich hinter einer Unterführung mit Sackgassenschild auftat.

Ab der Elbe wich der Dauerregen langsam einzelnen Schauern, doch immer wenn ich gerade etwas abtrocknete ging es auch schon wieder los. Außerdem nahm jetzt der Wind immer weiter zu und der kam ja wie schon gesagt aus Süd-Südwest, also genau von vorne. Richtung Leipzig stellten sich dann noch viele Anstiege in den Weg, die mein Tempo teilweise beängstigend in Richtung 20 km/h sinken ließen. Bergab wurden die Beine dann wieder kalt um im nächsten Anstieg erneut gefordert zu werden. Ab und zu verschwendete ich einen Gedanken daran mich in Leipzig in den Zug zu setzen, doch dann passierte das unerwartete und die Sonne schickte einige wärmende Strahlen durch die Wolkendecke. Ich zog mein langes Trikot aus und schon ging es mit neuen Kräften weiter.

Kaum hatte ich Leipzig erreicht, da bekam die B2 plötzlich Leitplanken, dann gesellten sich zu den zwei Spuren zwei weitere und schließlich kamen auch noch Auf- und Abfahrten dazu. Irgendwie fühlte ich mich hier etwas deplatziert und verließ die B2 in der Nähe des Hauptbahnhofs. Allerdings driftete ich dadurch etwas zu weit nach Osten ab und musste feststellen, dass ich auf dem besten Weg in Richtung Grimma war. Also holte ich mir bei einem Einheimischen Rat führ mein weiteres Vorankommen. Über Ölzschau und Pötzschau gelangte ich nach Espenhain und von Dort neben der 95 nach Rötha und Böhlen. Hier konnte ich die Dampfsäule des Braunkohlekraftwerks Lippendorf in den mittlerweile wieder wolkigen Himmel ragen sehen. Diese hatte ich auch schon oft auf Höhe Pegau aus dem Zug beobachten können. Dorthin wollte ich mich durchschlagen. Dabei kam ich auch durch Lippendorf und bis auf etwa 100m an die Kühltürme heran – sehr faszinierend, was sich daraus für ein Wasserfall ergießt.

Jetzt fing es noch mal richtig zu schütten an, so dass die Straße von einer dichten Wasserschicht überzogen war und so langsam begannen die Knie zu schmerzen. In steter Unterlenkerhaltung kämpfte ich mich gegen den Wind nach Pegau durch und war wieder auf Kurs. Ein Maiskolben und ein paar Birnen vom Wegesrand stellten eine angenehme Abwechslung zu den Riegeln dar. Trotzdem lief es einfach nicht mehr richtig, so dass ich froh war, wenn ich das Tempo über 25 halten konnte.
Kurz vor Zeitz verpasste ich dann scheinbar einen Abzweig und fand mich auf einer Umgehungsstraße wieder, die ein einziger, scheinbar endloser Anstieg auf freiem Feld war. Stetig blies der Wind kräftig von vorne und schließlich war es so weit, dass auf dem Tacho eine 1 an erster Stelle erschien. Nachdem auch diese Straße vierspurig wurde, beschloss ich über die Leitplanke zu klettern und mich auf Feldwegen nach Zeitz durchzuschlagen. Hier versorgete ich mich für die letzten Kilometer mit einer Flasche Cola und bald zeigten die Verkehrsschilder nur noch einstellige Kilometerangaben für Gera.

Nach einigen weiteren fiesen Anstiegen fand ich mich schließlich direkt über Gera wieder und konnte mit knapp 70km/h den Langenberg hinunter in die Stadt rollen. Hier wurde ich bereits von den Bugabesuchern erwartet. Das war nach etwa 8-1/2 Stunden und 230 Kilometern.
Das Trikot war inzwischen trocken, aber Sitzpolster und Schuhe tropften noch immer. Also ging es schnell unter die Dusche, in frische Sachen und dann ein leckers Rumpsteak essen.

Am Montag Morgen brauchte ich wegen der Knieschmerzen etwa 10 Minuten länger zur Arbeit (100hm hoch auf dem ersten Kilometer) und auch fünf Tage später ist das linke Knie noch nicht wieder fit. Ich hoffe das wird noch, damit es bald neue Abendteuer geben kann.

7 Kommentare

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  • Von deinem Vorhaben hatte man ja schon an anderer Stelle vernommen. Durch diese ESK-Bedingungen ist die Strecke eine noch höher zu wertende Leistung.
    Danke für deine Zeilen.

  • nicht wenige hätten sich an solch einem morgen mit dem auto zum potsdamer hauptbahnhof fahren lassen – aber j-ccop zieht die sache durch. und das ohne fremdblut und pharmazeutika – nur das rad, die straße und der eiserne wille. tolle geschichte!

    rb

  • j-coop wenn irgendwanneimal ein hoher millitäroffizier zu dir nach hause kommt um dich für nen einsatz nach sagenwirmal… vietnam oder afganistan zu rekrutieren. Sag ab…. es würde dich nur langweilen.

    du harte sau

  • Alter Schwede! Das klingt nach schierem, unverdorbenen Radsport! Harte Nummer, Jcoop! Aber eines sei dabei doch bemerkt – fast nichts schleift den Willen erbarmungsloser, als Gegenwind! Ein Berg – pah! Der geht irgendwann wieder hinunter, aber Gegenwind! Das ist ein Gegner für den zu sterben noch lohnt! Klasse und danke und hoffentlich bis bald… menis

  • hübsche leistung. den letzten teil kann ich mir bildlich vorstellen, sind wir doch früher immer via B2 am kohlekraftwerk vorbei zu großmuttern nach böhlen gefahren. die strecke ist ja geradezu prädestiniert um bei regen + gegenwind richtig schön abzukacken. aber im gegensatz zu früher regnet es wenigsten keine kohleflöckchen mehr…

    BF

  • Das weckt in mir Erinnerungen an vergangene Tage, als ich bei strömenden Regen und gefühlten Minusgraden bei Windstärke 6-7 aus südost zu meiner Omma in der Nähe von Köthen gefahren bin. Mangels Regenjacke war ich schon kurz hinter Belitz nahe der Lungenentzündung. Nach eisigen 25 Minuten warten auf die Fährüberfahrt über die Elbe bei Aken, konnte ich die Lenkeinheit des Rades nicht mehr sicher bedienen und musste mich die letzten Kilometer vom Shuttle transportieren lassen…

    OnkelW

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