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ESK kämpft entschlossen in Parchim

Am vergangenen Wochenende sollte es endlich soweit sein: Mein favorisiertes Rennen für dieses Jahr stand endlich auf dem Programm. Ich hatte aus dem letzten Jahr sehr viele schöne Eindrücke mitgenommen, daß ich mich schon das ganze Jahr auf Mecklenburg freute. Eines jedoch vorweg: Wer ein Jedermann-Rennen erwartete, der wurde bereits beim Einzelzeitfahren eines Besseren belehrt. Doch lest selbst, wie es den Kadern erging.

Feindesblut an Chubis Nummer:


Freitag, 1. Etappe Einzelzeitfahren 18 Km:

Am Nachmittag finden sich nach und nach die Kader Darkdesigner, Mischifix, Chubika, RiFli und ich selbst im beschaulichen Parchim ein, um nach erfolgter Anmeldung in Richtung Lübz zu fahren, wo der Start des EZF stattfinden sollte. Meine Liebste begleitet uns ebenfalls auf dem Rennrad. Wir fahren die Strecke in entgegengesetzter Richtung einmal ab. Mein Fazit: ganz schön hügelig! Aber dafür erwartet uns ab dem zweiten Drittel allerfeinster Asphalt (ähnlich Fläming-Skate). Ich soll von uns Eisenschweinen um 1830 als Erster auf die Strecke gehen. Aufgeregt und mit einem gehörigen Überdruck Schisz im Darm harre ich, der Offizielle zählt die letzten 5 s herunter und entläßt mich aus dem Startzelt.

Für die erste Hälfte habe ich mir vorgenommen, nicht zu schnell anzugehen, da die Strecke etwas länger als die anderen Zeitfahren iat. Aber sofort schnellt die digitale Nadel auf 44 sachen, die sich (sicher wegen des Adrenalinschubs) recht flüssig durchtreten lassen. Ein Blick auf den Tacho. 2,3 Km. Waaaaas? So wenig erst? Dann geht es in die erste Welle, und schon sehe ich vorn eine 3. Scheisze, der Schnitt!!! Oben angekommenbrennen die Oberschenkel, daß ich auch einfach anhalten könnte, um in Ruhe einen Apfel zu verspeisen. Wieder auf Tempo kommen, heißt es jetzt. Es geht erst einmal auf relativ unruhigem Belag geradeaus, und endlich eine kleine Abfahrt. Ich lasse etwas Druck nach, kurbele aber weiter. 100…200 m Vorn sehe ich den vor mir gestarteten Fahrer. Er verschwindet jedoch in einer Rechtkurve aus meinem Blick. Aha, dann haben wir also etwa ein Drittel geschafft, denke ich. Ich verlasse zum ersten Mal meinen Lenkeraufsatz und greife auf den Lenker: Schlacker schlinger, meine Arme sind wie Pudding. Dann die Rechtskurve. Und schon kann ich den Typen wieder vor mir sehen. Wieder geht es eine leichte Rampe hoch, und oben habe ich ihn dann. Ich scheine vorbei zu fliegen und stottere nur mit trockenem Hals: „links, komme links“. Er hängt sich für einen kurzen Moment hinten rein, kann ihn jedoch nach ein paar Sekunden nicht mehr hören, schaue mich aber auch nicht mehr um.

Dann eine relativ enge Linkskurve, aahh, leicht anbremsen und wieder voller Antritt im Stehen. Erst als ich wieder eine 44 sehen kann, setze ich mich. ich merke, daß ich einen Stundenkilometer schneller treten kann, wenn ich meinen Kopf nach unten senke, den Blick zwischen die Arme auf den Vorbau richte. Nur ab und zu schaue ich nach vorn, um den Streckenverlauf zu sichten. Oh Got, immer noch 6 Km. Es scheint wie eine halbe Ewigkeit, und ich hechele mit weit aufgerissenem Mund und trockenem verklebtem Hals. Trinken ist nicht möglich, ich könnte das Rad nicht halten, alles tut irre weh. Dann im letzten Ort der längere Anstieg. Wieder sinkt das Trempo auf 36, ich wechsle in einen leichteren Gang, die Beine wollen einfach nicht mehr. Etwa 300 m geht es ansteigend, dann gerade aus und schließlich in einer letzten seichten Abfahrt in Richtung Ziel. Doch selbst hier kann ich nicht mehr schneller als 52 Km/h drücken und bin froh, als ich das rote Tor durchfahre. Ich habe nicht einmal mehr Kraft anzuhalten und muß bis zur nächsten Kreuzung vorrollen, bevor ich mich aus dem Lenker lösen kann. Suse und ein paar Freunde empfangen mich dann im Zielbereich und ich saufe erst einmal eine Pulle Wasser leer. Nach und nach kommen dann auch die anderen Kader in rasanter Fahrt ins Ziel, und immer wieder mutmaßen wir aufgeregt, ob jetzt Eule oder doch Chubi kommen müßte.

Ich darf mir schließlich auf die Schultern klopfen: Bestes Eisenschwein mit 25:50 auf 18 Km und einem persönlichen Bestschnitt von 41,8 Km/h. RiFli meint am Abend zu mir: „Du darfst morgen Kapitän sein“ 🙂

Allerdings werde ich mit diesem Ergebnis „nur“ 43. Der Führende fährt einen unglaublichen Schnitt von 48 auf einer Zeitfahrmaschine, mit Einteiler und Aerohelm. Soetwas kenne ich normalerweise nur von Profirennen. Überhaupt bilden wir mit unseren normalen Rennrädern hier die Minderheit und lassen trotzdem viele mit ihren Spezielrädern, Carbonscheiben und spacigen Helmen hinter uns!

Sonnabend, 2. Etappe 100 Km:

Ich halte das ganze mal etwas kürzer, da auf einer Cyclassics-ähnlichen Flachetappe nicht viel spektakuläres passiert, außer:
Neutralisierter Start im Zentrum Parchims, dann scharfer Start außerhalb der Stadt. Das Tempo ist hoch bis sehr hoch, es gibt sehr viele Ackatten (oder Attacken). Der ESK zeigt sich in Form von verschiedenen Kadern auch sehr häufig vorn. Unser Spezialbetreuerteam unter Führung von OnkelW hatte uns mit auf den Weg gegeben, immer unter den ersten 20 Fahrern zu sein, um Stürtze zu vermeiden und Ausreißergruppen nicht zu verpassen. Doch wer bei Tempo 45 wegfährt, braucht sich nicht zu wundern, wenn das Team des Weißen (=Führende) einen mit 55 wieder zurückholt.

Irgendwann geht eine Vierergruppe, in der auch Chubi steckt. Sie fahren laut Führungsfahrzeug einen Vorsprung von 25 s heraus, die Kraft reicht aber nach einer Viertelstunde nicht mehr aus und das Feld holt auch sie zurück. Alles in allem war das die aussichtsreichste Fluchtgruppe, die es an diesem Tag probiert hat. Wir machen uns also alle auf einen Schlußsprint gefaßt, wobei ich mir ein wenig etwas auf der ansteigenden Zielgerade ausrechne, letztes Jahr hat es hier immerhin für den 9. Platz gereicht, da die dicken Sprinter den Hügel nicht hochkommen wollten.

Immer höheres Tempo, immer mehr Hektik, Gedrängel, Geschreie. Das Spitzenfeld um uns wird immer kleiner. Nach jeder Kurve oder Kopfsteinpflaserabschnitt lassen hinten Fahrer reißen. Ein Blick auf den Tacho: noch etwa 3 Km. Vorn formieren sich die beiden Spitzenteams Picardellics Dresden und Bike-Cult Berlin. Rifli, Chubi und ich fahren so vorderen Drittel des Feldes, als es direkt vor mir kracht. Zwei Fahrer kommen aneinander, schlingern und stürzen direkt in die anderen hinein. Es reißt bestimmt 10 oder 12 Mann zu Boden, alles scheppert und kratzt über den Asphalt. Ich gehe voll in die Eisen und hoffe zu allererst, daß mich keiner von hinten umreißt. Ich sehe mich schon über den Haufen Schrott schliddern, komme aber irgendwie zwischen zwei Rädern am Boden vorbei. Als ich fast stehe, muß ich noch um ein, zwei sich gerade aufrappelnde Typen herum und trete wieder voll an. Die Fahrer hinter mir, die mir ausgewichen sind, stürzten direkt in das Chaos hinein. Die vorderen vielleicht noch 20 Fahrer waren weg, aber noch in Sichtweite. Als ich wieder auf Vollgas schalte, sehe ich rechts vor mir RiFli. Ich nehme sein Hinterrad. uns überholen dann zwei Orangene von Optime, und wir hängen uns bei ihnen rein. Dann kreiseln wir zu viert bis zu den letzten beiden Kurven. RiFli ist wieder vorn, wir biegen auf die Zielgerade und er geht raus. Ich trete noch einmal volles Rohr die Straße hoch und bin erleichtert, als ich durch das rote Tor husche.

RiFli gibt mir freie Fahrt:

Weit hinter der Zielgerade treffen wir uns mit den ersten Fahrern und analysieren den Sturz. Alle sind sich einig, so etwas muß einfach nicht sein. Tagesbilanz: Platz 25 oder so, Schnitt knapp 41, alles heil geblieben, schlechte Laune und sinkende Motivation wegen des Sturzes. Alle anderen auch unversehrt im Ziel, Chubi fällt jedoch noch hin, als er nach dem Sturz im Anfahren von einem querstehenden Rad blockiert wird.

Sonntag, 3. Etappe 52 Km:

Am Morgen habe ich überhaupt keine Lust, noch einmal meinen Hals für eine so kurze Etappe zu riskieren. Doch heute erwarten uns einige Stiche, und ich hoffe auf einen offeneren Rennverlauf. Am Start sind bereits unsere Mädels und Teamchef BjarneW äh OnkelW mit Kamera, Getränken und guten Tips.

Nach einigen Problemem beim scharfen Start (entgegenkommender Krankenwagen, Führungsfahrzeug bleibt einfach stehen usw.) geht es heute mit Höchsttempo los. Alle wissen: Wenn man eine Chance haben will, muß man früh die Anklamper loswerden. Und genau so passiert es. Bereits am ersten Anstieg nach 10 Km ist unser Feld nur noch halb so groß, und auch ich muß bergauf alle Register ziehen, um vorn im Feld zu bleiben. Durch das enorme Tempo ist alles viel disziplinierter, auch wenn wir viel unruhiger als gestern fahren. RiFli versucht ungefähr in der Hälfte des Rennens einen Ausreißversuch, kommt aber nur etwa 100 m weg. Vielleicht hätte da einer der anderen Mannschaften mitfahren müssen, ich hätte es ihm gewünscht. Wäre jedoch ein weiteres Eisenschwein mit nach vorn gesprungen, wäre beim „Weißen“ sofort die Alarmglocken angeschlagen. Als RiFli wieder im Feld ist, zeige ich mich einige Male vorn und gehe auch zwei ode drei Attacken mit. Doch die Führungsteams lassen eine Dreimann-Gruppe einfach nicht weg. Mit jeweils 10 bzw. 15 Mann haben die einfach alles unter Kontrolle, da geht nichts. Irgendwann war das dann auch allen klar. Dennoch versuche ich, immer unter den ersten 8…10 Fahrern mitzumischen, im Wind ist es zwar superhart, aber man geht dem Gerangel aus dem Weg.

Ich zeige mich vorn:

5 Km vor dem Ziel sind wir nur noch ein sehr übersichtliches Grüppchen, und ich weiß, daß ich jetzt mit der Spitzengruppe und somit mit der gleichen Zeit ins Ziel komme, also begebe ich mich mit Chubi und Muschi nach hinten, um dem Sprintmassaker nicht auch noch fröhnen zu müssen. RiFli bleibt in in dritter Reihe oder so, und schon ist es auch schon wieder vorbei. Spitzengruppe gehalten, nicht gestürzt und überglücklich, daß die psychische Anspannung mit einem Mal vorüber ist.

Fazit:
Mannschaftswertung auf jeden Fall Top 10 (8 oder 9), keine Verletzten, geile Atmosphäre, super ESK-Betreuerteam:

Weiterhin:
RiFli allein minutenlanger Ausreißversuch (Hut ab!)
Muschi bester Singelspeeder (Mann, schalt doch mal!)
Chubi längste Fluchtgruppe (ich dachte, die schaffen das)
Eule fährt nur noch für die schnellen Frauen
Ich selbst bestes Eisenschwein (Platz 32, und auch ein wenig stolz darauf)

Das Rennen hat sich herumgesprochen, so daß dieses Jahr man mit Teams zusammenfährt, die normalerweise in einer anderen Liga spielen (der Picardellics-Mann gewann in Dresden mit 5 min im Alleingang). Selbst unsere Cyclassics-Bekannten von Bergamont konnten hier „nur“ mitfahren. Die Top-3-Teams aus dem letzten Jahr konnten dieses Mal auch nur zusehen, wie sich die schnellen Hirsche aus Dresden und Berlin die Beute streitig machten.

Ich werde auch nächstes Jahr wieder mitfahren. Da das Zeitfahren aber einen sehr großen Einfluß auf die Gesamtwertung hat, müßte man schon mit einem Spezialrad antreten, um eine Chance auf ganz vorn zu haben. Aber ob es das wert ist …

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10 Kommentare

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  • Ich werde auch nächstes Jahr wieder mitfahren. Da das Zeitfahren aber einen sehr großen Einfluß auf die Gesamtwertung hat, müßte man schon mit einem Spezialrad antreten

    Genau das ist es, was wir auf der Fahrt gen Süden auch festgestellt haben. Also nicht, dass wir solch ein Rad bräuchten, sondern vielmehr, dass Du jetzt wohl solch ein Rad benötigen werden wirst. (Zeitform bitte selber zusammensetzen).
    Mehr später

  • Krasse Sache! Ein beeindruckend lebendiger Bericht, bei dem mir wirklich die Haare zu Berge standen. Hm – vielleicht bin ich aber sogar etwas froh, nicht dabei gewesen zu sein. Ich glaube, mir reicht das Gerangel und die doch schnell arrogante Stimmung in diesen „Jedermann“-Feldern. 48 Schnitt – das sagt schon einiges aus und ich glaube da gibt es nur den Einstieg in das Wettrüsten, oder eben ein etwas distanzierteres Herangehen, eventuell mit der klaren Zielsetzung im Mittelfeld, oder eben etwas weiter hinten anzukommen. In Hamburg gab es schliesslich auch die meisten Stürze im vorderen Fahrerfeld… menis

  • Ein eindrucksvoller Bericht! Szenenapplaus für alle Recken, die teilgenommen haben!

    Klar, vorne gibt es die ganzen Stürze. Aber die Teamwertung hier in Hamburg kann man auch geschlossen aus dem letzten Block gewinnen… 🙂

  • Immer wenn ich deine Rennberichte lese, kann ich nicht mehr in Ruhe meinen Cafè trinken. Ich bewege mich hin und her, stehe auf, trete mit und leide mit.
    So ein Adrenalinschub am frühen Morgen, puuuh.
    Herzlichen Glückwunsch trotzdem an alle Mitfahrer. Ganz schön schnelles Rennen und zum Glück ist nichts passsiert.

    S.

  • Hallo,

    mein Bericht liegt jetzt auch als Entwurf bereit und kann an die vorliegenden Berichte angehaengt werden.

    Ciao
    Der Frosch
    C.

  • Sehr schoener und lebendiger Bericht!
    An dieser Stelle nochmal ein offizielles Dankeschoen fuer den Schlauch :)! Die Aufholjagd war ziemlich schmerzhaft, und wenn Peter Zornik von Kette Rechts mich nicht tatkraeftig unterstuetzt haette, haette ich/wir es wohl nicht geschafft – 1000 Dank an ihn!
    Viele Gruesse aus Hamburg,
    Clemens

  • Man , mir wird heiß und kalt.
    Selbst der gute Ete hat bei der Tour nur über seinen 42 er Schnitt gemault.Seid also in bester Gesellschaft.
    Sehr schön, und dass Eule nur noch für Frauen fährt war doch eh klar.
    Hat er bei der Tour d´energie ja auch gemacht.

  • endlich bin ich auch mal dazu gekommen, all das zu lesen. große klasse! das rennen in parchim scheint wirklich aus einem anderen holz geschnitzt zu sein als die cyclassics. eine etappenrennen mit solch übersichtlichem starterfeld macht sicher spass. nur werde ich mir das vergnügen aufgrund des existenz des einzelzeitfahrens mit sicherheit ersparen.

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