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L’Eroica – Tag 2

Boverhannes schreibt folgendes:

Alte Traditionen muß man pflegen, also den Zimmerkollegen geweckt und zur Morgendämmerung aus den Federn. Frische Luft , dem Städter nach unbekannten Düften riechend, kitzeln die Nase auf dem Weg zum Mittelpunkt des Ortes: der Marktplatz. Alte Häuser stehen im Rund um einen kleinen, plätschernden Brunnen. Auf der Stirnseite das Gotteshaus. Zentrum. Hier ist die historisch bedingte und gewachsene Macht zuhause.
Wir stehen an der Theke der Wirtschaft, genießen unseren Cafe doppio. Die zwei Damen jenseits des Tresens sind schon jetzt sehr beschäftigt, gestikulieren.Laute, für mich unverständliche Worte werden eher gerufen als gesprochen. Schön wenn man Urlaub hat und genießen kann.
`Das ist nicht fahrbar` . Der Blick, des von uns nach dem Weg gefragten Einheimischen mit Breitreifenrad, geht ungläubig entlang unserer schmal bereiften Stahlräder.



Eher ein bemitleidender Gesichtsausdruck huscht über sein Gesicht, wohl denkend: ich schaffe das schon fast nicht mit meinem Rad, was wollt Ihr dann auf dem folgenden Weg? Wir lassen uns von unserem Vorhaben nicht abbringen und animieren unserem neuen Freund vorauszufahren. Es geht durch einen kleinen Wald, der Feldweg ist prima und als wir auf einer Asphaltstraße auf ihn warten und uns des Weges versichern wollen, trennen sich auch schon wieder unsere Wege. Mit Dank und Gruß nehmen die sechs Männer aus wieder Fahrt auf Richtung Mendola Pass. Selbst ein Radladen kann den Zug nicht aufhaltenund nach ein paar gefälligen Kehren eröffnet sich ein erster herrlicher Blick auf das gerade verlassene Etschtal. Da, dort unten der Kalterersee, weiter östlich ein paar Türme: der westliche Anfang der Dolomiten. Wir plaudern und, husch, kommt der ´Colnagofahrer´ vorbei gezogen. Im Sog der ´Behaarte´. Was haben die vor? Der Anstieg erst am Beginn und schon wird gezogen, daß die Hörner sich biegen.
Es ist schon richtig warm. Ich meine wirklich warm. Wenn ich nicht wüßte, daß es Ende September ist, würde ich auf Hochsommer tippen. Der Schweiß läuft selbst bei wenig Anstrengung schon in bedeutenden Mengen am Schirm der Mütze entlang bis zum Scheitelpunkt ebendieser, um dann, sich sammelnd, in Tropfen abzufallen. Aus vereinzelnden Tropfen werden immer mehr…
Am Pass sehe ich und in seinem Schlepptau Herrn Staub, konzentriert und mit Angst machender Geschwindigkeit, die letzten Meter hochdrückend. Was haben die genommen frage ich mich? Heimlich schon einen Vino Rosso gekostet?

Nach ein paar Minuten kommt in großer Eintracht das Team Raleigh hoch gerollt. Erste Erfahrungen am Berg mit dem alten Stahlgeröhr werden bei Cafe und keinem Kuchen ausgetauscht. Wir könnten so den ganzen Tag verbringen. Und als wir gerade wieder los rollern wollen, machen uns ein paar Fahrer auf eine schöne, kurze Strecke aufmerksam. Den Aussichtsgipfel `Penegal`.

Rifli wollte schon runter fahren und auf uns warten. Also noch zu fünft und schon sind wir drin im Anstieg. Geht gut zur Sache, bei 42/26 und doppelstelligen Prozentwerten im Schnitt können auch knappe vier Kilometer einem den Zahn ziehen. Im gefühlt steilsten Stück weiß ich nicht mehr wie ich die Kurbel noch weiter in einem Tempo drücken soll, daß ich nicht umfalle. Wie haben die das nur vor 30 oder so Jahren gemacht? Lauter Fragezeichen zwischen den Ohren! Das was dort noch funktioniert läßt mich den Gedanken fassen, eine Photopause einzulegen. Einer muß dieses epische Phase unseres Unternehmens ja schließlich auf Speicherchip festhalten. HiHi, guter Plan, doch wie komme ich aus den Pedalen, wie kann ich ohne in Slowmotion umzufallen, die Riemen lösen? Bis es geschafft ist, legt sich der Anstieg wieder ganz leicht. Ich schnaufe wie ein schwer ackerndes Pferd, nur der Brauführer, welcher in kurzem Abstand an mir vorbeifährt, übertönt mein Gestöhne noch. Bei den Anderen ist es auch nicht besser. Jeder kämpft seinen eigenen Kampf. Ich muß erst wieder 200m runterrollen, um in die Pedale zu kommen. Und dann noch die Riemen zuziehen. Toll, nochmal diese Rampe! Als ich an unseren `Reiseleiter´ auffahre, will der nur noch umkehren. Respekt, so kurz vor dem Gipfel. Jetzt wird´s flacher und Staubi und sehe ich mit der nächsten Rampe kämpfen. Staubi fährt wie besoffen: Schlangenlinie. Pedda stilvoll und gleichmäßig. Der Brauführer stellt gerade sein Rad ab als ich ankomme und wir genießen zusammen den herrlichen Blick in das tiefliegende Etschtal bis hinüber zu den Dolomiten. Gen Westen der Jaufen und das Timmelsjoch. Am Horizont die Wildspitze, Tirols höchster Berg.
Die Abfahrt: die Bremshebel werden immer weiter durchgezogen, sie stoßen schon an den Lenker und die Bremswirkung ist eher suboptimal. Hm, daß ist schlecht. Also laufen lassen. Dieses Vergnügen hält nicht lange an, irgenwas stimmt nicht. Das Hinterrad eiert. Prima und das auf der ersten Abfahrt im Gebirge. Ich bekomme feuchte Hände, wenn jetzt…..oh ne bloß nicht an sowas denken. Weiter. Boom fragt sich schon wie ich hier abfahre, haste Schiss? Aber hallo!
Am verabredeten Treffpunkt ist kein `Behaarter` zu sehen. Versuche ihn über zeitgemäße Telkommunikationsmittel zu erreichen schlagen fehl. Ist er in einer Kurve einfach geradeaus in den Wald und liegt jetzt da? Oder wollte er nur mal schnell zum Barbier? Fragen die wir uns in einem Restorante am Kalterer See, in dem schon Sophia Loren dinierte, bei eher mageren Tagliatella und noch schlechterem Ragout, lieber nicht bis zur Konsequenz denken. Erleichterung als ich Rifli dann erreiche….

Den Rückweg in unsere wunderbare Unterkunft durch voll behangene Rebberge genießen wir mit sporadischen Halts um die Qualität der verschiedenen Rebsortenm zu testen. Zuckerwasser pur und im Überfluß.
Die Blicke schweifen über das Land hinauf auf unser Tagesziel und wieder zurück.Gekrönt durch eine Vesper mit reichlich lokalen Spezialitäten und besonders viel Traubensaft…und einigen Absackern in der Dorfkneipe. Aber das wäre wieder eine eigene Geschichte….
Der nächste Tag kann kommen!

twobeers

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