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1000 Meter ab PräpelEck


Freitagabend, Didi A. Senftenberg braucht eine Inspiration. Nachdem er die gesamten Tapeten und auch die Makulatur im PräpelEck abgerissen hat, nimmt er noch ein letztes Bier von Bine -die sich in den Feierabend verabschiedet- und geht mit einem Gruß in die Nacht hinaus. Die Glocken leuten gerade, es ist 18:00. Da der Durst noch nicht gestillt ist, wird dem „Zu uns bei Carmen und Frank“ in der Soldiner Strasse ein Besuch abgestattet.

Zwei Handwerker sitzen am Tresen, Carmen röchelt und hustet vor sich hin. Diese Erkältung sei gar keine richtige, schließlich würde sie jetzt schon fast ein Jahr andauern, so sagt sie, während sie an der roten Marlboro zieht und mir ein Schultheiss zapft. Wie schon im PräpelEck läuft auch hier AC-DC aus der Jukebox (von der High Voltage). Heute sei nur wenig los, alle Stammgäste seien beim Herthaspiel. Morgen allerdings hat Carmen auswärts und Frank Heimspiel. Ob Dart oder Skatliga bekomme ich nicht mit. Obs in den Nebenstrassen noch Kneipen geben würde? Kaum noch, aber die Wollank runter gibts noch was.
Also weiter in Restaurant „Am Friedhof“. Dort findet gerade ein Abschied einer Stammbesucherin des örtlichen Hundfrisörs statt, die allerdings nicht verblichen ist, was die Adresse zunächst vermuten läßt. Dafür werden die restlichen Schrippen mit Hackepeter und Seelachs mit Eischeibe verteilt, die Skat-Runde braucht 4 Zigaretten pro Spiel und ich werde für den nächsten Tag zur Weihnachtsfeier eingeladen (Essen umsonst, nur Getränke zahlen). Gemütlich, ich nehme noch ein Schultheiss und ziehe weiter zum Alt-Berliner-Eck.

Was empfängt mich? Eine Jukebox mit AC-DC. Und eine angeregte Diskussion -die sehr einseitig ist- zwischen alter und neuer Wrtin. Die neue hätte mittags die Kneipe nicht aufgemacht, weil sie noch besoffen im Bett lag. Das hätts früher nicht gegeben. Mein angeregtes „Wer saufen kann, kann auch arbeiten!“ wird mit Handschlag, Du und einem Bier quittiert. Außerdem befinden die Anwesenden, daß ich nicht wie ein richtiger Berliner reden würde. „Wo kommsten her?“ „Prenzlauer Berg“ „Ich hab nichts gegen Ossis aber…“ Um der Ansprache zu entgehen flüchte ich zum Dart und spendiere 2 Euro. Der zur Neuwirtin gehörende junge Mann trägt -wie fast alle an diesem Abend- Rolex und kaum Zähne. Seit einer Stunde wirft er Darts auf den Automaten, ohne Geld zu investieren. Jetzt also richtig und mir gelingt das Spiel meines Lebens, daß von den mittlerweile eintreffenden Sportlern der Dartliga wohlwollend verfolgt wird. Bevor ich rekrutiert werde, ziehe ich weiter in den Wollank-Krug.
Wer sitzt dort am Tresen? Bine aus dem PräpelEck, jetzt bei ihrem wohlverdienten Feierabendbier, daß deutlich besser schmeckt als das Bier bei der Arbeit. Mittlerweile habe ich erfahren, daß beide Schänken der gleichen Wirtin gehören. Ich werde gemustert, die Wirtin strafft alles, was nach 30 Jahren Thekendienst noch zu straffen ist, volle Lippen schließen sich lüstern um eine starke Zigarette. Ob alle Jukeboxen im Wedding an einer Datenleitung hängen? Auch hier läuft AC-DC. Und auch hier kostet das 0,3er Schultheiss 1,20 oder so, die kalte Maurerfaust gibts für einen Euro. Bine leert eine solche auch nach einen harten Arbeitstag immernoch mit einem Zug.
Mittlerweile spielt die Berliner Hertha und dieses Ereignis kann man hautnah mit dem Fanclub in der Weinstube auf der Großleinwand verfolgen.
Die Weinstube ist gerammelt voll, obs wirklich auch Wein gibt vermag ich nicht zu sagen. Aber das Schultheiss ist kalt und lecker, alle auch nur halbwegs angetrunkenen Gäste könnten nach eigener Aussage besser spielen und schneller rennen und richtiger pfeifen als die Protagonisten auf der Leinwand. Kurz vor Spielende verlasse ich die Weinstube und kehre kurze Zeit später in die Eiche ein, wo mir der Sieg der Schalker bestätigt wird.
Noch ist nicht Mitternacht, also muß jetzt ein Espresso her. Im Estillo bekomme ich diesen und lerne einen Singer/Songwriter kennen, der gerade von seiner Frau verlassen wurde, in 2 Stunden sechs(!) grandiose Songs getextet hat (das Ablesen seiner eigenen Schrift fällt aber schon schwer). Er möchte in absehbarer Zukunft nach Los angeles gehen, um dort von seiner Musik zu leben, erzählt er mir beim zweiten Schnaps.

Ein grandioser Abend, wo ich die Berliner Kneipe, wie sie in Reiseführern beschrieben wird, erleben durfte. Zusammen mit Rentnerpaaren beim Plausch, Handwerkern beim Feierabendbier, Skatrunden, Stammtischen, lautstarkem Einmischen in die Gespräche am Nachbartisch. Und das alles auf einem Kilometer.

twobeers

13 Kommentare

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  • Cooler Lokaischen-Check, twobeers! Wenn ich mal nicht weiss wo’s im Wedding hin gehen soll, werde ich auf diesen Eintrag zurückgreifen!
    Eine Frage habe ich noch: Was ist eine „kalte Maurerfaust“?
    Auch die Tante-G wollte mir keine eindeutige Antwort liefern! Bitte um Aufklärung!

  • Bis auf das Präpel-Eck, wo wir in feiner Runde schon einmal beisammen saßen, und das von unfähigen Studentinnen der Politikwissenschaften be-service-te Estillo kenne ich die schmucken Schankstuben ja gar nicht. Und das nur etwas mehr als einen Kilometer von meiner Haustüre entfernt? Twobeers, das sollten wir ändern!

    • Aber gerne. Ist auch nicht teuer. Ich sag mal fürs gleiche Geld die 3-4fache Menge, dafür deutlich leckerer und in besserer Gesellschaft als am Hackeschen Markt…

      Twobeers

      • für das gleiche geld mehr trinken mag ich. der nächste sfdw geht in den wollankkiez!

        eine sehr schöne runde, tenbeers! deine kneipensozialkompetenz (und stimme) hätte ich ja gerne :]

  • Besonders geil die Fotodokumtation wird zum Schluss im nebulöser, als wären die Bilder direkt von der Iris des Kneipengängers abgenommen.
    Twobeers, dank dir werden diese Eckpinten vom Friedrichshainer und Prenzlberger Yuppitouristen jetzt wahrscheinlich wahrgenommen und langsam aber sicher aussterben.
    Wir tun dieser Spezies keinen Gefallen, dort einen SfdW abzuhalten. Die Sogwirkung die wir damit auslösen könnten, können wir heute noch gar nicht abschätzen….

  • …als krönender Abschluss fehlt bei dieser Tour eigentlich nur noch „Beim Dicken“, Grüntaler, Ecke Bellermann. Hat 24 Stunden offen und lässt keinen Wunsch unerfüllt.
    Wer es dann ein bisschen szeniger mag ist im F, Grüntaler Richtung Badstrasse besser aufgehoben…

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