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1. Mai – Ein Feiertag mit dem ESK

In den vergangenen Monaten und Jahren gab es vermehrt Stimmen, die forderten CTFs (eine sehr schöne Erklärung dazu findet sich hier: Klick!) auch im Sommer, gerne auch länger als im Winter und überhaupt solle der mal nicht immer nur still und heimlich für sich fahren sondern mal wieder richtig, so wie früher eine anbieten. Nun denn, zumindest ansatzweise müssten diese Wünsche doch erfüllbar sein. Terminiert auf einen freien Tag, der nicht unmittelbar an einem Wochenende liegt, sollte sich doch was machen lassen.

Blut, Schweiß & Tränen

Die Ankündigung enthielt also die markigen Worte „Blut, Schweiß, Tränen“, die Streckenlänge wurde nur als Minimum angegeben und die Strecke so gelegt, daß es keine Bahnhöfe zum vorzeitigen Ausstieg geben würde. Die ringsum herrschende Vollkaskomentalität wurde abgestraft, hier würde es um „Randonneure“ im eigentlichen Sinne des Wortes gehen, Radwanderer, die auf eine Organisation und Rundumbetreuung weitestgehend verzichten und die Strecke als Ziel begreifen.

Die Resonanzen unter den oben angeführten Stimmen war gering, Verletzungen, Formtiefs, dienstliche oder familiäre Verpflichtungen, starker Alkoholkonsum am Vortag, die weite Entfernung des Startortes oder auch die Absicht, statt der flachen Uckermark lieber oder Erzgebirge zu befahren, waren die Einträge auf den abgegebenen Entschuldigungszetteln besorgter Mütter. Die Bahn hatte auf Nachfrage extra einen Waggon mehr als sonst angekoppelt und so waren wir gut gelaunt und bei herrlichstem Sonnenschein zur Knoppersstunde in Chorin. Nach 200m Weg vom Bahnhof ein erster Halt, der Oberst zückt die Karte im Maßstab 1:60.000. Von rechts unten nach links oben werden wir die abgebildete Gegend befahren, Opi fragt mich heimlich, wie oft wir wohl halten müssen, um den Weg mit der Karte abzugleichen. Diese Hoffnung auf Pausen kann ich ihm nehmen, Der Oberst würde einfach unbeirrt vorneweg fahren, die Karte ist nur schmückendes Beiwerk für die Mitfahrer. Als Rastpunkt wird Boitzenburg ausgegeben, der Routenplaner gibt beruhigende 50km aus, Jockel spricht von um die 90. Insgesamt werden knapp über 150km geplant, was am Ende auf den Meter stimmen soll.

Und schon gehts zu acht in den lichtdurchfluteten Wald. Der gesamte Boden ist voller Blüten, Buschwindröschen in weiß und rosa, Veilchen, Huflattich, Sumpfdotterblumen lassen den Wald leuchten, die Felder sind gesäumt von blühenden Obstbäumen, es ist die reine Freude und Lust, durch diese wellige Landschaft zu fahren. Kein Mensch kreuzt unseren Weg, umso öfter sehen wir Wild.

Schon auf den ersten 10 Kilometern verliert Rob seine einzige Trinkflasche und Eispickel den Anschluß. Unnötigerweise wird zu Eispickel Kontakt mit dem mobilen Fernsprecher aufgenommen und so muß seine entspannte Rumgondelei mit vielen Photostopps aufgeschoben werden.

Marcus ist erstmals auf einer Tour mit dem ESK und beschließt nach einem Drittel der Strecke, die Gruppe zu verlassen. Eine Karte hat er dabei, er dreht eine Runde durch die Schorfheide und trifft sich später in Joachimsthal mit Frau und Kindern.

Zwischen Wolletzsee und Stegelitz -näher möchte ich die Gegend nicht beschreiben- machen wir halt bei der Bierflasche? Bierflasche? Klar denken jetzt alle, Twobeer und Bierflasche. Doch nein, es handelt sich um eine historische -leere- Flasche, die der Oberst hier zurückließ, als er das ehemalige Forsthaus zur Festung gegen die slawischen Horden ausgebaut hatte. War die Flasche im letzte Jahr verschwunden, tauchte sie in diesem Jahr wieder auf. Außerdem bemerkte Jockel einen Riss in der seitlichen Karkasse seines leichtgewichtigen Wettkampfreifens. Er hatte diesen Riss schon mit Panzertape gesichert, allein hielt dieses Allheilmittel nicht den Belastungen stand. So wurde als Schutz noch eine metallisch glänzenden Riegelfolie eingearbeitet. Bei dieser Gelegenheit bemerkten wir auch die ersten Zecken auf nackten Armen und Beinen. Die Meinungen darüber, wie lange eine solch winzigkleine schwarze Zecke braucht, um sich vollzusaugen, gingen weit auseinander, wir einigten uns auf wenige Sekunden. Der angelegte Unterdruck einer saugenden Zecke kann zum Zusammenfall der Lunge unter gleichzeitigem Platzen der Harnblase führen, eine Folge, vor der viel zu selten gewarnt wird.

Irgendwann zwischen Mittagsstunde und Kaffeezeit (Ampel war nicht dabei, sonst hätten wir schon seit Stunden Rufe nach Salzkartoffeln, Fleisch und Sauce vernehmen müssen) erreichten wir die Klosterruine Boitzenburg, ein Projekt, welches durch das Land seit vielen Jahren gefördert wird. Vielleicht seit Albrecht dem Bären. Ob Ziel der Förderung der Auf- oder Abbau einer Klosteranlage gemeint ist, läßt sich nicht sagen und bleibt auch weiterhin geheim. Die Klostermühle dagegen beherbergt eine Restaurant mit Biergarten und wir werden grandios bewirtet. Selbst der vegane Mäkler in unseren Reihen äußert sich lobend über die Vielfalt auf seinem Teller.

Aus dem Augenwinkel sehen wir eine Mann mit einem interessanten Drahtgeflecht in der Hand. Auf Nachfrage erfahren wir, daß dies eine Waschbärfalle wäre, wir werden demnächst zum Waschbärbraten aus dem Ofen eingeladen.

Eispickel verabschiedet sich, er will den Weg bis nach mit dem Rad fahren und die bisher fehlenden Photostopps nachholen. Er wird kurz nach Einbruch der Dunkelheit Bernau erreichen.

Leider verzichten wir auf hochkalorische Nachspeisen. Oder zum Glück. Jedenfalls ist der Anstieg zum Apollotempel ungemein anstrengend und die Atmung fällt schwer. Vorher gehts noch zwischen zwei dicht beieinander stehenden Bäumen hindurch. Rob und Opi fahren vor mir, beide machen leichte Fahrfehler, ich suche die Ideallinie aus beiden. Dabei stößt mein Lenker gegen einen (oder beide?) Bäume, der Kanal neben dem Weg kommt zu rasch näher doch der Boden rettet mich. Für Teil 1 von „Blut, Schweiß und Tränen“ ist also gesorgt, über Schweiß braucht nicht gesprochen zu werden.

War bisher das Ziel der Tour offen, befiehlt der Oberst demokratisch abgestimmt die Fahrt nach Angermünde. Und auf diesem Weg kommen ihm die Tränen der Wut, unflätige Ausdrücke schreit er in den Forst, lautstark beleidigt er sein Material. Denn ein Schlauch nach dem anderen verliert die Luft an seinem Hinterrad, kein Pneu kann ihm Paroli bieten. Leider hat er das Brandenburgticket in seinem Brustbeutel gesichert, so erheischt er sich Hilfe und entgeht dem drohendem Klappspaten. Oder dem Zurücklassen in „Geschützten Feuchtgebieten von Nationaler Bedeutung“. Ist die Aufschrift auf diesem Schild im Wald von Charlotte Roche oder dem BDM? Egal…

Als ein verwitterter Jagenstein in Fractura ankündigt, daß Angermünde nur noch 11km entfernt sei, bekommt Rob die zweite Luft. Entschlossen kurbelt er neben dem Oberst und ist nicht mehr aufzuhalten. Ein letztes Mal muß Jockel den Schlauch wechseln, fast schon im Stadtgebiet von Angermünde. Rob, Opi und fahren voraus zum Bahnhof und eine Kiste Bier wird gekauft. Nur 20 Minuten später fährt der Zug. Und wie weise die Entscheidung für den frühen Einstieg war, zeigt sich spätestens in Eberswalde, als die ersten Radfahrer auf dem Bahnsteig auf einen späteren Zug vertröstet werden müssen. Wir dagegen erreichen Berlin bei Tageslicht und vergießen noch ein paar Tränen für die, die an dieser Tour nicht teilnehmen konnten oder wollten.

Ein paar weitere Bilder gibt es hier: Klick!
Und dann wären da noch Eispickels durchweg positiven und wunderschön bebilderten Erinnerungen: Klack!

twobeers

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