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Winterreise nach Neubrandenburg

Von Jockel

Nördlich von Fürstenberg

Neubrandenburg. 1248 befand es Johann der I., Markgraf von Brandenburg, für notwendig, am Nordende des Tollensesees eine Stadt zu gründen. Da vor Ort kaum Menschen verfügbar waren, wurden Siedler herangezogen, um dem Wunsch des Landesherrn genüge zu tun. Heute, 843 Jahre später, rufen die Nachfahren jener Siedler alljährlich zur vorweihnachtlichen Umrundung des Tollensesees auf. Dies nicht zuletzt, um der Welt da draußen, welche partout keine Kenntnis von der Stadt am See nehmen will, Kenntnis zu geben von der kleinen Schar Aufrechter, welche trotzig den Verlockungen der großen weiten Welt die Stirn bietet.
Wie jeder weiß, verfügt das ESK in dieser – mittlerweile mecklenburgischen – Stadt, über wichtige Personalressourcen. Zzzzzorro wäre da zu nennen und – last but not least – Mischiflix, welcher anläßlich des HartzIV-Sturmes 2005 in den Kader intgriert wurde. Schon aufgrund dieser Tatsache war klar, dass das oben genannte Ereignis für eine Inspektionsfahrt genutzt werden musste. Nach einigem Hin- und Her wurde die hierzu erforderliche Personalstärke des Expeditionskorps auf 1 Person festgelegt. Diese eine Person sollte ich sein. So schien es zumindest bis zum Vorabend des denkwürdigen Tages. Zu diesem Zeitpunkt klingelte nämlich der Fernsprecher und ein Anrufer, welcher sich im folgenden Gespräch als Ritzelflitzer zu erkennen gab, verlangte, mich auf der gefahrvollen Reise ins benachbarte Bundesland zu begleiten zu dürfen. Erfreut stimmte ich zu und am nächsten Morgen, kurz nach 08:00 traf man sich am vereinbarten Treffpunkt.

Kaum eine Stunde später wurde – per Bahn – Gransee erreicht. Hier wurde es nun Ernst: Temperaturen von -5°C ließen die Knochen nur langsam auf Betriebstemperatur kommen. Hinzu kam der harschige Untergrund, hatte es die Tage zuvor doch etwas geschneit/getaut/gefroren. Doch das machte uns nichts, verbissen wurde am Horn gezogen, während sich allmählich die Sonne Bahn brach, welcher es am gestrigen Tage allerdings etwas an wärmender Kraft gebrach.

Rifli drückt.

Mehr oder weniger zügig – je nach Untergrund – kamen wir voran. Gransee, Rauschendorf, Wolfsruh, Großwoltersdorf, Polzower Wachthaus, Buchholz und Altglobsow hießen die Orte, ehe Fürstenberg erreicht wurde. Doch auch hier gab es keinen Verzug, sollten die avisierten 80km bis Neubrandenburg doch bis spätestens 14:30 hinter uns gebracht sein. Also weiter in Richtung Norden: Über Damshöhe, Godendorfer Schneidemühle, Godendorf ging der Ritt nach Fürstenwerder. Hier war eine kurze Einkehr vorgesehen, um die kalten Knochen zu wärmen, doch da die hierfür vorgesehene Kneipe geschlossen hatte, wurde sogleich weiter gehetzt. Ritzelflitzer hielt sich, trotz der letztwöchigen Radabstinenz, tapfer und empfahl sich damit ausdrücklich für einen der ESK-Lammettaorden, wie sie alljährlich an die Besten vergeben werden. Noch ahnte er auch noch nicht, was ihm im weiteren Verlauf des Tages bevor stehen würde.

Die Schatten der Vergangenheit. Kein Wunder, dass man das ESK in MeckPomm fürchtet.

Im Wald.

Nach Fürstenwerder folgten noch Orte wie Serrahn, Zinow, Thurow, Rodenskrug und Usadel, bevor bei Klein Nemerow der Tollensesees erreicht wurde. Nun galt es noch, die verbleibenden 5km bis zum Augustabad zurückzulegen. Überpünktlich erreichten wir dieses bereits gegen 13:30. In der herrlich muffigen Turnhalle (wer kennt ihn nicht, diesen speziellen Geruch, welcher von vergorenen Extrakten aus Turnschuhsohlen, Medizinballresten und alten Ringermatten herrührt?), steppte bereits mächtig der Bär, Mischiflix, sichtlich gezeichnet von einer mittelschweren Erkältung (oder war es der Kater einer unlängst durchzechten Nacht?) hatte die Situation jedoch im Griff und schlug hin und wieder aufflackernde Revolten, die als ungerechte empfundene Verteilung der Tombolapreise betreffend, sofort und ohne mit der Wimper zu zucken, vermittels seiner schnellen Eingreiftruppe nieder. Ritzelflitzer und ich begnügten uns, ihm gegenüber unser Wohlwollen zum Ausdruck zu bringen und die bereitstehenden Teebottiche auszuschlürfen. An den traurigen Lebkuchenresten, welche offensichtlich den armen Insassen des nahegelegenen Waisenheimes vom bunten Teller entwendet worden waren, wollten wir uns jedoch nicht vergehen, vermeinten wir doch zu diesem Zeitpunkt noch, bereits kurze Zeit später in einem herrlich geheizten Eisenbahnwagen unserer Heimat entgegenzustreben. Doch was mussten wir am Neubrandenburger „Hauptbahnhof“ für einen Rückschlag hinnehmen – immerhin nach 90km bei Temperaturen um den Gefrierpunkt? „Heute fahren überhaupt keine Züge nach Neustrelitz. Wir fahren schon seit einer Woche Schienenersatzverkehr.“ Wurden wir freundlich aufgeklärt. Und selbstverständlich hatte man nur einfache Stadtbusse bereitgestellt, welche sich für den Transport von zwei verdreckten Rädern als ungeeignet erwiesen. Also wieder aufs Rad…
Aufgrund der schon recht weit gesunkenen Sonne und um irgendwelche Experimente zu vermeiden, wurde wieder das Ostufer des Tollensesees für die Fahrt in Richtung Neustrelitz gewählt. Hierdurch kam es zu Streckendopplungen, welche ich üblicherweise zu vermeiden suche, aber aufgrund der einsetzenden Dunkelheit fiel das nicht weiter auf. Aufgefallen ist dann allerdings der Versuch eine Abkürzung zu fahren, welche sich nach ca. 3 Kilometern als Sackgasse erwies. Aber wer kann in fremder Umgebung schon Örtlichkeiten wie Nonnenhof und Nonnenmühle auseinanderhalten?
In weiser Voraussicht (ein Schelm wer Arges dabei denkt) hatte ich meine Lupine am Mann, wohingegen Rifli mit seiner, maximal als Positionslich zu verwendenden Cateye-Funzel klarkommen musste. Dies war aber ausnahmsweise nicht meine Schuld, hatte ich ihn doch am Vorabend per PM auf die Wichtigkeit einer funktionstüchtigen Beleuchtung hingewiesen. Rifli aber, in der Hoffnung, dass es schon nicht so schlimm werden würde, hatte auf das Akkuladen verzichtet.
Der von Mitreisenden mit leiser Stimme vorgetragene Wunsch, auf der Straße (B96) fahren zu wollen, wurde vom Tourenleiter abgebügelt und das Unvermeidliche in Angriff genommen. Nach kaum 35km in herrlicher Winternacht, wurde, nach inzwischen 125 Kilometern durch Schnee und Eis, Neustrelitz erreicht, von wo tatsächlich bereits eine viertel Stunde später ein RE in Richtung Heimat fuhr.

Abschließend lässt sich sagen, dass es eine schöne Tour war und sich jeder in den Arsch beißen sollte, der nicht dabei war. Bis zum nächsten Mal in diesem Kino…

Kalt!

Ich möchte an dieser stelle noch das Top50-Overlay nachtragen: Gransee-Neubrandenburg-Neustrelitz

10 Kommentare

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  • schöner schnee;-) in aller vorrausicht werde ich eine winterinspektion in den tiefen der alpen die nächsten tage vornehmen. bericht folgt 😉

  • Ich ziehe meinen Hut und hege Neid ob dieses frühwinterlichen Genusses. Schlimm, daß ich nicht dabei sein konnte. Und schlimmer, daß ich mit 8 Krügen Frozen Margarita im Blut unbäuerlich bis High Noon im Bett mich quälte.

    Doch der Winter ist noch jung…

  • Oha, der Schwan trainiert für Himmelfahrt, aber da wird nach 10 Krügen Hopfenmalzkaltschalen trotzdem um 900 geradelt!!!

    Wirklich eine feine Tour, da konnte ich mit meinem Auftritt beim 22undein paarzerquetschtekilometer CC-Fitfuckerrennen nicht mithalten. Aber kalt war es bei uns auch,
    dd

  • Oberst, vielen dank für die bezaubernden Worte!
    Da ich am Vortag eurer Tour noch versuchte Rad zu fahren weiss ich wie wunderschön die Landschaft an diesem Wochenende aussah.
    Somit freue ich mich auf die nächste Woche, in der ich endlich einmal wieder in die tiefen des Harzes vorstoßen werde. Mehr dazu in diesem Kino und beim folgenden KSGC.
    Schönen Gruß aus dem verschneiten Harz!

  • Für alle Nichtanwesenden an diesem Tag – der Carl hat es treffend beschrieben. Auch wenn ich die letzten 50km auf dem Zahnfleisch gekrochen bin, das Wetter, die Landschaft all das wirkt im Nachhinein viel schöner, als ich es aus meinen schiefgestellten Kopf und den schmalen Augenschlitzen wahrnahm. Schnee, Eis, Berge, blauer Himmel, Nachtfahrt, heißer Tee, schöne Frauen, unendliche Landschaft, weiße Wälder, Lichtung mit einem einsamen Hirsch, Märchenhäuser ohne Hexe, lecker gekühltes Bier und Kuchen – alll das an einem Tag. Ich glaub, ich hatte 2x Geburtstag!

    Ritzelflitzer

  • Als ein nun weiterer Außenposten des Sv Turbine kann ich trotz neu hervorgekommender Heimatgefühle in Frankfurt voller Stolz behaupten, bei der jährlichen Adventradtour dabei gewesen zu sein.

    Dieser hier niedergeschriebene Bericht macht Lust auf mehr (Radeln) (und auf 8 Krüge was auch immer)

    PS: Ihr wisst gar nicht wie angenehm es sein kann nach 4 Monaten wieder mal zu Radeln *gg

  • aus unerfindlichem grund ist mir diese perle der esk-berichterstattung bisher durch die lappen gegangen! es muss der osteuropäische einfluß sein, der mir den blick für „das perfekte“ etwas getrübt hat. jockel – nicht nur das die tour offensichtlich mit einigen härten gespickt war, nein, auch die visuelle dokumentation ist mit „1a“ richtig beschrieben. gerade der schatten des soldaten ritzelflitzers, klar am etwas zu kleinen stahlhelm zu erkennen hat mir sehr gefallen, aber auch das kleine einsame häuschen im walde, welches offensichtlich von euch geplündert und in brand gesteckt wurde, erinnerte mich an unsere frühen streifzüge durch die mark brandenburg und das angrenzende, damals noch feindlich besetzte mecklenburg.

    danke für die reise im sinne und jockel, es wäre wohl für gerecht zu erachten, wenn sich der oberst selbst ein, zwei kurze lametta-streifen an seine uniformbrust heftet… menis

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