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Pfingstmontag in der Braunkohle – NSC 2007

Vor dem Fenster wabert eine dicke weisse Suppe. Regentropfen klatschen gegen die Scheiben.
Pfingstmontag, 0600Uhr. Verspricht ja ein richtig schoener Tag zu werden. Ich quaele mich aus dem Bett.
0730Uhr, noch immer dicke Suppe und Regentropfen. Mittlerweile aber Autoscheiben und A38 Richtung Sueden.
Zwenkau heisst der Ort des Strebens und hier findet im Herzen der ehemaligen Braunkohletagebaue, wie schon die Jahre zuvor am Pfingstmontag ein kleines Radrennen statt, mit dem schoenen Namen Neuseenclassics.
Ein flacher Kurs, viel Wind und diesmal auch noch Regen. Warum?
Ich erreiche mein Ziel, hole die Startunterlagen ab und finde bei Lila-Logistics sogar ein sauberes WC.
Allerdings bin ich jetzt auch schon das erste mal durchnaesst.
So richtig Lust zum Radfahren macht das nicht. Die neben mir parkenden Sportfreunde haben komplett die Lust verloren und treten ihre vorzeitige Heimreise an.
Ich bastel den Transponder ans Rad und ziehe mich um. Auch das ESK-Trikot ist schnell durchnaesst***.
Warmfahren? Nennen wir es lieber aklimatisieren, also anpassen und die Feuchtigkeit der Klamotten auf Koerpertemperatur bringen. Dann wird es auch schon Zeit sich Richtung Startaufstellung zu begeben.
Doch von Startaufstellung kann hier wohl keine Rede sein. Zu meinem Ensetzen muss ich feststellen, dass noch vor dem ersten Startblock ca. 2473 Fahrer stehen, die wohl nicht erkannt haben, wo sie sich einsortieren sollten. Blauer Punkt zum blauen Luftballon, gruener Punkt zum gruenen Luftballon und Frosch zum roten Luftballon.
Bei dem Wetter macht aber auch keiner von den Offiziellen Anstalten, da noch irgendwas richten zu wollen. Zur Naesse gesellt sich Frust. Ich seh schon wieder Spitzengruppen am Horizont verschwinden und den Frosch mit UHF-Puls hinterherhetzen. Ich schiebe mich so weit es geht nach vorn. Toll, das Rennen startet und nach einer ewig langen Minute erreiche auch ich die Startlinie. nsc2007-006.jpg
Das Feld rasst auf der Autobahn aus Zwenkau hinaus. Verfolgungsjagd ist angesagt. Die Regentropfen prasseln immer noch auf den Asphalt. Und die Pneus wirbeln das Wasser wieder gen Himmel. Das Sichtfeld wird eng, die Brille beschlaegt – Waschkueche. Und dann geschieht Seltsames. Bewegung kommt in die verschwommenen Strukturen. Ehemals vertikale Schemen streben ploetzlich einer horizontalen Ausrichtung zu. Woher kommt dieser ploetzliche Drang zur Neuordnung? Neeeeiiinn, es handelt sich um das Unvermeidliche bei solchen Ausgangsbedingungen und dieser chaotischen Startaufstellung. Die Geschwindigkeitsunterschiede fuehren zwangslaeufig zu Konflikten. Nach 5 km Massensturz auf schnurgerader Strecke bei ca. 50 Stuckies. Es sieht aus, als haette das gesamte Feld vor mir beschlossen, ihr Feldlager mitten auf der Strecke aufzuschlagen. Wenigsten 100 Mann verknaeulen sich hier aussichtsreich ineinander. Mit schliddernden Reifen finde ich knapp neben der Mittelleitplanke ein Schlupfloch.
Die Spitze scheint noch weiter entschwunden zu sein. In dem lichter werdenden Haufen der Anschlusssuchenden erkenne ich einen Bekannten, gebe Zeichen und im weiteren Verlauf koennen wir uns doch ein/-zweimal gegenseitig helfen. Kilometer 7 ist erreicht und offensichtlich hatten einige Geschmack gefunden an MM-Tarballs*. Wieder Massensturz bei Highspeed. Und wieder ist mir das Glueck hold.
Eigentlich bin ich schon bedient bis zum Anschlag. Die Tete noch immer wenigsten hinter der naechsten Kuppe enteilt, setzen wir die Verfolgung fort. Schnupfen permanent versprengte Grueppchen auf und irgenwann nach vielleicht 20…25km haben wir tatsaechlich das schier unmoegliche geschafft. Der Ausguck meldet: Anschluss hergestellt!
Ja, jetzt rollt es auch gleich viel gemuetlicher und leichter. Zwischen UGS, AGAPEDIA, Picardellics, blue essentials usw. kann man endlich mal die Beine hochnehmen. Und der Regen hat auch nachgelassen. Jetzt kann man sich auch mal umsehen. Mein Sportfreund Andre faehrt schon von Beginn an hier vorn rum und auch Dr. M., welcher noch in Goettingen sein F10 zerlegt hatte, ist hier zu finden**. Fortan geht es etwas gesitteter zu. Lediglich an zwei kleinen Huegelchen wird reingedrueckt. Ich muss mich ranhalten, denn angstgemaess halte ich mich im amorphen Schweif des Feldes auf und da laeuft man immer mal Gefahr, den Anschluss zu verpassen. Nach Haubitz muss ich wirklich nochmal richtig auf die Sattelspitze rutschen und mir ganz boese, dicke Beine fahren, bis ich wieder am Feld bin. Doch das war dann auch schon fast alles an aufregendem.
So langsam geht es bei abtrocknender Strasse nun wieder Richtung Ziel und im Feld breitet sich die uebliche Nervositaet aus. ca. 100 Mann sind hier vorn noch mit von der Partie. Und scheinbar alle sind von ihren Sprinterqualitaeten ueberzeugt. Es wird wieder hektisch. Fusswege werden wieder zunehmend wieder zum Positionskampf genutzt. Und im letzten Dorf vor Zwenkau ist es wieder soweit. Irgendwas passte nicht. Und wieder toent diese wilde Kakophonie, hervorgebracht von Aluinstrumenten und dem Gesang der Reiter an mein Ohr. Es war leider noch immer nicht das letzte Mal. Im unmittelbaren Zielspurt muessen nochmals einige Fahrer die Waffen strecken (oder halt auch sich selber). Ich befinde mich relativ sicher auf dem Feldherrenhuegel Zielankunft am Ende des Geschehens und kann so allem Ungemach aus dem Wege gehen.
Das bringt am Ende zwar nur einen 82. Platz in der Gesamtwertung (Platz 16 Ak MSMII) ein, aber dafuer darf ich meine Haut in einem Stueck vom Schlachtfeld tragen.

Zieleinlauf mit dem Spitzenfeld ca. 20sek nach dem Sieger. Mehr waere wirklich ungesund geworden.

Ciao
Der Frosch – verspricht Besserung
C.

*Mensch/Maschine
**auf schoenen 808, hoffentlich bleiben die heil.
***vom Regen, bevor es Fragen gibt. 😉

9 Kommentare

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  • Was nicht tötet härtet ab. Aber du bist doch schon einer der absolut härtesten, wo soll das bloß noch enden?

    Ich gebe zu, ich würde schon am frühen aufstehen scheitern. Spätestens der Blick aus dem Fenster hätte mich dann dazu animiert, weiter am Kissen zu horchen.

    Wir warten auf den Sieg! Es kann nur eine Frage der Zeit sein…

  • Man chubi du bist echt verrückt. Und das alles unter diesen widrigen Bedingungen schon vorm Start und dann erst während des Rennens.
    Weiter so!!!

    frenk

  • Chubi – ich verneige mich in tiefer Ehrfurcht! Du bist wahrlich eine harte Socke! Allein die Menge an Stürzen hätte mir die Stimmung versalzen – von dem Wetter möchte ich garnicht sprechen. Wirklich tief beeindruckt ob deiner Eisenschweinischen Härte bin ich stolz, dass du unser Trikot trägst. Weiter so und vielen Dank für den schönen Bericht… menis

  • Wenn dir bei so einem Rennen das Trikot zerfetzt wäre, ich hätte dir sofort eins von meinen überlassen, wenn du dürres Hemde in eine L passen würdest.
    Ich weiß schon warum ich seit ich ein F10 habe nicht mehr im Renngetümmel dabei sein möchte….

  • Zitat“Kilometer 7 ist erreicht und offensichtlich hatten einige Geschmack gefunden an MM-Tarballs*. Wieder Massensturz bei Highspeed. Und wieder ist mir das Glueck hold.“

    Es war Kegeln, mehr nicht!
    Alles fliegt auf die Fresse aber Icke bremse rechtzeitig vor dem ersten liegendem Rad ab. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ick „Glück jehabt“ dann rechts und links ein kurzer Hieb und ick fliege 3 Meter von meinem Rad herundet und weg, kaum gelandet schießt der nächste in mich rein. Nachdem dann alle lagen und es nicht mehr Schepperte stand ich mit Hilfe meines rechten Ärmchans wieder auf und suchte mein Rad, welches ich ca 4 Meter hinter mir auf der Straße wiederfand. Nach einem kurzen Check wollte ich meinen Platten Vorderreifen wechseln, doch als ich feststellte das der Mantel einen 1-2 Cm langen Schnitt hatte verwarf ich dieses Vorhaben. Zu meinem Glück saß dann an der Leitplanke eine Bekannte die sich eben in Ihrem ersten Radrennen das Kugeleckgelenk gesprengt hatte und dabei gleich alle Bänder zerissen, sie tat mir wirklich leid doch habe ich sie dann gefragt ob ich Ihr vorderrad haben kann.
    Also da sie sehr nett ist und sich zum Glück auch nicht gefragt hat was Ihre Ksyriums unter einen 109 Kg zarten Fahrer zu leiden haben, konnte ich die Restlichen 100 Kilometer noch weiterradeln. Also zog ich los und fuhr von hinten durch die Abgehängten, von denen einige meinem Windschatten nicht wiederstehen konnten bis wir mit einer ca 50 Fahrergruppe zum Ziel kamen. Da ich sowieso kein Sprinter bin und jetzt nicht mal mehr Ansatzweise am Lenker ziehen konnte gab ich einfach 5Km vor Schluß alles fuhr ca 300 m Vorsprung heraus und hielt davon noch 100 m bis ins Ziel. Wie nicht anders zu erwarten waren die nach mir einfahrenden Fahrer diejenigen die ich vorn in meine Gruppe nie gesehen habe. Dafür habe ich seit einer Woche Arbeitsfrei und kann am mich Donnerstag in eine enge Röhre zwängen!

  • Ach Chubi und Icke, Ihr armen Gestalten,
    solche Veranstaltungen taugen doch höchstens noch als Strafe. Ich für meinen Teil habe mich letztes Jahr endgültig von flachkursigen Kräftemessen distanziert, und beim Lesen dieser Heldenberichte wurde ich mir auch wieder sicher, daß dies eine gute Entscheidung war.
    Dennoch ganz großen Respekt, Chubi, die Spitze des Rennens wieder aufzufahren. Hier benötigt der Aktive einen gehörigen Schluck Saft in den Beinen, den ich auch gern hätte.
    Paßt nur auf Eure Köpfe auf…

  • Hallo nochmal,

    danke fuer Euer Mitgefuehl, aber ich glaube, das hat Icke mehr verdient.
    @Icke: Alles wieder hergestellt?
    @Michi: Glatt laufen ist eine schoene Umschreibung fuer das Geschehen. 😉

    Ciao
    Der Frosch – hat sich in einem Rausch (HWH) gleich fuer Wiesbaden angemeldet.
    C.

  • Arbeiten muß ick wieder, da ick fürs übernächste WE noch Stunden für einen Gleittag brauche, nur den Arm kann ich noch nicht so gut heben.

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