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Herkules ging es am Arsch vorbei!

An einem warmen Herbstmorgen des Jahres 2013 saß ich auf dem Balkon vor meiner Penthousewohnung und frühstückte. Es duftete nach frisch gebrühtem Alamid-Kaffee, Jamón Ibérico und geröstetem Brot. Zwischen den Orchideen flatterten Kolibris, aus dem Tivoli klang die 89er- Aufnahme der Wiener Philharmoniker von Bruckners 7. Symphonie und die Kolumne von Dr. Dr. Rainer Erlinger animierte mich dazu, ein Zwischenrésumé über den Lauf meines Lebens zu ziehen. Das Schicksal hatte es gut mit mir gemeint. Während ich den Geist über die bestellten Felder meines Wirkens streifen ließ, entdeckte ich … einen Kornkreis! Eine kahle Stelle! Ärgerlich zerknüllte ich die Brüsseler Spitze meiner Serviette und eilte in die Bibliothek. Nachdem sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, zog ich eine Deutschlandkarte aus ihrem ledernen Köcher und breitete sie auf dem alten Mahagoni des Stehpults aus, der einst William Bligh so gute Dienste geleistet hatte. Rastlos zog mein Finger auf dem Pergament seine Bahnen, um dann in der Mitte zu verweilen. Natürlich! Es war so leicht. Ich eilte sofort in den Salon und holte mir Darkdesigner auf das Interface. Es bedurfte nur weniger Worte, um uns zu verständigen. Darki ließ den Learjet betanken und ich eilte in den Keller, stopfte das Bike in den Bertone und kurz darauf trafen wir uns in Göttingen. Nun kann die Geschichte nicht so weiter gehen, ohne mich ohne Not in den Verdacht der Schummelei zu bringen(Treue Leser wissen, dass der ESK nicht nur gefürchtete Zweiradrecken hervorgebracht hat, sondern auch Barden, die die Heldentaten angemessen mit einigen Münchausenkunstgriffen für die Nachwelt aufarbeiten). Der geneigte Leser möge sich vorstellen, dass ich den Wagen für ein angemessenes Salär in einem bewachten Parkhaus in einem klimatisierten Zelt zwischenlagern ließ und Darki den Learjet in Kassel-Calden landen ließ, um die letzten Kilometer mit dem ICE zurück zu legen. Wir trafen uns auf dem Bahnhofsvorplatz. Darki baute sein Reiserad zusammen und schickte dann ganz professionell dessen Reisemäntelchen per Post zurück nach Frankfurt. large_CAM00141 Wir hatten uns eine hübsche Tour vorgenommen, die logistisch von meinen Lieben unterstützt werden sollte. Natürlich hatte ich mich bis zum Morgen bei meiner Liebsten in Göttingen einquartiert. Die erste Etappe sollte uns nun über den Studentenpfad nach Kassel führen. Dieser Pfad führt von Göttingen über Kassel und Marburg nach Gießen und ist wirklich ein hübscher Wanderweg. Wir radelten also aus Göttingen heraus und über Rosdorf und Tiefenbrunn auf den Hohen Hagen, der bei der Göttinger Tour d´ Energie die Funktion des Scharfrichters hat. Leider erwies sich die Beschilderung als verbesserungsfähig und wir mussten etwas improvisieren, aber meine Ortskenntnisse, Darkis Kartenkünste und nicht zuletzt der Fernsehturm auf dem Hagen sorgten dafür, dass wir das Zwischenziel nicht verfehlen konnten. Oben angekommen trafen wir auf Horden von wackeren Rentnern, die den Tag der Deutschen Einheit mit einem Jägerschnitzel in der dort gelegenen Restauration begehen wollten. Wir wechselten mit Ihnen patriotische Grüße und warfen uns freudig in die erste Abfahrt. Über schöne Trails und steile Schotterpisten rollten wir der Weser entgegen. Zwischendurch führte uns der Weg wieder durch liebliche und frisch gejauchte Felder, dann aber wieder durch herrliche Laubwälder.large_CAM00145 So erreichten wir dann zur Mittagszeit Hann. Münden large_CAM00146 Gerade rechtzeitig, um am historischen Rathaus Zeuge einer uhrwerkgesteuerten Vorführung der Zahnreißkünste des berühmten Dr. Eisenbarth zu werden. large_CAM00150 Neben jenem Ausnahmemediziner, der in der schönen Fachwerkstatt, „wo Fulda sich und Werra küssen“ und dadurch die Weser hervorbringen, im Jahr 1727 seinen Leben aushauchte, hat Hann. Münden auch den zweifachen Europameister unter den Bratwurstdesignern hervorgebracht, so dass wir uns angemessen stärken konnten. Mit Bratwurst in den Beinen gewannen wir unter Flüchen wieder Höhe und strampelten tapfer durch den Kaufunger Wald. Lange Schotteranstiege galt es zu bewältigen, die Belohnung folgte,aber in den Abfahrten. Leider verpassten wir aber bei dieser Gelegenheit den Weg und fanden uns an der Fulda wieder. Wir stärkten uns mit wilden Äpfeln und regionalen Trünken large_CAM00151 und beschlossen so beduselt, den Rest der Etappe auf dem Fuldaradweg zurück zu legen. Auch so hatten wir bei unserer Ankunft bei Muttern knapp 69 Kilometer und 881 Höhenmeter zurück gelegt. Wir wurden mit Spaghetti nach Art meines lieben Stiefvaters bewirtet und stürzten uns so gestärkt ins Kasseler Nachtleben. Über den Verlauf dieses Abends wollen wir schweigen, aber als Souvenir nahm ich einen veritablen Kopfschmerz mit auf die zweite Etappe. Wozu so eine Scheidung doch nütze ist, sie sollte uns zu meinem Vater nach Diemelstadt führen. Doch dazu mussten wir am stärksten Mann Kassels vorbei. Er trohnt über der Stadt, im Habichtswald, und seine Herausforderer müssen eine Audienz bei ihm mit ehrlichem Schweiß bezahlen. large_CAM00156 Oder mit dem Auto fahren, aber dazu muss ich wohl nichts sagen. Nach einer zünftigen Kletterei erreichten wir also seinen Prunkbau. Es war kühl, aber die Aussicht war schön. large_CAM00158 Dem alten Herkules freilich ging unser Besuch am … na ja.large_CAM00159 Wir verstanden und ritten zügig weiter. Es ging über eine der schönsten Weiden der Welt talwärts. large_CAM00161 An deren Fuß stand mir plötzlich ein Jungbulle gegenüber. Er schaute aber nur freundlich neugierig und als ich die Kamera zückte, trottete er davon. large_CAM00163 Nach einer schönen Talfahrt und einem kleinen, relativ ebenen Abschnitt mussten wir uns den Beerenberg hinauf quälen, oder die Bärin besteigen, wie wir es nannten. Auch diese Kraftprobe bestanden wir und rollten gegen Mittag in Wolfhagen ein, wo wir uns mit Speckkuchen stärkten, einer nordhessischen Spezialität. large_CAM00166 Hier verließen wir auch den Studentenpfad. Ein flotter Wanderweg führte uns dann nach Volkmarsen, von wo aus wir die alte Heerstraße nahmen. Dies war eine wirklich hübsche Piste, auf der wir einen alten Wehrturm passierten und eine echte Wildkatze trafen. large_CAM00169 Von Volkmarsen führte noch ein uriger Wanderweg nach Diemelstadt, wo mein Vater uns zuallererst mit einem Bier und einer Brotzeit versorgte. Hier trennten sich unsere Wege wieder. 59 Kilometer und 771 Höhenmeter hatten wir an diesem Tag gemacht. Für Darki kamen noch ein paar drauf. Wegen des Dauerregens am Folgetag verzichtete ich darauf, die Heldengeschichte noch, wie ursprünglich geplant, fortzusetzen, aber der Kornkreis ist deutlich kleiner geworden und der Alamid schmeckt seitdem noch besser als zuvor.

7 Kommentare

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  • Es gibt sie noch, Männer, die auf ungepflasterten Wegen durch die Heimat ziehn , um deren Schönheit zu schauen und sich an regionalen Spezialitäten zu laben. Gelobt sei diese aussterbende Schar.

  • Welche herrliche Lektüre im Anschluss an die wunderschöne Tour, vielen Dank mein lieber Onkel.

    Begleitet von guter Bewirtung und Herberge durch Onkels Verwandschaft war es mir ein Vergnügen als rollendes Navigationssystem mitfahren zu dürfen. Ach wie schön ist doch das Hügelland um Cassel. Wir genossen die letzten Spätsommer/Frühherbsttage in den sich langsam färbenden Laubmischwäldern. Wir rollten gemütlich an alten Fachwerkdörfern vorbei. Es ging auf und ab mit teils kräftezehrenden Steigungen. Immer wieder eröffneten sich Möglichkeiten zur Einkehr und überzeugten mit lokalen Köstlichkeiten.

    Interessant immer wieder der Unterschied zwischen der Beschilderung in unserem föderalen Staat. Während in Hessen an jedem zweiten Baum ein Symbol den Weg zeigt, ist man in Niedersachsen deutlich sparsamer. Getreu dem Motto: „Gottes Wege sind unergründlich…“, ist es hier eher zufällig den richtigen Weg zu finden.

    Ein Dank geht an dieser Stelle an den Beförderer meines Vertrauens. Selten so unkompliziert und günstig mittels zweier ICs ohne Reservierung und Fahrradkarte nach Hause gekommen.

    Schade, dass es an den darauf folgenden Tagen so regnerisch war. Aber wir holen den Egge- und Hermannsweg nach, versprochen!

    Auch schade, dass Deine wirklich gelungene Lektüre außer 2Bier und Husten scheinbar allen „Am Arsch vorbei ging“. Nicht nur Herr Kuhlness…

  • Darki, den Eggeweg und den Hermannsweg holen wir in der Tat nach. Du warst ein super Begleiter.

    Natürlich lechzt die sensible Künstlerseele nach viel Schulterklopfen, aber auch Twobeers und Du bekommen für epische Berichte leider nur wenig geschriebenes Lob. Möglicherweise liegt das daran, dass heute mehr über Smartphones gelesen wird, wo Kommentare dann nerviger zu verfassen sind. Gelesen werden die Berichte doch von einigen Leuten.

    • Mein Bester,

      grad neulich saß ich im Club nebst unserem guten gemeinsamen Freund Phileas und wir sinnierten über den nachlassenenden Tatendrang im Alter, als uns Dein Bericht zu Ohren kam.

      Es entzückt immer wieder aufs Neue, mit welcher Vehemenz aber dennoch Zielgerichtetheit die Worte Deine Feder verlassen.

      Phileas redete sich so in Ekstase, dass er gleich wieder ab schweifte und von seinen 79 Tagen schwatzte, wobei wir beide wissen, dass dies nun wahrlich keine Heldentat mehr ist. Euer Husarenstück jedoch… Inspirierend.

      Nun sei es mir erlaubt zu sagen, dass der Gute auch unter dem Unbill der Zeit gar gejocht wurde. Auch ist dir die Herkunft Aoudas wohl bewußt und du weißt ob der kulturellen Unterschiede, die der gute Phil doch etwas extravagant anzugehen pflegt. Einen Elefanten als Haustier und jeden Tag Curry scheint mir doch eine etwas einfältige Lösung zu sein.

      Auch macht ihm der neue Arbeitgeber „NSA“ seines Dieners sehr zu schaffen. Ich jedoch denke, da haben sich zwei gefunden…

      Nun, mein Bester, ich schweife ab.

      Nochmals, mein Neid sei Euch gewiss, zumal ich doch kurzfristig absagen mußte, um den Steinbruch zu beaufsichtigen.

      Die Passage mit der bestiegenden Bären bedarf jedoch beim nächsten Treffen der Erläuterung…

      Einen schönen Abend mit deinem Alamid, wenn ich auch den durch Zibetkatze Veredelten bevorzuge. Der Alamid mundet mir häufig etwas muffig-muchelig.

      Ich verbleibe in Hochachtung ob euer Kornkreis Expedition
      Euer Kreuzpeilung

  • Onkel, Deine Zeilen sind wundervoll, endlich bin ich dazu gekommen mich dem Bericht zu widmen. Eine tolle Tour, gerne würde bei einem weiterem Zustandekommen mit Euch fahren. Erstens steht mir Eure Art zu reisen gut und zweitens ist diese ganze weite Region auch für mich noch ein unbeschriebenes Blatt.
    Und Onkelchen, Du hast einen tollen Schreibstil, gerade die Einführung zu Beginn ist großartig. Harr. Die Bebilderung ist aber durchaus verbesserungswürdig.

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