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Ende gut, alle gut. Oder: ESK im Fläming (mit Hindernissen)

Kann man im südlichen mit dem Geländerad fahren ohne vor Langeweile umzukommen?
Kaum jemand hatte es zuvor gewagt, dies herauszufinden. Stand doch – im Falle der negativen Beantwortung – der Tod des Forschers auf dem Spiel. Dessen ungeachtet, wollte es das wissen und so machten sich am gestrigen Tage 3 Kämpfer in Richtung Süden auf den Weg.


Vorerst trafen jedoch nur 66,66% davon im Einsatzgebiet ein, die restlichen 33,33% wurden durch eine unglückliche Verquickung von höherer Gewalt und menschlichem Versagen am pünktlichen Erscheinen gehindert. Dieses Drittel war ich. Ausgerechnet auch noch der, der die Führung übernehmen wollte.

Was war geschehen?
Aufgrund eines Unfalls auf der Berliner Stadtbahn, wurde der RE mit welchem ich fahren wollte, zwischen Charlottenburg und Friedrichstraße unterbrochen. Soweit, so gut. Kann passieren. Aber wie die zuständigen Fahrdienstleiter auf die Idee kommen können, den Zug ab Charlottenburg planmäßig losfahren zu lassen, obwohl doch klar sein müsste, dass die werten Fahrgäste durch die Benutzung der S-Bahn mehr Zeit benötigen würden, um den Zug zu erreichen (es handelte sich hier um ca. 10 Minuten, welche aufzuholen auf den verbleibenden 120 Kilometern bis Dessau sicher möglich sein sollte, zumal in Belzig ein planmäßiger 8 Minuten Systemhalt zur Verfügung steht), dass erschloss sich mir nicht. So stand ich dann da in Charlottenburg und hatte ein Stunde Zeit darüber nachzudenken, welchen Schaukasten ich eintreten, oder welchem Bediensteten ich die Fresse polieren soll. In weiser Voraussicht, hat die DB dort aber keinen Mitarbeiter postiert und zum Schaukasten eintreten bin ich zu alt, so dass es bei den theoretischen Überlegungen blieb.
Was mich bei solchen Aktionen immer wieder stört, ist die Tatsache, dass es keinem der Verantwortlichen einfällt, die armen Fahrgäste aufzuklären. Die eingangs erwähnten Sachverhalte erfuhr ich auf Nachfrage von der Schaffnerin im Folgezug, an welcher die verärgerte Kundschaft nun ihren Frust ausließ.

In Brück, wo planmäßig die starten sollte, war keiner mehr zu sehen und so entschloss ich mich, weiter bis Belzig zu fahren. Auch hier keine Menschenseele im ESK-Ornat, also alleine los. Während ich so auf meinem Rad saß und den (so heißt diese Landschaft) durchfuhr, kamen mir immer wieder meine armen Kameraden in den Sinn. Waren sie gestartet? Wussten sie wo es lang ging? Würden sie sich, auch ohne meine langatmigen Erläuterungen, zu Tode langweilen? Fragen über Fragen… Auch dachte ich darüber nach, warum nur zwei Leutchen auf meine Einladung reagiert hatten. Ich mutmaßte, dass es ein falsch verstandener Satz in meinem Aufruf gewesen sein musste. Ich schrieb, dass ich auf überflüssiges Kuchengeesse verzichten . Das muss wohl so geklungen haben, als wolle ich auf jegliches Kuchengeesse verzichten. Textverständnis ist ja eine Sache für sich, wie die Pisa-Studie unlängst offenlegte. Der Sachverhalt „Kuchengeesse“ wurde durch das Adverb „überflüssig“näher bestimmt. Es sollte also nicht auf Kuchen essen an sich verzichtet werden, sondern nur auf das darüber hinausgehende, also überflüssige.

Durch die verspätete Abfahrt war ich ein wenig in Zeitnot geraten, wollte ich doch 18.00 wieder zu hause sein. Das hieß, ich musste den Zug 16:53 ab Belzig nehmen. Wer den Fläming kennt, weiß, dass dieser zum überwiegenden Teil aus losem Sand besteht, welcher sich in lang gezogenen, größtenteils mit Wald bestanden geneigten Ebenen manifestiert hat. Durch den gestrigen Regen war dieser Sand in eine Art Zwischenzustand zwischen lose und flüssig geraten, was das Fahren darauf nicht unbedingt erleichterte.


Forst“autobahn“ bei Medewitzer Hütten

Also mussten Pausen tatsächlich ausfallen und die avisierten 100km so schnell wie möglich zurück gelegt werden. Hin und wieder traf ich auf Reifenspuren, welche zweifelsfrei Geländerädern zugeordnet werden konnten. Waren das meine Kameraden, welche mit einer Stunde Vorsprung, langsam verhungernd durch die Heide zogen? Wie konnten sie sich orientieren, wo ich doch vermeintlich die einzige Karte hatte? Wussten noch andere Fahrradenthusiasten von den verborgenen Schönheiten dieser dünn besiedelten Landschaft? Fragen über Fragen, das typische Schicksal der Alleinfahrer. So ähnlich muss es R. Messner gegangen sein, als er anno 1978 im Alleingang den Kilimandscharo bezwang.
Kurz vor Belzig stellte ich nach einem mir unendlich vorkommenden Anstieg fest, dass ich mich, entgegen meinen Berechnungen nach Süden bewegte, obwohl ich nach Norden musste. Also doch noch die Karte rausgenestelt und eine deutliche Kurskorrektur vorgenommen. Nach ca. einem Kilometer ein Schild „Belzig 6km“. Es war 16:33. Exakt 20 Minuten blieben mir bis zur Abfahrt des Zuges. Auf der Straße sicher keine Problem. Anders hier im Sand. Dennoch wurde die große Keule rausgeholt und ab ging die Fahrt. Die Zeit verrann, die Kilometer irgendwie nicht. Dann, zwei Kilometer vor dem Bahnhof die Straße. Noch mal alles geben. 16:51 der Bahnhof. Geschafft, noch zwei Minuten bis zur Abfahrt. Entspannt laufe ich den bereitstehenden Zug entlang, als plötzlich zwei angetrunkene Gestalten von innen an die Fenster pochen. Beim zweiten Blick durch die spiegelnden Fenster erkenne ich meine verloren gegangenen Kameraden. Sie hatten es tatsächlich geschafft. So ist es eben das ESK! Auch auf sich allein gestellt, tief im gegnerischen Hinterland, wird das Ziel der Mission nicht aus den Augen gelassen. Der Auftrag wird erfüllt, als gäbe es kein Morgen. Wie ein unverzüglich durchgeführter Abgleich der gefahrenen Strecken ergab, waren es tatsächlich die Spuren der zweiköpfigen Einsatzgruppe, welche ich hin und wieder zu Gesicht bekommen habe. Und so wurde doch noch alles gut an diesem herbstlichen Sonntag.

Fazit:
Der Fläming, dieser erst im Ergebnis des 1815 stattgefundenen Wiener Kongresses an Preußen und damit Brandenburg gekommene Landstrich, bringt einen sicher nicht vor Langeweile um. Die Unversertheit der drei Kämpen, welche gestern unterwegs waren beweist das. Derjenige, welcher nicht davor zurückschreckt, größere Strecken im losen Sand zurückzulegen, dabei auf längeren Strecken von stets gleichaussehendem Wald umgeben, so das man sich mitunter wie der „Fliegende Holländer“ auf dem Rad vorkommt, wird allerdings belohnt. Belohnt mit der Ruhe und Abgeschiedenheit, die der gestresste Großsstädter braucht, wie das Wasser zum Leben und mit den auch hier vorhandenen, gut in der Fläche verteilten Naturkleinoden, welche eine willkommene Abwechslung darstellen.


Stillgelegte Bahnstrecke bei Wiesenburg

Teil zwei
Frenkhenk und schlagen sich alleine durch

Kurz bevor der Zug einfahren sollte, klingelte mein Telefon und ein verstörter Frenkhenk, der bereits in Wannsee eingestiegen war, erzählte mir, dass er im ganzen Zug keinen Jockel finden konnte.
Auch als der Zug kurz darauf in Wilhelmshorst hielt, wo ich zu zu steigen gedachte, blickte er nicht wie geplant aus einer der Türen.
Ein Anruf bei Familie Jockel ergab nur, dass er wie geplant das Haus verlassen hatte um den Süden gegen die Sachsen zu sichern. So begannen wir uns schon Sorgen zu machen, unser Oberst könne auf dem Weg zum Bahnhof dem Moloch der Großstadt zum Opfer geworden sein.
Doch deshalb konnten wir unsere geliebte Heimat nicht den Sachsen überlassen – trauern hätten wir später immer noch können. Jetzt mußte erstmal die Schlacht geschlagen werden.
Aufgrund des Fahrplans, welcher dem Rekrutierungsschreiben beilag, vermuteten wir, dass die Schlacht ab Brück geschlagen werden sollte. Also verließen wir dort die Eisenbahn und guckten noch kurz, ob der Oberst vielleicht bereits mit einem früheren Zug angereist war um die Lage zu sichern – dem war nicht so. Also begannen wir die Karten auszupacken, ohne die man nicht auf eine Jockel-Tour in die Fremde gehen sollte, um den groben Verlauf der Tour festzulegen.
Schnell stand fest, dass wir zuerst nach Belzig fahren wollten, um dort den Oberst in Empfang zu nehmen, falls er einen späteren Zug genommen hätte. Wie bereits zu lesen ist, war dies auch der Fall. Allerdings waren wir nicht rechtzeitig in Belzig.
Kurz hinter Brück müssen wir einen kleinen navigatorischen Fehler gemacht haben, der uns immer weiter nach Norden in die endlosen Belziger Landschaftswiesen führte. An einer Kurskorrektur Richtung Westen hinderte uns stets der gewaltige Strom Plane, welcher dieses Tiefland durchfließt.

Langsam aber sicher zogen wenigstens die grauen Wolken nach Osten ab und wir wurden mit ein paar Sonnenstrahlen belohnt.

Irgendwann kamen wir dann auch an eine Brücke, auf deren anderer Seite der Weg weiterging. Auf einem endlosen Plattenweg flogen wir nach Süden und durchquerten das Großtrappen-Schutzgebiet.

Bald zeichneten sich am Horizont auch die gewaltigen Gipfel des Flämings ab, so dass wir nun sicher sein konnten wieder auf dem rechten Weg zu sein. Die erste Siedlung die wir erreichten war Baitz, dass wie viele Dörfer in dieser Gegend noch unter dem Schleier einer längst vergangenen Zeit zu schlummern scheint.

Über Lüsse und Kuhlowitz hangelten wir uns bis nach Preußnitz durch, wo wir aufgrund der fortgeschrittenen Zeit beschlossen nicht mehr nach Belzig reinzufahren. Hinter Preußnitz taten sich dann die sanften Hügel des Flämings mit ihren teilweise endlos erscheinenden Steigungen vor uns auf. Dazu kam noch, dass der aufgeweichte Zuckersand oftmals ehr an Treibsand erinnerte, als an einen Weg.

Doch wir schlugen uns zwischen Bergholz und Kranepfuhl tapfer nach Süden durch, um uns bei der jungen Bäckerstochter mit ein paar Leberwurst- und Schmalzstullen für den weiteren Verlauf der Reise zu versorgen.
So gestärkt ging es dann vorbei an der Försterei Zehrensdorf nach Osten um auf sächsisches Territorium vorzudringen. Inzwischen war die Sonne öfter am Himmel zu sehen und die Temperaturen stiegen auf über 20°C, was bei der Luftfeuchtigkeit sehr anstrengend war, aber auch für schöne Anblicke in den Buchenwäldern sorgte.

Über endlose Waldwege ging es jetzt langsam wieder nach Norden Richtung Wiesenburg und anschließend vorbei an Schlamau und Schmerwitz auf den Hagelberg.

Nach Belzig ging es dann fast nur noch bergab und so kamen wir um etwa 16:00 am Bahnhof an, wo unser Zug vor etwa fünf Minuten abgefahren war. So blieb uns aber wenigstens noch die Zeit uns in der Bahnhofskneipe das ein oder andere Bierchen zu gönnen und eine Soljanka zu schlürfen.

Als wir gerade im Zug platzgenommen hatten, lief draußen ein leicht verschwitzer Oberst vorbei, der uns dann auch gleich sein Geschichte erzählte. Durch die gekonnte Aufsplittungstaktik konnte wir aber selbst zu dritt dafür sorgen, dass man im Fläming noch lange von uns reden wird.

Am Ende hatten wir etwas über 80km auf dem Tacho und viele neue Eindrücke gesammelt. Mit Jockel wäre die Karte aber sicher weniger häufig zum Einsatz gekommen. Vielleicht klappt es ja beim nächsten mal.

3 Kommentare

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  • Danke für Euren Heldenhaften Einsatz und den obligatorischen Bericht. Unsere Geschichten werden zu einem späteren Zeitpunkt folgen, dies ist gewiß!
    dd

  • Jockel, du stellst dir die falschen Fragen. Richtigerweise hättest du dich fragen müssen, weshalb du noch nicht ein „Flätreid“-Kunde dieser blonden Dame, deren Poster du in deiner Börse trägst, geworden bist… menis

    P.S.: Von der Aktivität der letzten Wochen, nein – Tage bin ich schwer beeindruckt.

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