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„Vive La France!“ – Der ESK erweist der Grande Nation die Ehre


13. Juli, Cannes. Wir betrachten erstaunt dekadentes Geschmeiss in teuren Limousinen oder Yachten, welche in der Größe kaum von den Kreuzfahrtschiffen zu unterscheiden sind. Der Himmel verdunkelt sich, es grollen Donner in der Ferne. Über den Bergen dräut Furchtbares. Ein Unwetter lässt uns in Sekunden komplett durchweichen und Straßen im Nichts versinken.

Nein, nicht furchtbares, reinigende Katharsis. Es muss geputzt werden, denn morgen:

14. Juli – Nationalfeiertag; Grasse; 0600 Uhr Aufstehen!

Vive la France!

Um sieben Uhr rasten Schuhe in Pedale und es geht in die Berge. Berge! Naja, die Alpes Maritimes, besseres Mittelgebirge. Aber immer schön von Meereshöhe aufwärts. Mit dem Grenouille im Kopf erklimme ich die steilen Straßen von Grasse in Richtung Himmel, immer Enfleurage, Mazerazion und solch Zeug in den Gedanken. Der Gallier in Gestalt von Gendarmen richtet die Stadt mit Flaggen und Blumenschmuck her, aber irgendetwas fehlt. Ahja, die Trillerpfeife! Louis de Funès als Polizist hatte immer eine solche im Munde und wies damit delinquente Personen zurecht. Heutzutage wird aber alles in Ruhe und Gelassenheit geregelt.

Die Kette wandert bedrohlich in Richtung Speichen, es stehen aber erst zehn Kilometer und über 400 auf dem Tacho. Die Straße zeigt zum Himmel, wie soll das enden? Es folgen zahlreiche Kreisverkehre, ja der Franzose liebt sie. An den Vorwegweisern Orte, welche selbstredend nicht auf meinem Spickzettel stehen und welche, natürlich, nicht mehr auf der Regionalkarte eingezeichnet sind. Aber man kann ja ein paar Runden drehen und mal richtig überlegen. Nach Links und somit Westen, kann ja nur richtig sein. Also die dritte Ausfahrt. Alsbald endet des ewige Grasse und Ruhe kehrt ein. Es geht stetig bergan. Kaum (oder für die hiesigen Verhältnisse kein) Verkehr. Die Straße windet sich bergan, das Herz klopft und zur Linken blinkt das Mittelmeer.

Irgendwann ein grandioser Ausblick. Der Col du Pilon, schön hat der Napoléon seine Straße hier bauen lassen. Aber keine Zeit, ich muss ja pünktlich zurück sein. Karger wird die Landschaft und die Temperaturen erreichen Regionen, welche schon Anwälte und Geltendmachung abrufbar machen. 16°C, Cote d‘ Azur, das kann doch nicht sein! Einfach mal ein Ritzel kleiner schalten, Tempo anziehen, dann wird das schon mit der Temperatur.

Der französische Cyclismo benötigt dringendst einen Tourgewinner aus den eigenen Reihen, nur alte Zausel auf Rädern unterwegs, welche bei uns als Super-Retroscheiss für viel Geld weggehen würden. Allez, les Bleus!

Col de Ferrier

St-Vallier-de-Thiey, auch hier wird sich auf La Grande Fête vorbereitet. Hier wird die Straße des zwergenhafte Feldherren verlassen und auf eine kleine Nebenstraße abgebogen, welche direkt zum Col de Ferrier und dem Col de la Seine führt, bzw. diese als solche ist. An einer Weggabelung muss ich meine Karte zu Rate ziehen und werde durch ein unglaubliches Carbongeröhr gestört. Ein Herr auf einem Kuota-Zeitfahrrad in Komplettausrüstung (Mavic-Scheibe hinten, Hochprofilkarbon vorne) fährt im Wiegetritt nach oben. Der Weg wird gefunden und wenig später der deplatzierte Materialfetischist passiert. Schön! Die Straße führt um die Montagne de l'Audibergue herum und eröffnet einen grandiosen Ausblick auf das Val du Loup mit unglaublich steilen Felswänden. Kletterfreunde werden hier ihre Freude haben. Eine kleine Abfahrt zum Loup und ich muss mich entscheiden, Gréoliers-les-Neiges und somit (vermutlich) hässliche Skistation oder zum Col de Bleine. Letzterer auf der Karte phantastisch gewunden wie ein Darm und mit einer Höhenangabe versehen. Die Wahl fällt somit nicht schwer.

Gegen Zehn wird die Straße zunehmend von jüngeren Radsportlern bevölkert. Die Hälfte scheint in keinster Weise mit irgendwelchen Stylevorschriften aus deutschen Foren vertraut zu sein . Ärmellose Trikots und Trinkrucksäcke (das Warum wird mir später noch klar werden) lassen einen erstaunt zurück. Der Anteil an teurem und modernem Material wird allerdings größer.

Der Col de Bleine ist ein kleines Sträßchen welches sich mit 12% durch einen Wald in die Höhe windet. Zisternen mit Inhaltsangaben in Kubikmetern mit Hydranten davor weisen auf die Waldbrände der Vergangenheit hin. Hmm Zisterne, Wasser, Trinkflaschen! Die sind fast leer. Das letzte bewohnte Haus habe ich in St-Vallier-de-Thiey wahrgenommen. Quellen gibt es hier nicht. Deshalb also die Trinkblasen auf dem Rücken.

Am Col de Bleine mit seinen 1439 Metern geht ein asphaltierter Weg gen Himmel ab, Pic de l'Aigle steht auf dem Wegweiser. Der Berg ist da zu Ende, wo der Asphalt aufhört, da muss ich hin! Der Asphalt ist leider nicht mehr durchgängig schön, so dass ich Slalom zwischen den Aufbrüchen und Schotterpassagen fahren muss. Bei 20% nicht wirklich schön. Der Quadrizeps brennt. Allez le Noir! 1620 Meter über dem Meeresspiegel und somit 1460 höher beim Start am Ferienhaus bietet sich ein erneut brillanter Ausblick über die Alpes Maritimes.

Vélo en Lavande

Fotos machen, Riegel essen und dann in die Abfahrt. Auf den ersten Kilometern eine Mischung aus - und tschechischen Bergstraßen. Also Reminiszenz an Breitreifen! Danach Abfahrt! Adrenalin und Freude paaren sich zu einer Mischung aus Übermut und Aberwitz. Aber: die Flaschen sind leer und am Aufstieg stand irgendetwas von „La Buvette“ und „Attention la Chien!“ – da gibt es vielleicht Wasser. Ja! 0,5CL für unschlagbare 100 Eurocent. Egal, so bald wird kein Wasserdealer mehr erscheinen. Laut elektronischem Lenkertachometer sind auf dem Rückweg nur 260 HM zu erklimmen aber 1600 bergab zu fahren. Selbst morschen und untrainierten Beinen ist dies ein Vergnügen auf den fünfzig Kilometern. Der Asphalt ist klasse, die Straßen sind leer und Ansiedlungen gibt es nicht, also kann man es schön rollen lassen. Mittreten geht leider bei 50/12 nicht so gut.

Kurz vor dem heimischen Feriengelaß wird noch ein Boulanger angesteuert und frisches Baguette und Croissants für meine Damen besorgt.

So soll Urlaub sein, so soll Frankreich sein!

Allez les Noirs!

6 Kommentare

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  • Sehr schöner Bericht! Etwas neidvoll bin ich schon, da sich dieses Frankreich irgendwie total stylisch und klassisch anhört. Irgendwie möchte ich da auch mal radeln. Hm… v.d.m.

  • Allez moi Boumme! Feine Impressionen. Sag nicht, dass Du nur einziges Mal auf dem Rad warst, während der Tross der Berufsradfahrer ihre Kreise im selben Lande zogen.

    • Mon Ami Acké,

      nein vereinbart waren zwei Ausfahrten am Vormittag. Die 2. fünf Tage später wäre für einen Bericht sogar besser geeignet: Ab 1000 Meter ü.M. 8° und einsetzender Regen. Außer Arm-, Beinlingen (in letzter Sekunde noch eingepackt) und Miniwindweste nix dabei, deshalb nach 50 Km vorzeitig auf selber Strecke zurück.
      Oberhalb von Grasse dann Starkregen, so daß ich im felgentiefen Wasser links am Stau vorbei bei 8% Gefälle durch Grasse rutschte. Von dosiertem Bremsen war nicht zu reden, entweder tat sich nix oder die Räder blockierten. Kein wirklicher Spaß.

      Aber die Tour im französischen TV zu verfolgen und am nächsten Morgen die Lèquipe zu „lesen“ ist schon ein besonderes Vergnügen.

  • Très belle région! Je suis allé sur la route Napoleon l’été dernier. Malheureusement, sans mon velo. J’ai visité les parfumeries dans la ville Grasse.

    Salut,
    Jean Baptiste G.

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