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Hamburg -Berlin 2011 „Kein Plan oder was?“

„Sach mal, tut das Not, daß das Rad hier so rumoxidiert?“
„Wieso?“
„Alter, wenn du das weiter so hängen läßt, holst du dir noch Karbongwürmer!“
„Haste nen Plan?“
„Nee, dafür aber auch kein Konzept.“
„Laß uns mal nach Hamburch fahrn und richtich abschädeln!“
„Au ja!“

So oder so ähnlich nahm das diesjährige Abenteuer seinen Anfang. Damit sich nicht das Unglück vom Vorjahr wiederholt („ kaputt“), wurde genug Bier gekauft und auf mehrere Taschen verteilt. Außerdem mußte auch noch die Schlaflosigkeit bekämpft werden, das geschieht am besten mit einem durchgelotterten Vorabend und Stützbier am Mittag. Also, nur eine knappe halbe Stunde Verspätung des Zuges, das Abteil ist voll mit Rädern und gestählter Konkurrenz als wir die ersten Korken knallen lassen. Unsichere und neidische Blicke ringsum, wir erhöhen die Schlagzahl stetig. Die Fitfucker können das Spektakel nicht mehr aushalten und steigen in Büchen aus, um den Rest mit dem Rad zu fahren. Wir gehen zur Bierbar im Hamburger Hauptbahnhof. Dort steht Christian und nimmt uns mit zum Griechen an der Ecke. Jede Menge Ouzo und Bier später sind wir bereit für die Nacht und sinken mit einem letzten Bier in der Hand auf die gastfreundlichen Lager des Hamburger Außenpostens.

Nichtmal fünf Stunden später ist das pelzige Gefühl auf der Zunge kaum noch auszuhalten. Schrecklicher Nachdurst, gepaart mit Unwohlsein und Orientierungslosigkeit macht sich breit. Mechanisch wird die Rennkluft angelegt und ein erster Café genommen. Und kurze Zeit später ist der wirklich tolle Taxfahrer da, der gerne vier Leute mit Gepäck und Rädern mitnimmt. Leider müssen drei entgegen der Fahrrichtung sitzen, ich entere den Vordersitz und muß lange 30min die Geschichten des Kutschers ertragen. Die Übelkeit im Fond ist greifbar…Der Taxifahrer verpasst die Abfahrt Altengamme und wendet auf der autobahngleichen Bundesstrasse. Auch er hat wohl weder Plan noch Konzept.

Altengamme am Morgen. Der Deich ist bereift und uns ist kalt. Warme Betten und dann nachher zum Frühschoppen und mit dem Zug nach scheinen attraktive Möglichkeiten zur Gestaltung des Tages. Doch wir werden vom fröhlich aufgeregten Garminschorsch empfangen.
„Und wie ist euer Plan?“
„Ich hab kein Plan. Und ein Konzept fehlt uns auch…“

Das wirklich liebevoll aufgebaute Buffet kann uns nicht wirklich locken. Ein Rundstück wird im Mund immer größer, Schluckbeschwerden und Übelkeit. Erstmal aufs Klo. Nochmal. Und nochmal. Noch ein Rundstück, auch nicht besser. Start.

Zeitfahren Hamburg – Berlin 15.10.2011
– Berlin 15.10.2011

Der Horizont zeigt um 7:00 einen ersten Schimmer, Sterne sind zu sehen, die Kälte ist klirrend. Blinklichter am Horizont weisen den Weg. Die ersten haben nichtmal 100m nach dem Start eine erste Panne. Die Auffahrt zur Bundesstrasse über die Elbe wird verfehlt, wir haben einfach keinen Plan, dafür fehlt uns aber ein Konzept.

Offensichtlich fahren wir falsch, denn wir überholen keinen und werden auch nicht eingeholt. Nach 20km sind wir uns sicher, daß wir am Deich lang müssen. Leider gibt es hier mehrere, was wieder zu Verwirrung führt. Der elektronische Wegweiser hilft nicht wirklich weiter. „Das Display ist beschlagen. Meine Brille. Ich kann nichts erkennen.“ „Hast Du nen Plan?“ „Nee, aber auch kein Konzept mehr.“

Wieder auf der richtiger Strecke beklagt einen Schleicher. Mit Engelsgeduld genießen wir die Pause und bewundern die vorbeirauschenden Gruppen, in deren Windschatten wir einen schönen Tag haben könnten. Janibal fährt vorbei, er ist knapp 20 Minuten nach uns gestartet. Endlich sind auch wir wieder auf dem Rad.

Erste Gedanken gehen mechanisch durch das vernebelte Gehirn, auch über der Umgebung liegt dichter Nebel, auf Brille, Handschuhen, Flaschen ist Eis. Die Gadanken gehen um eine Sache – wenn wir jetzt alles geben, können wir eine der großen Gruppen einholen? Oder gemäßigt bis Dömitz fahren, kurze Pause und dann in eine der dortigen Gruppen? Hitzacker, die Wellen. Am Horizont eine Gruppe. Jetzt auf den Auflieger und 10 Minuten Kotzgrenze – naja, kaum ein Unterschied zu vorher. Wir erreichen Jannibal und genießen die kommode Fahrt im Windschatten. Die folgenden Wellen machen den Unterschied zwischen den Randonneuren und uns deutlich. Wir drücken die Wellen hoch, sie runter.

„Sach mal Jannibal, hast Du nen Plan?“
„Ja nee, wir wollen die B5, ist 10km kürzer.“

Klingt ja aufregend. Erstmal Pause in Dömitz. Kinderpunsch und Tee ist schon aus. Gut, dann eben kaltes Wasser und eine erste Stulle. Wir treffen Darki.

Wieder aufs Rad, hier gabs letztes Jahr in der Unruhe nach der Pause einen . Dann lieber ungefährdet vorne fahren. Und siehe da, plötzlich wieder Geschrei und Gekrache, Blut, Krankenwagen. Der verunfallte Angelo gehört zu Jannibal, Helfer sind genug dabei, wir sind wieder zu viert. „Hat jemand nen Plan oder ein Konzept?“

Wir fahren Darki wieder auf, fahren etwas zusammen, unsere Strecken trennen sich. Wir Strasse, er aufm Deich. Ein Stunde später ist er wieder vor uns, aufm Deich ist also kürzer.

Wittenberge. „Lass ma Tass Kaff trinken.“ „Hier?“ „Ich muss kacken…“
Das Café fristet seit Jahren ein trostloses Schattendasein. Die Wirtin bäckt Unmengen Kuchen, den sie nicht verkauft bekommt und dafür selber isst. Der erste verschwindet für längere Zeit auf dem Klo, der Espresso macchiato („Mit Kaffeesahne?“ „Dann lieber einfach mit Milch.“) ist nicht so gut wie die heiße Schokolade, Toni bekommt sein Stück Kuchen nicht runter. Der zweite aufs Klo, dann der dritte, dann wieder der erste. Mittagszeit, wir fahren wieder durch die Po-Ebene Brandenburgs.

Zeitfahren Hamburg – Berlin 15.10.2011
Zeitfahren Hamburg – Berlin 15.10.2011

Irgendwo vor Havelberg hängt sich ein Einzelstarter mit Bikekult-Trikot bei uns rein. Zipps, vorne 808, hinten 1080 sprechen eine deutlcihe Sprache, wir erwarten Mitarbeit. Und er spornt uns richtig an. Drei Kurbelumdrehungen und rollen lassen, drei Kurbelumdrehungen und wieder rollen lassen. Das laute Geknatter des Freilaufs raubt uns binnen kurzer Zeit den letzten Nerv. Dafür steht seine Frau alle 2 km am Wegesrand, um ihn zu photographieren. Als wir seine Route verlassen, muß er sie anrufen, damit sie sich neu aufstellen kann. Wir treffen wieder auf Darki und fahren zusammen. Eigentlich wollen wir das bis zum Ziel durchhalten, doch er will eine Geländeeinlage machen und Weg sparen.

In Nauen haben wir einen Plan, aber das Konzept fehlt. Man merkt es daran, daß wieder wieder nach Nordwest fahren. Nach gut 4km taugen die Erklärungen nicht mehr, wir bemühen wieder die elektronischen Weggefährten. „Ja nee, wieder zurück, na gut, denn mal los.“ Die Sonne steht schon ziemlich dicht überm Horizont.

Kurz vor Falkensee haben wir die liebgewordenen Autofahrer wieder. Wie haben wir sie den ganzen Tag vermisst….

Gatow. Der Bikeliner fragt, wie weit es noch bis zum Ziel wäre. „Ja nee, kein Plan, aber muß gleich sein.“ Er strahlt vorne raus und kommt als grandioser Einzelfahrer ins Ziel. Wir lassen ausrollen, Rob steht im Ziel, Darki ist auch schon da.

Angelo (der Verunfallte) liegt im Krankenhaus, viele Stiche im Gesicht, Kiefer wohl auch kaputt. Gute Besserung auf diesem Weg! So schnell kann ein schöner Tag enden.

Wir rufen Staubi an, duschen, trockene Sachen, eine nette Schaffnerin ignoriert unsere fehlenden Fahrscheine bis Zoo, wir sitzen im Schleusenkrug. Ein paar halbe später ist die Welt wieder in Ordnung.

Fazit: bei gutem Wetter braucht man länger, dafür hat man weniger zu berichten. Und jeder sollte einen Geographen dabeihaben.

twobeers

12 Kommentare

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  • Ich werde das mit dem Geografen im Abendstudium noch nachholen!

    Das Rasseln des Freilaufs noch immer im Gehörgang, den modrigen Herbstduft des Deiches noch in der Nase, durch deinen Bericht ein Lachen im Gesicht, freue ich mich auf die nächsten zwei Bier.

    Gruß an alle die dabei waren, gute Besserung Angelo!

  • Habe mir erlaubt eine Fotolink von eurem Start einzufügen, ich hoffe es gefällt, ansonsten wieder löschen.

    Ja, war wirklich lustig mit Euch 😉 Ich hoffe die Leute lesen erst Deinen und dann meinen Artikel, so wird nen Schuh draus.

  • Habe herrlich gelacht über den Bericht. Ihr seid ne euch lustige Bande.

    Gruß an alle Eisenschweine und macht weiter so. Vielleicht ergibt es sich mal, was Schräges zusammen zu starten.

    Dirk (vom Vorabend beim Griechen in HH)

    p.s. den nervigen knatternden Einzelstarter kenne ich zufällig persönlich und werde ihn mal zwecks Lärmreduzierung ansprechen.

  • Klasse: Ihr wart zwar wohl die größte Chaotentruppe der Berliner Starter, dafür liest sich euer Bericht wirklich amüsant. Wie gut, dass ihr keinen Plan hattet!
    Nur das mit dem Carboloading solltet ihr nochmal nachlesen. Die Getreideprodukte sollten vorab soweit ich weiß in festerer Form eingenommen werden 😉

  • Da lässt man euch einmal alleine, und was kommt dabei raus, ne Menge Spass wie ich feststellen muß.
    Es war mir eine Freude euch beherbergen zu dürfen.

    Nächstes Jahr aber nur bei schlechtem Wetter bin ich auch wieder mit dabei, denn „da braucht man nicht so lange“.

    Gruß

  • Hallo Christianhh,

    der Flaschenhalter war von Dir oder? Vielen Dank! Ich bräuchte mal Deine postalische Adresse zwecks Rücksendung. Darki kann Dir bestimmt meine private email geben, dann muß ich die hier nicht posten.

    Gruss

  • Bitte bitte NIC du kannst dem Darki sagen das er im Kontaktbereich gucken kann zwecks meiner email dann kannst du mir eine email schicken und dann schick ich dir meine Adresse zu.

    Bis dahin.

  • Übrigens Dirk aus Hamburg hat mit dem gesprochen der hinter euch her Geknattert ist, der kommt wohl aus seiner Heimat. Der sagt das der mit dem 5 Tagebart den fittesten Eindruck auf ihn gemacht hat und einer aus euerm Team ganz schön in den Seilen hing (als ob „die Knatter“ das beorteilen könnte) der ist doch echt beknattert.

    Ich denke mal der fährt eh nächstes Jahr mit Scheibe, schade eigentlich sonst hätte ich ihm einen Ast zwischen die Speichen gesteckt (dann hätte es sich ausgeknattert).

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