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Das Märchen vom alten Fährtenleger

von Husten

Das Märchen vom alten Fährtenleger

Es war einmal ein alter Fährtenleger, der viele Jahre im Grunewalde fleißig damit zugebracht hatte, sich jeden Stock und Stein einzuprägen, auf daß er selbst in finstrer Nacht ein wahrlich edles Gewand aus verschlungenen Trails zu weben vermochte.

Nun begab es sich aber, daß die übermütigen Trailreiter des ESK, die lange schon ihren großen Durst nach frischen Trails in der Spur des alten Fährtenlegers zu stillen gewohnt waren, sich nicht tagein tagaus mit der gleichen Hausmannskost zufrieden geben wollten und alsbald zu murren begannen: Es wäre sehrwohl die Tafel des Grunewaldes reichlich gedeckt mit feinen Trails, doch wollte man nicht länger teilen den Genuss mit bikelosen Frevlern, die beim ersten Sonnenstrahl in vielköpfigen Schaar den allbekannten Forst durchlatschten.

Und so fürchtete der Fährtenleger auf seine alten Tage die flüchtige Gunst der Trailreiter zu verlieren. Auf unheilvolle Weise war nähmlich sein leiblich Wohl an die Zuneigung der Trailreiter geknüpft. In Gedanken sah er sich schon als greiser Geist, verdammt in alle Ewigkeit, über immer die selben Trails des Grunewaldes reiten. Um diesem grauenvollen Spuk zu entgehen, fasste er einen kühnen Plan.

Mit zittriger Hand zog er auf der Karte über endlose Flächen von ihm fast gänzlich unbekannten Terretorien seine Feder mit blutroter Tinte, dort wo er gedachte eine neue Fährte zu legen und so den gierigen Trailreitern ein neues, trefflicheres Mahl zu bereiten. Sehr wohl hatte es ihn das eine oder andere Mal dorhin verschlagen, einmal sogar in der Spur des großen Meisters Wasjutin, aber in seinem Herzen fühlte er eine grässliche, lähmende Angst, denn er war es gewöhnt auf seinen Trails jedes Stück Wildschweinkacke beim Vornamen zu kennen. Aber er wollte alles tun, um die Gunst der Fährtenfolger zu erhalten, denn er wusste, das Knirschen ihrer Pneus eben hinter ihm, in der frisch gelegten Spur, war sein Lebenselexier. Würde ihm die richtige Dosis hiervon versagt, würde sein Körper auf der Stelle zu Staub zerfallen und seinem Geist des nachts im Grunewald in ewigem Spuk die letzte Ruhe verwehrt.

Und so folgte eine handvoll Eisenschweine seiner großspurigen Ankündigung. Schlag Elf versammelten sich Arthur, Riewu, Paperman und der lange Rifli an der Küste des Wannmeeres. Viel kluge Worte wurden gewechselt, ein letztes wärmendes Getränk der griesgrämigen Marketenderin abgerungen und alsbald rollte die Bande vondanen.

Noch befor die ersten Regentropfen aus dunklen Wolken fielen und die hitzigen Köpfe kühlten, hatte man den nahen Wald erreicht. Tief und ruhig ging der Atem des Fährtenlegers, führte doch der erste Teil des Weges durch die ihm halbwegs bekannte Gefilde zwischen Schäferberg und der lieblichen Havelküste. Kurz darauf, der Geschmack des ersten Trails im Gaumen ward noch nicht verklungen, bemerkte der Fährtenleger mit Argwohn eine gewisse Uneinigkeit in der Bande ob der eingeschlagenen Geschwindigkeit.

Ein leichtes Schwächeln konnte selbst einer der edelsten unter den Eisenschweinen nicht verbergen und bald schon versuchte eben jener durch ein geschickt vorgetäuschten Fall auf schleimig nasser Treppenabfahrt, sich ein kleines Ruhepäuschen zu verschaffen. Mit solchen Finten ließ sich der erfahrene Fährtenleger nicht hinters Licht führen und sogleich verschärfte er das Tempo nochmals, instinktiv spürend, daß der Zwist unter den Reitern seine eigene Rettung bedeuten könnte.

An der Moorlake vorbei ging der wilde Ritt, kein schöner Trail wurde ausgelasen und bald fand die Meute sich auf dem verschlungen Steig, der im Volksmund Hänsel-Gretelbesteig genannt wird. Zurück auf den Schäferberg, die Königsstraße gekreuzt, entlang an der verfluchten Lichtung, wo besessene Gestalten mit ungeeigneten Werkzeugen verzweifelt versuchen winzige Bällchen in kleine Löcher zu bugsieren. Welch schrecklicher Fluch lastet auf diesen bemitleidenswerten Geschöpfen, die da unter der schweren Last ihres unfömigen Gepäcks tief gebeugt auf der Suche nach den kleinen Bällchen umherschleichen.

Die kahle Klippe des Müllbergs wurde erklommen, wo der Fährtenleger zu seiner Überraschung den Ältesten seiner Sippe vorfand. Dies konnte nur ein glückliches Omen sein und siehe da, der Hunger einiger Trailreiter schien schon fast gestillt, obwohl der Fährtenleger noch keinen Meter des von ihm so gefürchteten südlichen Trails entlang des Mare Templinus unter die Räder genommen hatte.

Ganz vorsichtig, ohne ihren Argwohn zu erregen, lenkte er die Meute im halbkreis zurück, ständig hoffend, daß die klagenden Stimmen der Schwächelnden die Bande letztlich zum vorzeitigen Heimritt bewegen würde.

Und so kam es, daß der alte Fährtenleger eben an der Grenze zum wilden Babelsberg den Lenker wieder gen Nordost schlagen konnte und die satte Meute einvernehmlich und ohne Murren auf die ausstehenden Abendteuer an den Gestaden des Templiner Meeres verzichtete.

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