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Die 2. Huschke-Gedenkfahrt oder 30 Jahre „A Broken Frame“

Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Fast genau auf den Tag vor 30 Jahren erschien „A Broken Frame“ von Depeche Mode. Und vor ziemlich genau 20 Jahren wurde mein Rahmen gebaut, ein Colnago C92. Und gestern war die zweite Huschke-. Schon jetzt wird der interessierte Leser wissen, worauf das hinausläuft, doch bitte ich um Geduld, um chronologisch zu berichten.

Adolf-Huscke-Gedenkausfahrt

Geplante Abfahrtszeit in Oranienburg ist 10:00. Angekündigte Ankunftszeit von Rob (bzw. seines Zuges) ist 10:02. Doch schon um 9:30 berichtet Rifli (alles andere wäre ungewöhnlich), er habe den entscheidenden Zug verpasst und würde erst geschätzt 10:17 in Oranienburg eintreffen. So gab es eine längere Runde auf dem Bahnhofsvorplatz, wo neues und vor allem altes Material bestaunt werden konnte. Doch endlich waren alle da und es ging flott zum Huschke-Denkmal, wo kurz innegehalten wurde. Im Anschluß ging es nach Malz, wo erstmals der Ruf „Pavé“ das Feld zucken ließ. Zwar waren die Regelungen für Punktevergaben vorher nicht geklärt worden, doch die Pavéstücke sollten druckvoll gefahren werden. Und siehe da, erstmals mußte das Werkzeug gezückt werden, ein Flaschenhalter wanderte. Weiter gings ruhig auf Asphalt, bevor in Falkenthal herrliche 4500 Meter mittelalterliches Pflaster geknechtet wurden. Die alte Strasse war gesäumt von Obstbäumen, zwischen den runden Katzenköppen lagen reife Äpfel und Pflaumen. Der Sachse stob vorne raus, hatte er doch schon erste Wertungspunkte gesammelt und befindet sich gerade in der Form seines Lebens. Doch der Geist der Huschke-Fahrt liegt auch darin, die hochmotivierten Sportler auf den Boden der Tatsachen zu holen und dem Wahnwitz des Leichtbaus mahnend Einhalt zu gebieten. So hatte also der Sachse sein aus gutmütigem Wasserrohr gefertigtes Peugeot, bereift mit griffigbreiten Schlauchreifen, zugunsten eines leichten Koga Miyata daheim gelassen. In den schmalen Hinterbau passten nur schmale 28er Drahtreifen (doch auch hierbei mußte das Hinterrad schräg eingespannt werden), ein Radhändler seines Vertrauens hatte imhm für diesen Zweck ein Produkt empfohlen, dessen Werbeparole sich so liest: „Der Unermüdliche. Entdecken Sie mit Michelins Dynamic Classic Drahtreifen Haftung, Leistung und Pannensicherheit im sportiven Look! Der Dynamic ist ein robuster und ausdauernder Reifen für den aktiven und touristisch orientierten Rennradfahrer. Dynamic bietet ein zuverlässiges und attraktives Semislick-Profil sowie eine optimale Allround-Gummimischung für hohe Laufleistung und effektiven Pannenschutz.“ Also mußte ein erster Reparaturstopp eingelegt werden, der Rest wartete am Ende des Pavés, konnten zwischendurch die Bremsgriffe doch nicht erreicht werden. Und wieder wurden Tretlager nachgezogen, Sättel neu geklemmt, Klemmkeile in Kurbeln befestigt.
Adolf-Huscke-Gedenkausfahrt
Und nur 300 glatte Meter später wartete die nächste Prüfung. Wieder über 3000 Meter über altes Pflaster, teilweise nicht mehr zu erkennen und Gras und Sand. Und langsam kam Siggi Staub in Fahrt bzw. sein frisches Ru-Fa hatte jetzt keine losen Verbindungen mehr. So konnte er Wertung für Wertung einfahren, während der zweite Mann im Team Ru-Fa Rennsport Robert Stelzenacker sich in der Folgezeit immer mehr auf sein List verlassen mußte. Ging es in stürmischer Fahrt über die Steine der Vergangenheit und es kam eine Weggabelung, so schrie Stelzenacker „Nach links!“ Und alle glaubten dem diplomierten Erdkundler, während er selbst aus zweiter oder dritter Reihe kommend nach rechts fuhr und uneinholbar weitere Wertungspunkte einfahren konnte. Ja, List und Tücke war im harten Rennsport schon immer so verbreitet wie Strychnin und Reißnägel.

Nach schon sechs Pavéstücken von mehr als 20km Gesamtlänge gab es die erste (und einzige) Bergwertung am Hohen Timpberg (92m) und eine erste Pause auf dem dortigen Bismarckturm. Das Banner flattert unter blauem Himmel im Wind, der Rand der Erdscheibe war zu sehen. Erste Fragen nach einer Einkehr wurden laut, die absolvierten 60km fühlten sich dreistellig an.
Adolf-Huscke-Gedenkausfahrt
Adolf-Huscke-Gedenkausfahrt
Doch es wurde zum Aufbruch geblasen und in Klein Mutz rief die Alte Bahnhofstr. die Mannen wieder zur Ordnung. Gröbstes Pflaster ließ die Muskeln wieder schwellen, gespannte Oberkörper in mittlerweile sackgroßen Wolltrikots beugten sich über den Unterlenker. Doch was hatte der unbarmherzige Ausrichter dort für eine Gemeinheit eingebaut? Nach nur einem Kilometer Pflaster ging der Belag in Sand über. Tief grub sich der Pneu in das für typische Geläuf. Das Vorderrad lief in Richtungen, die der Fahrer nicht vorgab, der Grünstreifen rechts und links war schmal, in der Mitte selten. Und so warf es einen nach dem anderen, hatten sie doch fürs Pavé die Sprintriemen fest angezogen. Nach gut 2000 Metern lauter Flüche („Mörder! Ihr seid alle Mörder!“ gabs nicht nur bei der Tour de France) sammelte sich das staubige Gruppeto für 600 Meter auf der Landstrasse, um danach wieder in den Wald abzubiegen. Doch hier war das Geläuf größtenteils fest, ein typischer Parcour für neumodische Querfeldeinfahrer. Nochmals fast 4 Kilometer, wo jeder nur auf sich gestellt ist. Stelzenacker und Staub machten vorne Tempo, der Rest konnte nur versuchen zu folgen. Auch hier bewährten sich die diamantierten Pneus der Ru-Fas.

Krewelin wurde erreicht und damit wechselten wir vom Löwenberger Land in die Schorfheide. Und erstmals gab es eine lange Schottepiste, die den toscanischen Strade Bianche glich. Nur das Brandenburg ehrliches Grau, mal heller, mal dunkler, als passende Farbe trug. Nach nunmehr deutlich über 40km Pflaster und Naturstrassen meldete sich wieder der Michelin Dynamic Classic Drahtreifen bzw. der darin befindliche Schlauch. Boom lästerte und bekam, als alle losfahren wollten, die Quittung. Ohne ersichtlichen Grund verlies die Luft seinen hinteren Schlauch. Doch es war nicht irgendein Schlauch, nein, eine Schlange in Pink wurde aus dem Mantel gezogen. Boom selbst sprach von der Farbe der italienischen Champions, von Rapha, vom Maglia rosa, der Gazetto dello sport, alle anderen fühlten sich an Dinge erinnert, die mit ehrlichem Radsport nicht zu tun haben.

Die Mittagszeit war weit überschritten, als wir endlich die Labestation erreichten. Zwar war der Landgasthof Krause Wochen vorher über unser Erscheinen informiert worden, doch so ernst nahmen sie die Sache nicht. am Tag vorher sei Dorffest gewesen, weswegen leider nichts nahrhaftes mehr zu bekommen wäre. Eine Mischung aus Bier, Bockwurst, Pommes und Apfelkuchen schützte aber doch vor dem Verhungern, mittlerweile lagen 90km hinter uns und wir weit hinter dem Zeitplan. Egal, der Tag war schön und nach einer guten Stunde gings auf die Pisten der Schorfheide. Von Groß Dölln führt eine Strasse über 8 (acht!) Kilometer am Stück über hundert Jahre alten Belag durch den Wald. Und schon nach kurzer Zeit meldete sich wieder der Michelin Dynamic Classic Drahtreifen, zeitgleich hatte Durchschläge an beiden Rädern. So langsam gingen uns die Schläuche aus und auch die Zeit, waren doch noch mindestens 40km zu fahren. Ich blieb bei Toni, während Mitstreiter mit dem Sachsen versuchte, wieder Anschluß ans Feld zu finden. Vorbei am Lotzin lästerten wir bester Laune über den Kaufwahn von Radsportenthusiasten, die für Anforderungen mit geringsten Unterschieden jeweils anderes Gerät brauchen würden. Wir waren der Meinung, das mit einem stählernen älterer Bauart, bei dem ein Kratzer im Lack eine Narbe aus einem Kampf und nicht einen Makel darstellen würde, quasi alles fahrbar wäre. Kurz nachdem dies Gedanken geäußert waren, fuhr sich mein geliebtes Rad plötzlich komisch. War der Sattel gebrochen? Drehte sich der Lenker im Vorbau? Anhalten, absteigen. Gewissenhafte Untersuchung des ganzen Rades, nichts feststellbar. Aufsitzen, doch fahren geht nicht. Dort, direkt unter der Muffe zum Steuerrohr, war das Unterrohr gerissen. Und nicht etwa langsam und nur etwas sondern komplett durch. Nun denn, noch 3 Kilometer Fußmarsch bis Groß Schönebeck auf dünnen Sohlen mit Klotz in der Mitte.
Adolf-Huscke-Gedenkausfahrt
Das restliche Fahrerfeld wartete am Ende des Pavéstückes und hatte mittlerweile Erkundigungen eingezogen. Der Bahnhof wäre nicht weit weg, der Zug nach fährt 19:14, vorher gibts auch noch eine Einkehr. Weiter auf dem Rad bzw. barfuß schiebend wurde eine letzte Rast gehalten und die Tour nach 110km für beendet erklärt. Die Gastronomie in Brandenburg enttäuschte wie von Rainald Grebe beschrieben. Anders die Privatbahn, die maximal 10 Fahrräder mitnehmen darf und bei 25 Rädern immernoch nicht protestiert. Wir sind froh, daß wir nicht empfindliche Carbonboliden zwischen schwerbeladenen Körbchenrädern stehen haben…

Trotz allen Widrigkeiten war es ein erfüllter Tag, die Aussage „Sollte man öfter machen“ kam von allen. Und der Test für die L'Eroica hat alle Schwachstellen offenbart, auch die Fahrradhalterung für die GoPro hält nicht alles versprochene.

twobeers

13 Kommentare

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  • brandenburg hat eben mehr zu bieten als schnöde teerschlangen oder menschenleere feinstaubstrände ohne wasser.
    @twobeers: danke für das dauerschmunzeln ob des gelungenen berichts !

  • Ich bin schockiert. Entweder hat Ernesto diese Art des Einsatzes versäumt ins Lastenheft einzutragen – oder (es wundert mich, dass Ruf danach hier noch nicht lauthals erschollen ist*) es handelt sich um Sabotage. Unschwer zu erkennen: Glatter Schnitt mit der Eisensäge. (*) Vielleicht hat der Erzähler ja selber das Werkzeug geführt. Gibt ja die dollsten Sachen und seltsamsten Motive im Rennsport…

  • Peter Post lässt gerade für das Team TI-Raleigh mitteilen:

    die groben Unsportlichkeiten der Ru-Famannschaft dürfen so nicht stehenbleiben. Die Wahrheit muß ans Licht!

    Nachdem der TI-Raleighfahrer Peter-PDa-Winnen in einem feuchten Verließ eingekerkert wurde, konnte nur noch Jan-Boom-Raas die Firma vertreten. Dieser Fahrer wurde mehrfach durch den Ru-Faschergen Stelzenacker auf falsche Wege geschickt und somit um die Chance gebracht, um Punkte mitzukämpfen. Im Anschluß wurde der Schreiber Twobeers bestochen. Der verschwieg in seinem Rennbericht den, trotz aller Widrigkeiten, erzielten Achtungserfolg des Teams TI-Raleigh und setze Stelzenacker auf den erkämpften Platz 2.

    Zu guter Letzt war erneute Sabotage im Spiel. (Hier sei an den gebrochenen Vorbau im Juni erinnert!) Die so genannte „rosa Schlange“, einem im Übrigen in Qualität und Fahrverhalten herrausragender Latexschlauch des Teamausrüsters Vittoria, wurde im Basislager der Ru-Faschergen manipuliert um einen Defekt zu provozieren.

    Laßt Gerechtigkeit walten, sanktioniert die Ru-Famannschaft im Sinne eines sportlichen und fairen Wettkampfes! Solch Vorgehen beschmutzt den Radsport und befleckt die wunderbaren Granit- und Schotterpisten der märkischen Heimat.

  • Nachtrag:

    wer eins und eins zusammenzählen kann, wird ein weiteres – von langer Hand geplantes, Komplott erkennen:
    Warum brach der italienische Qualitätsrahmen? Wird der geschädigte Berichterstatter bald auch auf Ru-Fa fahren?
    Die Antworten sind so einfach und liegen auf der Hand.

  • Sabotage? An so was hate ich bisher noch garnicht gedacht! War es die Rache der geschundenen Recken, die sich im Sand wälzten?

    Jedenfalls steht der Chronist derzeit ohne Ausrüster da, mal sehen, welche Angebote eingehen. Vielleicht meldet sich ja ein Hersteller, der sein Material bei den Frühjahrklassikern in Flandern testet.

    • Lieber Twobeers, leuchte mal in den Rahmen hinein. Würde mich nicht wundern, wenn dort unten eine Holzpflock steckt. Mir hat ein alter Recke, der aus verständlichen Gründen nicht genannt werden will, gerade zugeraunt, man hätte das früher immer so gemacht: Genau dort Aufsägen, vorsichtig aufbiegen, Pflock reinfummeln, damit im Eifer der ersten Kilometer erstma nix auffällt, später denn, auf dem Pave, wird der Knüppel weich gedroschen, rutsch nach unten oder fällt im besten Fall heraus und gibt so den „Bruch“ frei. Er hätte schon erlebt, wenn sauber gedrechselte Eiche verwendet wurde, dass damit 300 km und mehr zurückgelegt wurden. Fiel besonders Colnago-Fahrern nicht auf, weil die das merkwürdige Fahrverhalten gewohnt waren.

  • Ich bin sehr stolz darauf in dieser tollen Mannschaft RU-FA Sport fahren zu dürfen. Neben Stelzenacker zu fahren ist es immer eine große Ehre. Schade nur dass Kemper nicht starten konnte. Er lag wohl nach einer Einladung der Ti-Raleigh Schergen mit schwersten Koliken im Bett.
    Fazit der Huscke 2012: Nur Team RU-FA war auf dieses schwere Rennen perfekt vorbereitet. Fast alle anderen Teams und Einzelfahren haben es sträflich unterschätzt und die Quittung sogleich bekommen.

    S. Staub

  • Ho, Ho, Ho
    Auch das Rumpfteam Somec/Continental meldet ’schadenfrei und Spaß dabei‘. Nur das Streckenprofil war einfach zu flach um die Gesamtwertung zu wuppen.

  • Lassen wir doch dieses sentimentale Gequatsche mal hinter uns.

    Rudi Altig sagte einst: „Wir sind Profis und keine Sportler.“ Eigentlich gibt es doch nur eine Frage: Was handelt Peter Post mit dem Ru-Fa Teamchef für einen Preis aus, um für den Tag der Tage, das Rennen der Rennen, eine tragfähige und erfolgreiche Combine zu schmieden. Der Chianti muß brennen, der weiße Schotter glühen! Der italienische Beau soll spüren, dass ehrlicher Radsport nicht nur aus „gut Aussehen“ und Bergauffahren auf babypopoglattem Asphalt besteht. Pflaster, Schotter, Staub, Gegenwind und waghalsige Abfahrten schaffen wahre Helden!

    Mein Portemonnaie ist jedenfalls geöffnet, wir sehen uns am 07.10. Punkt 5 Uhr in Gaiole.

  • Hab ich schon mal gesehen. Ursache könnte ein Lötfehler gewesen sein. Wenn aus Versehen hier länger oder wiederholt die Flamme hinkommt, gibt es eine Versprödung, die u.U. solche Auswirkungen hat. Da kann man gar nichts machen und das kommt nicht von einer (normalen) Belastung.
    Ein Jammer!
    Passiert hoffentlich bei meinem cinelli nicht.

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