Da es mich in der letzten Zeit doch immer wieder in schlesische Gefilde mit ihrer bewegten Geschichte und den noch viel bewegenden Topographien zieht, liegt die Befahrung des Glatzer Schneegebirges und des Adlergebirges nach alter Kadertradition irgendwie nah. Die erste Expedition, welche bereits im Juni von Zittau aufbrach um die Gegend zu sondieren, schien mir zeitlich nicht darstellbar. Somit mußte ein Konzept für eine zackigere Variante her.
Gesagt getan. Zwei mutige Mitstreiter fanden sich und ein Termin Mitte September war ausgemacht. Mit exzellent gewarteter Technik falteten sich der Sachse, der Frö und ich mich in den Van und rollerten an einem sonnigen Donnerstagabend nach glatz. Die veranschlagten 4Stunden wurden genau benötigt und gegen 21.00 waren die Zimmer in der zweckmäßigen Hotelherberge bezogen. Ein Abendspaziergang ließ uns dann noch die hübschen Ecken der Altstadt mit Fluss, Burg und Rathausplatz erkunden. Mit den nötigen Utensilien für eine zünftige Stufenjause bewaffnet, ließen wir uns vor dem Rathaus nieder und genossen das Flair und spülten die trockenen Kehlen.
Am nächsten Morgen wurde nach dem polnischen Frühstück, mit und ohne tierische Produkte, aber auf jedem Fall mit ordentlich Krümelkaffe erstmal die müde Muskulatur durchgedehnt, die Räder zusammengebastelt und die sieben Sachen in den Rucksack gestopft.
Dann ging es auch schon los. Noch recht verhalten kämpften wir uns durch den Morgenverkehr hinaus aus Glatz in ein kleines Seitental. Dieses wurde bald immer steiler und mit der doch schon recht warmen Sonne stieg der Puls. Und als es am ersten kleinen Sattel so richtig hämmert, bog die Strecke ab ins Gelände. Ich war recht froh, dass digitaler Plan und Wirklichkeit zusammenpassten und führte die Meute in den hügligen Forst.
Ein stetes Auf und Ab mit herrlichen Trails und Forstwegen im Wechsel charakterisierte das Warm-Up des Tages. Doch ob der für September hohen Temperaturen brauchten wir an einer Wallfahrtskapelle die erste Wasserpause. Nach kurzem Plausch mit dem Popen über die Deutsch-Polnische-Freundschaft und die wechselvolle Geschichte der Gegend zogen Frö und der Sachse mit Ihm zur Quelle am Hang des Berges, um die Flaschen zu füllen.
Bald darauf waren wir auf dem Weg nach Ladek Zdroj. Hier war gerade Trödelmarkt und wir pfiffen uns in Reminiszenz an den morgendlichen Krümelkaffee einen italienischen Latte vom Espressomobil ein und beobachteten das Treiben.
Doch da die Beinchen jetzt endlich warm waren sollte die Pause nicht zu lang sein. Der nächste kultivierte Anstieg wartet schon. Zunächst im Ortsbereich schön glatt und fahrbar wurde der Pfad immer verblockter und zwang uns schließlich vom Rad. Ein Blick in die Kartenwerke bot aber Alternativen auf Forstwegen die nun ein schnelles Vorankommen sicherten.
Mit jedem weiteren Auf und Ab ging der Füllstand der Energien mehr zur Neige. Immer lauter wurden die Rufe nach der ersehnten Mittagspause. Ich hatte eine kleine Passhütte am Glatzer Sattel im Auge, ging es von dort (845m üNN) noch einmal richtig rauf zum Sattel (1230m üNN) unterhalb des Grulicher Schneebergs. Nur leider war diese Hütte dicht.
Ein Knick in unser doch so optimistischen Stimmungskurve zeichnete sich ab. Doch wozu ist der Notriegel denn da, wenn er einen in solchen Momenten nicht aufbaut. Insgeheim konnte ich mir den folgenden Anstieg mit drei Halben in der Birne auch nicht vorstellen.
Entlang der Grenzsteine ging es dann Meter um Meter nach oben. Ein schöner Pfad schlängelt sich durch Heidekraut, als sich die Höhenlinien dann auf engstem Raum und senkrecht zum Wegverlauf tummeln wechseln wir auf den Forstweg und schrauben uns die letzten Meter nach oben.
Da die Gipfelgebiete hier auch Naturschutzgebiet sind, darf man hier eigentlich nicht mit dem Rad rumhirschen. Wir müssen aber auf die andere Talseite und haben keine andere Wahl.
Kurz darauf treffen wir auch die einzigen Geländeradfahrer des Tages. Diese allerdings mit schwerem Gerät und Ritterrüstung.
In der Annahme die Franziskova Chata sei eine bewirtschaftete Hütte, wurde diese angesteuert. Doch auch diese Option war vernagelt und bot keine Erfrischung. Wir nahmen den Talweg, welcher im oberen Teil doch einige technische Passagen hatte, der Sache vergewissert sich kurz von der Bodenbeschaffenheit aus der Nähe, doch es geht zügig und ohne Schaden weiter. Bald war der Talboden erreicht und wir steuerten die erste Kneipe mit Sonnenterrasse an. Nach einer üppigen Kohlehydratzufuhr und einigen holba sieht die Welt schon wieder besser aus.
Und gar so garstig sollten die letzten Kilometer des Tages bis zu unserer Unterkunft auch nicht werden. Noch mal kurz ums Kloster bei Karliky rum und schnick schnack waren wir in Cervena Voda und bei Zdenek im Hostinec.
Kaum hatten wir das Zimmer bezogen, waren die ersten Bierchen am Hals.
Bloß nicht gar so dolle Auffallen und wie alle anderen jetzt noch einen Schnaps dazu bestellen. Ach ja, was Essen sollte man ja auch. Nur leider hatte die Wandergruppe am Nachbartisch schon fast alles weggeputzt. Naja ein paar fleischlose Frittagen und etwas Gulasch mit Knödel gibt es immer. Und so war am Ende nicht nur der Mond ziemlich rund.
Die Nacht war kurz und vor allem für den Sachsen schmerzhaft. Er hatte wohl auf der angeschlagenen Schulter genächtigt. So begann der nächste Morgen mit orthopädischen Übungen und dem Warten auf das Frühstück. Dieses blieb aus, da Vaddi noch bei Muddi zu Hause und die verbliebene Belegschaft schon bei den Getränken des Vorabends war. Wir packten unsere sieben Sachen und gaben uns einem Supermarktfrühstück hin, gefolgt von einem gepflegten Tankstellen-Automatenkaffee.
So gestärkt ging auch gleich in den ersten Anstieg zum knapp 1000m hohen Suchy Vrch und damit direkt ins Grulicher Festungsgebiet.
Diese wahnsinnige, Mitte der 30er Jahre fertiggestellte Artellerie-Werkgruppe, durchzieht hier alle strategisch günstigen Geländelagen und unseren Weiterweg auf dem Höhenzug des Adlergebirges.
Ich hatte die Route auf dem Weg nach Hanicka, der nächsten Festungsanlage, entlang des Stausees und das Flusstals des Wilden Adler gelegt, was natürlich den ein oder anderen Hohenmeter extra zur Folge hatte. Spaß hat die Variante aber gemacht. Abenteuerlich balancierten wir durch eine Hangrodung, wo man die Seilbahn für uns angehalten hatte. Spätestens hier war die schmerzende Schulter des Sachsen vergessen und es konnte auf der originalen Route weitergefahren werden.
An der Hanicka legten wir die erste Pause ein, da es leicht zu tröpfeln begann und die Energiespeicher geladen werden mußten. In der doch recht spartanischen Kantine konnten wir uns bei frittiertem Käse und Langos-ohne-Alles die Geschichte des Ortes vergegenwärtigen.
Der Weiterweg auf dem ‚rotenKammweg‘ führte uns teils auf schmalen Pfaden, teils weglos durch den Sumpf und auf asphaltierten Wegen zur Velka Destna auf 1115m üNN, dem höchsten Punkt des Tages. Schon bald darauf steuerten wir die Masarykova Chata an um unseren tschechischen Freunden bei Palatschinken mit Bierchen Tschüss zu sagen.
Als wir wieder vor die Tür treten sind die Wolken etwas näher gerückt und es tröpfelt etwas mehr.
Ein paar Kilometer geht es noch auf dem Kamm entlang, bevor wir uns entlang der Grenzsteine Richtung Polen den Berg hinab stürzen. Richtig steil wird es hinunter nach Duszniki Zdroj. Als es bei der Ortsausfahrt ebenso steil nach oben geht und wir zum Schieben gezwungen sind, beschließen wir, die Plackerei nicht unendlich auszudehnen und ab Szczytna die Straße entlang der Bahnstrecke zum lockeren Ausrollen zu nutzen. Die Regentropfen lassen auch nicht wirklich nach, doch die Temperatur ist angenehm.
Die letzten 10km nach Glatz geraten dann fast zum Ausscheidungsfahren. Nach 95km ist dann auch dieser zweite ereignisreiche Tag zu Ende.
Der Plan ging damit perfekt auf. Wir wir fanden ist das dort unten eine schöne Ecke zum radfahren. Das nächste mal vielleicht sogar auf der Straße. Danke an Frö und den Sachsen.
Sehr schön! Die geplanten 5 Stunden galten ja nur für Flaschenbier, wieviel kamen noch für gezapftes dazu?
Stufenjause, yeah baby!
„Locker ausrollen“ auf den letzten Kilometern – war ja klar, dass da noch was kommt. ESK halt.
Tolle und anspruchsvolle Runde. Das nächste Mal besser auf drei Tage verteilt inkl. eines halben Tags im Bikepark Horni Morava – das wärs.
Schön geschrieben, die Geschichte. Was man immer so erlebt an zwei Tagen auf dem Mountainbike!
rob
Sehr feine Reiseleitung und Berichterstattung.