Erlebnisberichte der Cyclassics 2006

Ritzelflitzer:

Als alter Hamburgveteran merke ich im Gegensatz zu den Jungspunden der Cyclassics, das mich das Rennen mittlerweile weniger begeistert als der Besuch bei meiner geliebten Cousine und Familie. Trotzdem sitze ich am Sonntagmorgen mit viel Adrenalin im Blut in der U-Bahn die mich zum Startplatz bringt und voller Rennradschwucken ist. Ich begebe mich zu meinem angestammten Block A, in dem sich noch keiner um die besten Plätze drängelt. Also rolle ich noch etwas durch die Stadt, um meine behaarten Beine aufzuwärmen. Wenig später stehe ich mit vielen nervösen glattbeinigen im A-Block und erwarten den Startschuss. Es wird die Konkurenz gemustert und eventuelle inkognito fahrende Teams enttarnt.

Dann fällt der Startschuss und im Gegensatz zu den letzten Jahren zuckelt der Tross gemächlich los. Ich kann mich an Jahre erinnern, da gingen mir auf den ersten 10km die Beine fest, jetzt aber rollt sich das Feld langsam warm. Trotzdem werden schnell die vor uns gestarteten VIP-Fahrer eingeholt und auch einige Fahrer aus Blöcken, die erst in einigen Minuten den Startschuss hören dürften.

Da die Geschwindigkeit nicht sehr hoch ist, fährt das Feld auf voller Breite. Die Sturzgefahr steigt deutlich an und auch die erste Mittelinsel wird von einigen voll mitgenommen. Ich versuch mich im ersten Drittel zu halten und meine Kräfte für die Hügel am Ende zu schonen. Ich erwische mich aber immer wieder dabei vorne an der Spitze aufzutauchen und ein bisschen vor dem Feld herzufahren. Keiner will aber so richtig abhauen und für alleine fahren ist das Feld doch noch zu schnell. Also gliedere ich mich immer wieder ein. Die Momente in denen Perle gefahren wird, sind äußerst selten. Aber trotz der Langeweile vergeht die Zeit wie im Fluge (man kennt die Strecke ja schon auswendig…) und wir erreichen die Köhlbrandbrücke. Hier versuch ich noch Acke davon abzuhalten durch zwei Absperrkegel durchzufahren, um auf der linken Fahrbahn die Brücke zu überqueren. Leider zu spät und so zogen einige von uns hinter ihm her. Mit einer kleinen Bunnyhopp über den Bordstein des Mittelstreifens erreichen sie rechtzeitig vor der durchgehenden Schutzbeplankung die richtige Seite der Brücke. Die Brücke wird im dichten Pulk aufwärts hochgeflogen. In solch einer Enge habe ich noch nie diese Brücke bezwungen. Bisher zerriss es das Feld immer und ich befand mich immer in der zweiten Hälfte. Heute lässt sich die Meute die Brücke runterrollen mit mageren 50 Klamotten. Ich kann mich erinnern, hier schon 20km/h mehr auf der Uhr gehabt zu haben und das bei Gegenwind. Jetzt war eher Flaute, aber auch kein Durchkommen um vorne mal ein bisschen den Dicken zu markieren.

Dass aber einige doch schon etwas leiden mussten und nicht mehr kontrolliert geradeaus fahren konnten, merkte ich am eigenen Vorderrad, das mir geschickt mit dem Hinterbau meines Vordermannes fast Stillstand gebracht wurde. Nur durch Fahrtechnik, die mir aus dem -Sport bekannt sind, konnte ich der drohenden Gefahr eines Abganges vom Gerät ersparen. Der kontrollierte Riss einer Speiche brachte das Vorderrad wieder zum Drehen, nur jetzt mit erheblicher Verzögerung der Vorderradbremse. Ich öffnete also die Bremse, um das eiernde Etwas im Schwung halten zu können. Das ganze passierte natürlich irgendwo zwischen 40 und 50 Stuckis ohne auch nur etwas an Geschwindigkeit zu verlieren. Die Hasstiraden gegen Vordermann klangen schnell ab, als er sich entschuldigte und sich hinter mir einreihte.

Einen Kilometer später mit dem klingelnden und wackelnden Vorderrad wähnte ich mich in Sicherheit hinter einem doch arg entscheidungsfreudigen Zweiradpiloten, der erst ein links angetäuschte Vorbeifahrt an einer Baustellenbake wenige Zentimeter vor dieser dann doch rechts überholte. Vor mir baute sich aus dem Nichts dann dieses grobe Teil aus Plastik auf und bremste meine Fahrt von ca. 45 Sachen abrupt ab. Die eingeleite Landeanflugphase wurde von der rechten Körperseite mit kleinen Finger, der Hüfte und dem Knie aufgefangen und gekonnt über die Schulter ausgerollt. Hinter mir erwischte es leider noch zwei Kandidaten. Eigentlich wollte ich mich wieder auf das Rad stürzen, um weiter zu fahren, merkte dann aber schnell mit einer stark eingeschränkten Vorderradbremse und einem verbogenen Bremsschalthebel für die Hinterradbremse wird das ganze nichts. Außerdem fehlten meine Flaschen und der doch nicht ganz billige HAC4. Ich sammelte die fehlenden Teile ein und versuchte die Bremse gerade zu biegen, ohne Erfolg. So rollte ich in Richtung Ziel (ich befand mich kurz vor der Feldertrennung) und wurde von unseren Anfeuerungsteam bemitleidet. Ampel begleitete mich noch zur Transponderabgabe und dann lies ich mir beim roten Kreuz noch den Dreck aus den Wunden kratzen – ich hatte noch genug Adrenalin im Blut und so gut wie keine Schmerzen. Im Zielbereich wartete schon Steffi und der kleine Engel meiner Cousine, der mich tröstete und schnell meine Missgeschick vergessen ließ.

Jetzt zwei Tage später merke ich erst, dass so ein Aufschlag doch mit Schmerzen verbunden ist. Den gesamten Sonntag bis Monatg morgen hatte ich noch keine Probleme, solange dauert es wahrscheinlich bis das Adrenalin abgebaut wird. Meine Hüfte und mein Brust wird blau und ich fahr jetzt gerne mit dem Fahrstuhl und warte auch auf den Bus um eine Station zur S-Bahn zu fahren. Meine Fazit: Ich bin trotz allem stolz drauf, dass wir die Teamwertung auch ohne Acke und mich gewonnen haben. Das versüßt mir den Sturz ein wenig. Nur wird es definitiv das letzte mal für mich gewesen sein. Ich feuere gerne an und reich Flaschen, aber nochmal tue ich mir das ganze nicht an. Die Beschilderung der Gefahrenstellen war noch schlechter als im Vorjahr, der Block A war durch das geringe Tempo gefährlicher als im Vorjahr und außerdem wird mir das zu teuer: 60EUro für einmal auf die Fresse hauen lassen und dann noch Geld für die Reparatur drauf legen. Nein danke! Das geht auch billiger. Wobei der Kick auf der Mönckebergstraße ist schon einmalig…..

Die Leistung der Erstbefahrer ist schon geil! Sabine rollt das Feld von hinten auf und zeigt einigen männlichen Kollegen, wo die Sau ihre Borsten hat. Und Zwock dreht zur Höchstform auf, obwohl er schon einiges in den Beinen hat. Staubi keine Frage – bei dem Trainer! Yo Gomez macht den Darki vom letzten Jahr und Mischi treibt anderen die Tränen in die Augen, wenn die sein einzelnes Ritzel sehen, Aber der Oberhammer ist für mich der Rob, mit der ollen Gurke hätte ich spätestens nach dem ersten Schaltversuch das gesamte Feld abgeräumt. Ich möchte auch nicht wissen, wo seine maximale Kadenz gelegen hat. Ich glaube da hatte Mischi noch einen dickeren Gang drauf.

2 Kommentare

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  • Tja, was soll man alldem noch zufügen? Vielleicht, dass ich dieses Mal Glück hatte? Im letzen Jahr durch Sturz (oder besser „kurz-mal-abgestiegen“) den Anschluss verloren, dann die Blamage mit 2xMönckebergstrasse-gefahren… Irgendjemandem im Team muss es wohl immer erwischen. Kanonenfutter sozusagen. Schmerz- aber ehrenhaft. Obwohl es bei mir so gut lief, bin auch ich mir nicht sicher, ob wir uns diese verschleißträchtige Veranstaltung noch einmal antun müssen. Auch wenn die Durchfahrten in Buchholz und Wedel genial sind (diese Jahr besonders deswegen, weil ich in Buchholz meinen Kinderchern an der Spitze des Feldes mit stolzgeschwellter Brust zuwinken konnte) und Ankunft auf der Mönckebergstrasse Gänsehaut macht. Mit Ansage haben wir die Mannschaftswertung dominiert! Das freut mich das mehr als jeder Einzelerfolg. Weil jede und jeder im ESK davon was hat und mit Fug und Recht sagen kann: WIR haben gewonnen. Wenn das nicht geil ist.
    Ach ja – zwei lustige Anekdoten fallen mir noch ein: Wessen Augen leuchteten wohl auf, in der Hoffung, dass nun endlich mal ein bisschen Ballett getanzt würde, als Menis und ich in Buchholz plötzlich an die Spitze des Feldes fuhren? Richtig. Riflis Augen. Wie sollte er auch wissen, dass ich lediglich meine winkenden Kinder nicht verpassen wollte? Einer von Bergamont oder RG Uni Hamburg wollte gleich hinter Menis hinterher. Menis sagt ihm: Ey, immer mit der Ruhe. Erstens ist das mein Hinterrad und zweitens wollen wir nur den Kindern zuwinken. Der Kerl grummelt und lässt abreißen. Just in dem Augenblick schießt Rifli nach vorn, Unterlenker, die Nase 2 mm über dem Vorbau… Ich rufend hinterher: Rifli! Rifli! (Schließlich eignet sich so eine Situation denkbar schlecht, um gemütlich der Familie zuzuwinken). Na und der Typ von Bergamont dacht natürlich er wird verarscht: So eine fiese Taktik der Eisenschweine…
    Die andere Anekdote ist nur lustig weil niemand zu Tode gekommen ist: ca. 15 km vor dem Ziel, als es auf den kleinen Wellen in Blankenese endlich ein bisschen zur Sache ging, passierte folgendes: Ein Fahrer der RG Uni Hamburg, der vielleicht an 10. oder 15. Position in eine dieser kleinen Steigungen hineinfuhr, wollte von einem Vereinskameraden, der sich dort für ihn am Strassenrand positioniert hatte, einen 0,5 Liter Trinkflasche annehmen. Der Schluck Cola, um die letzten Reserven zu mobilisieren. Beneidet habe ich ihn! Weil die eilige Meute aber bestimmt noch 35 Stuckies drauf hatte wurde daraus natürlich nichts. Die Hand verfehlten die hingehaltene Flasche um Haaresbreite. Der enttäuschte Student wendete seinen Kopf über die Schulter nach hinten warf seinem entsetzten Helfer einen bösen Blick zu, die linke Hand, die lediglich mit ein paar Tropfen des süssen Elixiers benetzt worden war, wie zur Anklage empor gereckt – da geschieht das Unglaubliche: In Sekundenbruchteilen brennen bei dem Helfer sämtliche Sicherungen durch und er schreit: “ FANG!“ Ich glaube es nicht, aber tatsächlich wirft er die Flasche hinter seinem verdurstenden Fahrer hinterher. Obwohl dieser hinter seinem Rücken wie blöde mit der Hand hin und her fuchtelt, landet die Flasche natürlich irgendwo im Feld. Geschrei, eine riesen Welle, Gemotze, zum Glück wird niemand abgeschossen. Dinge gibts, die gibts gar nicht.

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