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Alte Menschen auf dem Brocken

Brockenblick
Brockenblick

Zu Ostern mit Herrn Boerge im gewesen, das zweite Jahr in Folge. [more]

In einem Anfall von geistiger Umnachtung, wie sie einem vor lauter Entspannung nur im Urlaub passieren kann, nahmen wir uns den an Ostersonntag vor. Doooohhhhh! Von Elend aus ging's nach Schierke und von dort gleich anständig den Königsberger Weg hoch. Dunkle Tannenwälder, einiges Wandersvolk und die letzten Schneereste wurden gesichtet, so weit schien alles in feinster Ordnung.


Brockenschnee

Brockenschnee

Dann begingen wir den zweiten Fehler. Zum Gipfel gibt es laut Karte drei Wege: den Goetheweg entlang der Brockenbahn, die Brockenstraße oder den Plattenweg von der Nordseite. Keine Informationen habend, ob es noch andere Aufstiege gibt oder welcher von den eingezeichneten der beste sei, wählten wir den Goetheweg. Sobald wir in selbigen eingebogen waren, wurde uns das ganze Ausmaß unserer morgendlichen Fehlentscheidungen bewusst: Bunte Blousons, Stöckelschuhe, Hunde, deren Beine zu kurz waren, um über eine Kiefernwurzel zu springen. Mensch und Tier schleppten sich zu Hunderten den Berg hinauf. Es ächzte und stöhnte um uns herum; die übergewichtige deutsche Mittelklasse war zu einem kollektiven Naturerlebnis aufgebrochen. Selbst klapprige Omis mit Gehgestell wurden auf den Gipfel gezerrt, um bei Windstärke 5 und kühlen 7° eine Himmelsbestattung zu erhalten. Die alten Damen schauten griesgrämig, aber behielten Bodenhaftung. Die Möchtegern-Erben wussten nicht, wohin mit ihrem Frust und fingen an zu pöbeln: Hier dürfe man nicht Rad fahren, ob wir nicht aufpassen könnten etc. pp.

Brockengegipfelt
Brockengegipfelt

Genervt ließen wir Brocken, Homo-Sapiens-Herden und den Schnee hinter uns und fuhren was sich letztlich als sehr schöne Runde herausstellte: erst in nördlicher Richtung zur Rabenklippe, entlang der moosig-romantischen Ilsefälle und wieder knapp östlich des Brockens zurück nach Elend. An der Ahlsburg leisteten wir einen feierlichen Schwur: Nächstes Jahr wird an Ostersonntag im Bett geblieben und statt unseren schwachen Büroarbeiterkörpern werden Schokohasen gequält.

Die Ilsefälle
Die Ilsefälle

Ganz anders hingegen verhielt es sich mit einer kleinen, aber feinen , die wir an Karfreitag von Treseburg unternahmen. 3 Straßen an einer engen Schlaufe der Bode gelegen, eine Betonbrücke mit Parkplatz und Feuerwehrhaus als Zentrum, in alle Himmelsrichtungen steile Schieferwände, mit Buchen und Nadelhölzern bewachsen. Hier versteckten sich zu dunkleren Zeiten Wegelagerer und Dichter. Sogar zwei Venezianer soll es hierher verschlagen haben, die hoch über dem Ort einem weißen Hirschen begegneten und wo des Hirschen Spur sich in den Waldboden gedrückt hatte, einen gar reichen Schatz fanden. Das Land des Hexentanzplatzes, der Vorharz: niedrigere Berge, weniger Touristen, wildere Mythen und Legenden.


Vom Parkplatz neben dem zugenagelten Konsum führt ein Pfad schroff nach oben. Schon schalte ich auf den kleinen Kranz und kurbel, den letzten Mundvoll Frühstückstee noch nicht ganz runter geschluckt. Die paar Minuten Röcheln werden sogleich mit einem verwunschenen Plätzchen über dem Ort belohnt: Einst stand auf diesem Felsen die Treseburg mit freiem Blick auf und ab entlang der Bode. Die Steine wurden ins Tal geschafft und daraus einige Häuser und ein Hotel „im französischen Stil“ gebaut. Zwei Abende später treffen wir ein paar toitsche Dumpfbacken darin, die sich gegenseitig Hitlerreden auf ihren Handys vorspielen.

Blick auf Treseburg
Blick auf Treseburg

Der Weg schlängelt sich in lieblicher Manier hoch über der Bode entlang bis nach Wilhelmsblick, wo es nochmals wunderbare Aussicht zu geniessen gibt. Kurz dahinter erreicht man durch einen schummrigen Stollen die andere Seite des Bergkamms. Im nahe gelegenen Rübeland erhält man übrigens einen Einblick in die Bergbautradition der Region. Dieses Zwei-Straßen-Kaff wirbt mit: „Bergbau live. Folgen Sie unserem Parkleitsystem!“


In einem Bogen über Todtenrode und den Krugberg fahren wir zur Roßtrappe. Hier tobt wieder der moderne Tourismus-Irrsinn: Dicke Menschen bewegen sich nicht mehr als 2km von ihrem Auto weg, Tiefkühlkuchen wird serviert, aber immerhin gibt es eine Downhill-Strecke. Neugierig schauen wir uns diese an und siehe da, oben auf einer Holzrampe stehen ein junger Mensch und ein Fahrrad mit 150mm Federweg. Der Protectoren-Mann grüßt freundlich und fährt seinem ersten möglichen Trümmerbruch entgegen. An einen Baum an der Downhillstrecke ist ein Schild genagelt, dass wir leider nicht fotografiert haben, aber das in etwa so aussah:

Keine Freundin

Ich frage Boerge, was das bedeutet. Er erläutert: „Das bedeutet: Ich bin Downhiller und hab' keine Freundin.“

Dem aufmerksamen Betrachter der Fotos ist sicher aufgefallen, dass Boerges Rad auf dem Stollen-Bild ungewohnt aussieht. Wie eingangs erwähnt, waren wir schon letztes Jahr zu Ostern hier, er damals noch mit der German [für den]A[rsch]-Gabel, ich mit Pedalum-Testbike und in Turnschuhen.

Harz 2006

Die erste Tour, die ich je auf einem anständigen unternommen habe, war eben Ostern 2006, hier von der Rosstrappe ins . Wir folgten einfach den Heerscharen und kamen dann auf diesen wunderbaren, unglaublichen Wanderweg, der sich vom Bergkamm in engen Serpentinen ins Tal windet.


Blick von der Rosstrappe

Steine, Kiesel, in der Sonne glänzend, scharfkantig, kein Krumen Mutterboden dazwischen. In meiner Erinnerung stehe ich auf den Pedalen, habe nicht die leiseste Ahnung in welche Richtung ich meinen Hintern recken soll, um einigermaßen die Balance zu halten. Die Knie zittern, jede Stufe schlägt bis in die Schultern hoch. Von Kontrolle über mein Fahrgerät keine Spur. Irgendwie kam ich ins Tal runter. Doch eines ist in meine Erinnerung gebrannt: Genau hier, die „Schurre“ runter, wusste ich, dass ich ein MTB haben wollte und hatte bei dem Gedanken ein breites Grinsen im Gesicht.


Und so stürzen wir uns wieder runter. Alles nicht mehr ganz so aufregend, nicht mehr zittrig, aber immer noch ein mordsmäßiger Spaß. Erst eine Tragepassage und dann können wir endlich auf die Räder, rüttel, schüttel, Kehre, hoppel, rüttel, Kehre usw. Viel zu schnell kommen wir unten an, die Bode röhrt durch das enge Tal. Wir queren die Teufelsbrücke und nehmen den Wanderweg entlang des Flusses zurück nach Treseburg.

Wenn man nicht mehr zum DDD-Jungvolk gehört, sich aber auch mit über 30 gerade noch aufrecht auf einem MTB halten kann, dann ist das hier ein einziger Traum: rechts rauscht die Bode, links recken sich die Schieferwände in die Höhe, immer wieder versperren Moos bewachsene Felsen den Weg. Klare Waldluft füllt des Radfahrers Lungen, selbst der Vöglein Lieder klingen hier freier als das Gekrächze ihrer neurotischen Stadtkollegen. Der Pfad windet sich hoch, dann rollt es entspannt einige Meter abwärts und wieder geht es über Wurzeln und Schotter nach oben. Kurz vor Treseburg steht dann noch der schönste Baum des Tales auf einem Felsplateau, von dem es einen letzten Blick in dieses traumhaft schöne Tal gibt.

Bilanz: Diese Runde war zu kurz, als das die Kilo- oder hier aufgeschrieben werden könnten. Deshalb sei ein anderer Wert hier notiert: Wir kamen auf etwa 3,1 Fotos pro km, so verdammt schön war's 🙂 Nachrechnen braucht ihr nicht, hier wurde nur ein verschwindet geringer Bruchteil des Bildmaterials von diesem Tag verwendet.

Zum Abschluss noch eine allerletzte Anekdote: Kurz bevor es von der Rosstrappe die Schurre runter geht, steht rechts so ein Riesenschild, auf dem etwa 15 Piktogramme sind, die einem außer dem Atmen so ziemlich alles an diesem Ort verbieten. Darauf war auch das Piktogramm von diesem Foto zu sehen:

Boerge fährt vor mir, ich sehe, wie so ein fettleibiger Opa neben ihm zetert. Als ich auf seiner Höhe bin, brubbelt der mich von der Seite an: „Hier ist verboten.“ „Nein, nein, guter Mann“, sage ich, „das haben sie missverstanden, hier darf man nur mit Rennrädern nicht lang.“ Da guckt er verdutzt seine Ilse neben sich an und sagt beinahe unterwürfig: „Ach so?!“ Und wünscht uns noch gute Fahrt und lässt uns ziehen…

12 Kommentare

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  • Goetheweg am Ostersonntag, herrlich. 🙂 Sehr schöner Bericht vom Mountainbiken und ick sehe sogar einen Grünen ESK Freerider.

    „Nein, nein, guter Mann“, sage ich, „das haben sie missverstanden, hier darf man nur mit Rennrädern nicht lang.“ Der Spruch ist einfach nur ENDGEIL. :-)))))

    Danke checkb

    PS: Sehr schöne Bilder!!!

  • der Goetheweg ist der einzig schöne Weg zum Drecks-Brocken, jedoch an Wochenenden und Feiertagen mit dann auch noch guten Wetter absolut verbaut mit §$&% $$%§“$%&§ ****erern.
    Die Ecke um die Roßtrappe, den Hexentanzplatz und was es da noch so gibt fehlt mir noch Repertoire. Aber es steht für dieses Jahr auch noch auf dem Plan.
    Ach ja, und die Ilsefälle sind immer wieder ein Traum, der Trail zwischen Stempels Buche und den Ilsefällen sogar noch schöner, nur muss man dazu ja fast immer vom Brocken aus kommen.
    Danke für diesen Bericht, er hat mich einen guten Teil meiner Volresung überstehen lassen.

  • Obwohl ich den Harz nach unzähligen Aufenthalten im ESK Basislager Braunlage eigentlich ganz gut kenne, habt ihr mir mit dem Bericht einen Grund mehr geliefert mal wieder nach dem rechten zu sehen. Offensichtlich habe ich die Gegend um Treseburg bisher sträflich vernachlässigt.

    Spätestens im August wird es mal wieder ein langes WE geben und der ein oder andere Platz auf der Kursk ist mit Sicherheit noch zu haben…

    Übrigens sollte man nicht nur am Ostersonntag die direkten Wege um den Brocken meiden. Das geht da im Sommer jedes Wochenende so ab. Außerdem hat der Harz so viele traumhafte Gegenden, da muß man nicht unbedingt auf den Brocken rauf (obwohl der Anstieg von Norden aus, über die Rampe doch immer eine Herausforderung ist).

    Danke für den schönen Bericht und die tollen Bilder

    nautilus

  • Man da könnt ihr ja froh sein das ihr die Rennräder nicht bei hattet. 😉

    Hab mit Freude Euren Bericht gelesen.
    Glückwunsch zu solch schöner Erlebnissreise.

    Bis bald mal

    Toni

  • Nicht nur die Räder werden immer dunkler, nein auch des Boerges Hose ist mit den Jahren eng und schwarz geworden. Sehr schön das.

  • Das Bodetahl hätte an einen der Feiertagen sicher genauso wie der Weg zum Brocken aus gesehen.
    An sonsten ja Börge is endlich in Berlins schönster Bikelockation angekommen und wie erwartet is dieser Bericht bis jetz der schönste seiner Reise. Börge was du hier zelebrierst is janz janz großes Kino.
    Ich danke dir vielmals für diese unterhaltenden Berichte. Mit traumhaften Augenblicken wie lustigen Anekdoten.
    So macht man Uhrlaub!!!

  • …und „zack“ da ist die Jen! Und „plopp“ da ist das Rad grün! Und „schnick“ da ist der Brocken! Und „schnack“ reiht sich ein Wunder an das nächste… menis

  • …und wie erwartet is dieser Bericht bis jetz der schönste seiner Reise.

    Auauau! Proper, das war mal wieder einer Deiner ganz großen.

  • Es bestätigt sich, was mir zwischen den Menschenmassen in „Berlins schönster Bikelocation“ bereits deuchte: Im Kreise des Kaders und unter den Brockenrockern gibt es offensichtlich diverse Ortskundige, die man beim nächsten Mal einfach fragen kann…

  • Ahh.. Ohh, Hat diesma ja richtig lang gebraucht bis der Groschen gefallen is hab mir alles schon das 3.ma durchgelesen.
    Na ja, Vollpfosten, ick geh wieder in mein totes Forum voller Deppen!
    Bericht is trotzdem ein Traum;D.

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