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22 + X : 2

An einem denkwürdigen Tag im Juni des Jahres 2008 folge ich dem Ruf eines einsamen Messias in die große Stadt. Es galt der Übermacht der 22+X etwas entgegen zu setzen und der Jugend, die später vielleicht einmal von unseren Heldentaten erfahren wird, ein leuchtendes Vorbild zu sein. Um den wahren Weg der Körperertüchtigung schreiten zu können, hatte ich zudem den Einspänner gewählt. Denn ich wußte, irgendwann wird der Eine vergessen, was er einmal versprach und gehetzt werde ich ihm in gehörigem Abstand folgen, seinen Schweif immer nur gerade so am Horizont erkennend.

Die Route unserer Wallfahrt ist schnell erzählt. Wir starten in den heute dicht besiedelten Hügeln nordöstlich des Zentrums der Stadt und durcheilen raschen Schrittes die südwestlich anschließenden Regionen. Entlang eines großen künstlichen Wasserweges üben wir das Runden von sich bewegenden Slalomobjekten, den nach kleinen Friedfischen benannten See passieren wir nördlich und üben dann rund um die großen Festwiesen das Suchen von kaum erkennbaren Wegen und das Ausweichen vor hinterhältigem Dornenstrauch.

Mitten im Unterholz treffen wir auf eine Horde langhubig bewaffneter „Rülps-“ und „plopp-„Zweiradler in ihrem Paradies. Wir scheuchen sie auf und fordern sie zum Wettkampf heraus. Uns wird aber sofort klar, daß uns dieser Nebenschauplatz nur vom wesentlichen abhalten wird und so ziehen wir weiter, noch ehe die Jungs uns deutlich machen, daß sie uns nicht wirklich willkommen heißen wollen.

Weiter geht es durch die schnurgeraden und doch verwinkelten Gassen der KGA Flugläm e.V. bzw. „Vor den Toren der Stadt“. Eines der Highlights der bisherigen bildet jedoch der Abschnitt durch das 4-Meter-Spalier aus Zaun, auf das jeden Augenblick ein Flugvogel fallen könnte, während von links scharf geschossen wird. Schließlich ist Wald erreicht. Naja kein richtiger urwüchsiger, aber immerhin stehen eine Menge Bäume herum und es ist kein Mensch zu sehen. Noch dazu entdecken wir mitten in diesem Wald einen Berg.

Den ersten Blitz und Donner erleben wir, als wir an dem See, der nicht viel mehr als eine Ausstülpung der Reste eines mächtigen Stromes ist, einem Schauer durch schnelles Fahren entfliehen. Wir denken zunächst an Donnergrollen des heraufziehenden Unwetters. Merken aber schnell, daß die Wolken nur durch die fortgerückte Stunde so schwarz erschienen. Also weiter! Denn nach Norden soll es gehen, immer weiter nach Norden ins Zentrum der sagenumwobenen Bergwälder am Rande der großen Stadt. Wo sich unerfahrenes Volk gerne einmal in den Tiefen des Waldes verliert und nicht mehr wiedergefunden wird.

Es schien dann auch, dass der Eine versuchte, mich soweit zu verwirren, wie diese armen Seelen. Denn es ging kreuz und quer auf kleinen Wegen und erneut kaum auszumachenden Pfaden durch das Unterholz. Das eine oder andere mal schien es sogar, als würde sich genau für diesen Einen eine kleine Schneise öffnen, die sich nach ihm wieder verschließt. Denn zu oft mußte ich ihm mühsam durch dichtes Gestrüpp folgen. Irgendwann scheint aber auch der Eine sich vertan zu haben, denn über den höchsten Berg Reinickendorfs treibt er mich zwei mal! Oder war es nur eine Probe meines Orientierungssinns oder meiner Loyalität?

Dann erneutes Ballern und Knallen, wieder scheint etwas zerborsten zu sein oder ein neues Unwetter zieht auf. Oder war es ein Warnschuß versprengter Grenzschützer? Denn kurz darauf passieren wir tiefen Sand, der die Grenze zu den legendären Ostregionen bildet. Der Sand, der feiner als der feinste Sand an den Gestaden des baltischen Meeres ist, erinnert an die Geschichte der Region, die mit der letzten Eiszeit begann. Uns versperrt er jedoch den Weg und nur mit viel Schwung rutschen wir hindurch.

Der Ausflug in den lichten Osten dauert allerdings nur kurz. Denn es soll noch einmal zurück in den immer tiefer und dunkler werdenden Bergwald hinein gehen. Der Eine wird durch einen hellen Schein durch die einbrechende Finsternis getragen, aber mein kleines Licht hilft mir nur wenig weiter und so wage ich eine halsbrecherische Verfolgung um nur ja nicht den Anschluß an den da vorne zu verlieren und selbst ein Opfer der Waldgeister zu werden.

Ein drittes mal wird unsere Fahrt durch Donnergrollen unterbrochen. Aber dieses mal treffen wir auf die ersten Menschen, seitdem wir den tieferen Teil des Wald verlassen haben. Von den Einheimischen erfahren wir auch die Ursache für all dieses Geblitze und Gedonner. Irgendwo hinter den weit entfernten südlichen großen Bergen laufen 22 Männer hinter einem kleinen Rund hinterher und streiten sich. Eine große Menge beobachtet sie dabei und ab und zu freuen sich die X-Voyeure aus unerklärlichem Grund und schießen ein Freudenfeuerwerk in die Luft.

steppenwind

6 Kommentare

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  • Das klingt so, als ob ihr euch irgendwo im Stadtpark verlaufen hättet. Vielleicht in der Nähe der Bolzwiese? Und – wer war der „Eine“? Wie lange habt ihr für eine Runde gebraucht und warum habt ihr kein Fahrrad mit genommen? Fragen über Fragen… menis

  • Also am Plötzensee entlang, weiter am Hohenzollernkanal, dann habt ihr die 5Ds am zentralen Festplatz aufgescheucht und euch dann unmittelbar an die Einflugschneise begeben entlang des Schießplatzes. Am nicht weit davon liegenden Tegeler See, welcher dem Tegeler Fließ entstammt, erlebtet ihr das 1:0 durch ein Schwein. Keine 4 Minuten später, man seit ihr schnell gewesen, habt ihr in Ackes verfluchten Tegler Forst auf dem Ehrenpfortenberg das 2:0 durch einen Polen erlebt. Den Anschlußtreffer der Spanier erlebt ihr auf am Grenzstreifen vermutlich in Richtung Stolpe oder Glienicke. Das 3:1 durch einen Ossi erlebt ihr wieder im Osten. Mir fehlt nur noch das müde Knallen des 3:2…

  • Es scheint Rifli – den Umständen entsprechend – wieder ganz gut zu gehen. Erinnert er sich doch recht detailliert an eine gemeinsame Abendrunde. Das freut mich!

    Das zweimalige Überfahren des Ehrenpfortenberges gehörte – ebenso wie die offensichtlich unbemerkt gebliebene zweimalige Überquerung des Apolloberges – zum Programm. Schätze ich mal…

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