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Gutingi im Jahre 6

Widerstrebend fiel ich nach hartem Kampf gegen 400 an einem Sundach morgen aus dem Bette. Ein Blick zum Himmel zeigte sternenklaren Nachthimmel, der vergangene Tag war warm und sonnig, wieso sollts in Gutingi anders sein? Oder anders gesagt, Waldhessen – die Wetterscheide.

Widerstrebend fiel ich nach hartem Kampf gegen 400 an einem Sundach morgen aus dem Bette. Ein Blick zum Himmel zeigte sternenklaren Nachthimmel, der vergangene Tag war warm und sonnig, wieso sollts in Gutingi anders sein? Oder anders gesagt, Waldhessen – die Wetterscheide.

Wegen Ermangelung zeitnaher Transportmöglichkeiten durch die Bahn, durfte ich erst einmal mit dem Personenkraftwagen um 500 nach Gießen. Dort gelangte ich dann zum Zug, welcher mir die Möglichkeit gab rechtzeitig nach Gutingi zu kommen, Abfahrt 604. Je weiter der Regionalexpress nach Norden vorstieß, desto bewölkter wurde es. Ab Kassel waren die Straßen naß und es regnete, mal leicht, mal stärker. Verdammt, auch die spärlich gedeihende Vegetation versprach nicht die frühlingshaften Temperaturen des Rhein-Main Gebietes. Ich fror bereits im Zug.

Um 845 schlug ich dann auf dem Vorplatz des mit Rädern übersähten Göttinger Bahnhofs auf. Nur Sekunden Bruchteile später radelte ein gutgelaunter Onkel auf mich zu. Sofort erkannte ich ihn an der strahlend weißen Mütze. Der hatte vielleicht gute Laune… Ich zog mir erst mal die Regenjacke über und so radelten wir gemeinsam gen Startbereich. Ich jammerte was das Zeug hielt, mein Knie, das Wetter, Heuschnupfen, zu schlecht, kein Bock und außerdem…

Am Startbereich hatte ich zwar keinen Hunger, aber der abgemagerte Jurastudent drängte mich in die Schlange zum Sportlerfrühstück. Nicht uneigennützig, der an diesem Tage zu Teammanager auserkorene stärkte sich anschließend gewissenhaft. Es gab reichhaltig Getränke, Kuchen, Brötchen, Rührei, Obst, etc. WIRKLICH GANZ GROßE KLASSE!!! Ich nahm dann auch etwas, schmierte mir noch zwei Brötchen für die Heimfahrt und war in Gedanken schon im nächsten RE nach Hause. Aber nicht umsonst ist der Onkel ja ein Motivationsmeister, mit dem Versprechen mich abzuholen, wenn nichts mehr geht, schnallte ich meinen Transponder ans Bein.

Didi, der Teufel, gröhlte ab und an über die Lautsprecheranlage und nach und nach füllten sich die Startblöcke. Ich war ziemlich weit hinten im letzten oder vorletzten Block, was mich wegen fehlender Ambitionen nicht weiter störte. Irgendwann tauchte dann auch Kreuzpeiling auf, gemeinsam checkten wir unsere Transponder. Danach begab er sich dann in den A- und ich in den C-Block. Er fasselte noch etwas von „bis später“ und „du holst mich eh ein“.

Mit etwas Verspätung knallte es dann für Block A, ich stand zu dem Zeitpunkt noch mit Onkel und Jans Freundin neben dem Startblock, während die anderen schon mit den Hufen scharrten. Mindestens 5min würde es dauern bis der erste bei uns losrollt, so war es dann auch. Zunächst der Startschuß für den zweiten Block und irgendwann dann auch für den dritten Block. Ich kam gerade so aufs Rad und langsam rollten wir los.

Die ersten 3,7km sind neutralisiert und zunächst geht es bergab, mir war kalt und ich fror am ganzen Körper. Nachdem die Innenstadt von Göttingen hinter uns lag, begann die Zeitmessung. Ich hielt mich gleich links und überholte einen nach dem anderen. Einfach nur warm werden war mein Ziel. Langsam aber stetig steigt die Strecke in diesem Teil an, es geht über Felder und Wiesen und das Feld war unendlich langgezogen. Immer wieder überholte ich langsamere und wurde gleichzeitig von anderen Raketen überholt. Grüppchenbildung funktionierte überhaupt nicht und so spulte ich einfach mein Programm ab. Immer wieder horchte ich nach meinem Knie, hält es – hält es nicht?

In einem Dörfchen gings dann schlagartig rauf, die Rampe zerpflügte die Perlenkette in einzelne Gruppen. Mit einem netten Fahrer in US-Postal Montur (hätte ich nicht gedacht) überholten wir unmengen von Leuten und in einer 4-5 köpfigen Gruppe kamen wir oben (Meensen) an. Er warnte mich noch vor der Abfahrt und auf regennasser Fahrbahn waren schnell an die 70 Sachen erreicht. Es ist wirklich krass, man merkt kaum die Geschwindigkeit im Feld. Manchmal fuhr ich ein paar Leuten durch Aero-Haltung einfach davon, dann wurde ich wieder von Tieffliegern überholt. Zum Glück passierte nichts und die Fahrer und Fahrerinnen waren alle sehr rücksichtsvoll. Was anderes wäre bei den Verhältnissen auch kriminell gewesen.

In langen Geraden und zahlreichen Serpentinen und Kurven kamen wir zum Zusammenfluß von Werra und Fulda in Hann Münden. Von hinten kam eine ganze Horde von schnellen Nachmeldern, vermutlich aus dem letzten Startblock angerauscht. Es bildete sich eine Gruppe von ca. 30 Mann, so knallten wir das einzige „Flachstück“ bis zum Fuße des Anstiegs zum Bramwald. Einmal war es echt brenzlig, ich hing in der Mitte der Gruppe, als unverhofft und ohne Vorwarnung am rechten Straßenrand ein roter Kleinwagen auftauchte. Es gab ne Welle und hinter mir hörte ich nur Geschrei und Bremsen quitschen. Da mußte ich dann auch mal meinen Unmut loswerden und schnauzte nach vorne. Wir hatten fast 50 Stukis drauf…

Im Anstieg zum Bramwald legte ich dann 39-19 auf und kurbelte mal im Sitzen, mal im Stehen meinen Stiefel runter. Das Knie meldete keine Probleme und ich zog auf der linken Straßenseite mein Ding durch. Ein einziger überholte mich bis zum Gipfel und ich war echt überrascht, es lief blendend. Das ich mich gerade auf den flacheren, aber trotzdem welligen Abschnitten immer im Windschatten aufhalten konnte, zahlte sich jetzt in einem Überangebot an Kraft aus. Teilweise hatte ich Probleme im Flachen dranzubleiben, aber am Berg ging ich ab. Das Publikum am Streckenrand war auch toll, immer wieder kleine und große Gruppen von Zuschauern die jeden anfeuerten.

Mit einem Zwischenanstieg kam jetzt wieder ne schnelle und lange Abfahrt. Ich hatte mir vor dem Rennen weder die Strecke angeschaut noch das Profil, wußte nur etwas vom Bramwald und dem Hohen Hagen. Sollte der Hagen erneut zum Siegfried-Mörder werden? Wußte er vom Lindenblatt auf meinem linken Knie beim Bad im Drachenblut??? Da ich nicht einmal einen Blick auf meinen Tacho warf, wußte ich praktisch nie wo ich bin, einzig an den alle 10km aufgestellten Entfernungen zum Ziel orientierte ich mich.

Das 20km Schild hatte ich wohl übersehen, als wir uns bereits wieder in einem Anstieg befanden. Plötzlich sah ich Kreuzpeilung vor mir und rief laut „Jan, da biste ja“. Er war anscheinend gerade am Platzen und wollte von mir gezogen werden. Ich verwies auf mein Knie und mußte seine Bitte leider ausschlagen. Wirklich Jan, es tut mir leid! Ich vergewisserte mich noch kurz, ob es sich bei diesem Anstieg bereits um den „langen Hagen“ handelte und fuhr weiter. Oben angekommen hatte ich noch Jans Aussage „ab dann nur noch 10km“ im Ohr und bereitete mich schon auf den Endspurt vor, als am Straßenrand ein „25km“ Schild auftauchte. Oh mein Gott, bitte nicht! Zum Glück war das der Hinweis für die später folgenden Profis gewesen.

Jetzt ging es also nur noch in schneller Abfahrt gen Gutingi und ein herrlicher Ausblick auf das Becken eröffnete sich. Dafür hatte ich komischerweise Zeit und genoß die Aussicht. Etwa 3km vor dem Ziel erreichten wir die Stadtgrenze, die Strecke war jetzt sehr breit (2-3 Fahrspuren) und mit Gittern abgesperrt. Am Straßenrand standen die Zuschauer Spalier und es kam richtig „Mönkeberg-Atmo“ auf. In einer ca. 15 Mann starken Gruppe einigte man sich darauf einen Sprint auszufahren und so ging das Spielchen los. Zunächst hielt ich mich immer an 3.-4. Position und versuchte mich aus dem Wind rauszuhalten. Plötzlich war ich vorne und auch abbremsen und rechts rüber ziehen half mir nichts mehr. In einer Zweierreihe erhöhten wir das Tempo auf den letzten 500m, ich rechts. Ganz links versuchte einer vorbei zuziehen und in der Mitte auch. Ich gab einfach alles von vorne und mit etwas Geschick und Glück ging ich als zweiter aus der Gruppe durchs Ziel.

Zielsprint um die Plätze 432-459...

Ergebnisse hat es zur Stunde noch nicht und somit kann ich nur noch mit einem Profil der Strecke aufwarten.

Nachdem Rennen gab es noch Pastaparty und ausreichend Getränke aller Art, für 38,-€ echt eine Supersache. Wirklich, es hat mir sehr gut gefallen und im Ziel kam dann sogar noch die Sonne raus, Spitze!!!

Ein riesen DANKESCHÖN für die Betreuung und Motivation an Onkel, Merci! Ohne Dein Abholangebot wäre ich wohl nicht gefahren… Ebenfalls möchte ich mich besonders bei Jan bedanken, Dein Schwächeanfall am Hagen war bestimmt extra für mich insziniert, um mir ein gutes Gefühl zu geben 😉

Schwächeanfall bei Kreuzpeilung

PS: Onkel kennt jeden dritten in Göttingen!

Lest die fulminante Schilderung aus Kreuzpeilungs Sicht weiter auf Seite 2:

darkdesigner

13 Kommentare

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  • Vorweg: Nicht Onkel kennt jeden Dritten.
    Jeder Zweite kennt Onkel. Jeder dritte versucht sich nur anzubiedern, um von der Trainereigenschaft ein wenig abzusaugen, was den Onkel gerade körperlich, Wie du ja so treffend „abgemagerter Jurastudent“ erkannt hast.

    Hinterher: Ich bin geplatzt! Aber nicht erst am Hohen Hagen.

  • Tobias, das ist einer der besten Berichte seit langem!
    Es war etwas komisch, diesmal selbst nur Zuschauer zu sein, zumal bei meinem Heimrennen, aber ich habe mich wirklich ein wenig an Eurer Euphorie angesteckt!

    Respekt auch für Jan, der trotz mangelnder Vorbereitung im ESK-Trikot über die Berge flog.

    Das Wetter wurde in Göttingen wieder schön, als die Profis kamen (Petacchi zum 5. Mal Sieger).

    Es ist schade, dass ich nicht mehr Eisenschweine motivieren konnte, hier im Herzen Deutschlands mal die Fahne hoch zu halten. Eule weiß ja nun, wie ausgezeichnet man sich hier um die Athleten kümmert. Und teuer ist es auch nicht.

    Ich habe auch ein paar Fotos gemacht, habe die aber heute nicht dabei.

  • Sehr schön – gartuliere allen „Finishern“…! Ja, ein wenig bereue ich, dass Göttingen an mnir vorbei gezogen ist. Gern hätte auch ich mein ESK-Hemdchen der weiten Welt präsentiert. Nun, vielleicht kommt es in einem der folgenden Jahren dazu. DD – dein Bericht klingt jedenfalls derartig klasse, dass mir zumindest emotional ein wenig über das verpasste Großereignis hinweg geholfen wurde. Bin gespannt auf die Ergebnisse und rechne fest mit Eule unter den TopTen. Bis bald – und viel Glück mit dem Henninger Turm… menis

  • Oh mann – „…der Kessel der kleinen tapferen Lok platzt!“. Ich lache mich tot. Alles schaut her und fürchtet, der Wahnsinn hätte sich meiner bemächtigt. Onkel bitte mach weiter und grüße den Onkel recht herzlich von mir, wenn du ihn siehst… menis

  • Platzierungen:

    429 899 Springer Tobias AK 30 m 02:33:14.246 00:32:30

    573 204 Liebertz Jan AK 40 m 02:39:25.001 00:38:41

  • @onkel: Ist das Dein Fahrrad? ->
    426 1389 Handkammer Janina AK 30 w RSC Göttingen 02:33:06.803 00:32:23

    Wenn ja, habe ich um 8sec gegen Dein Fahrrad verloren, aber gegen hübsche Mädchen tue ich das gerne 😉

  • großartige geschichten, und die berichterstattung von kreuzpeilung verdient dabei sogar noch das prädikat „besonders wertvoll“. es hat wirklich irrsinnig spass gemacht, eure texte zu lesen.

    vorhin habe ich mit ddeule telefoniert und seine echtzeit-kommentation des letzten kilometers war wirklich beeidruckend.

    ganz große klasse, jungs!

  • Eule, sie war es. Das ist genetisch, die Onkelmaschine verleiht Flügel…

    @ Kreuzweise: Geiler, sehr geiler Bericht! alte Dampflock!

  • Respekt und Gratulation, Ihr alten Drücker. Mit ohne Knie ist DD ja noch schneller, da mache ich mir in Hinsicht auf Frankfurt jetzt schon in die Büchs‘.
    Wie Menis finde ich auch, daß man sich nach derlei hervorragenden Berichten einfach ärgern muß, nicht mitgefahren zu sein. Große Klasse…

  • Jaaa, und jetzt mal im Ernst. Onkel und Ich haben auch gerade festgestellt, dass ihr auch wirklich was hättet reißen können.
    Wer bei den HEW unter die top ten fährt, fährt hier mindestens aufs Treppchen UND in so ner dörflichen Idylle vergisst man nicht so leicht.
    Ihr würdet zu jeder Kirmes als Ehrengast eingeladen worden und dürftet so viele Würtschen essen und Bier trinken wie ihr wollt.
    Und außerdem mit der Wein,- Bier,- Hopfen…… und so weiter Königin …
    na lassen wir das .
    Wir freuen uns auf nächstes Jahr und auf Platzierungen von 1- 20.
    Das wär nen Ding.
    Udn dann und dann
    Die WELTHERRSCHAFT … gurgel … sabber

  • So Ihr Säcke, ich habe mir mal erlaubt, Euren Salat (zugegeben einen sehr leckeren) ein wenig zu ordnen. Kreuzpeilungs fulminantes Erstlingswerk erfuhr hierbei die Aufnahme in den eigentlichen Nachrichtenblock und onkels „Aber ich bin doch der echte onkel!“-Gestammel wurde rigeros entfernt (…macht ja nun auch keinen Sinn mehr.
    Abschließend noch meine vorbehaltlose Anerkennung Eurer Leistung. Meine spezielle Hochachtung gilt hierbei vor allem der literarischen Nachbereitung. Wenn mein Lieblingswestonkel nun noch die zweifellos vorhandenen Bilder von seiner Speicherkarte lösen würde, könnte man den Beitrag auch noch fein bebildern. Immer daran denken: Nicht jeder kann lesen! Rütli ist überall und wir wollen doch niemanden ausgrenzen.

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