Home » Touren » Nordrunde mit Startschwierigkeiten II

Nordrunde mit Startschwierigkeiten II

Ausgeschlafen und gutgelaunt sitze ich am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Der Haussee liegt ruhig unter den Fenstern der Panoramaverglasung, die Sonne überzieht das ganze noch mit etwas Silber und ab und zu ist ein Vogel zu hören – kann es einem besser gehen? Nach einem wirklich sehr ausgiebigen Frühstück, geht es auch schon los. Ich fahre etwas nach Westen um dann gleich den Weg hoch zur Jugendherberge zu nehmen. Kurz danach beginnt der Reinhard-Barby-Höhenweg.


Blick nach Feldberg

Der zieht sich in einer Höhe von 10-50 Meter am gesamten Nordwest-Ufer des Haussees und des Breiten Luzin entlang. Zwei Berge, der Reiherberg und der Schlossberg werden ebenfalls überwunden.


Reinhard-Barby-Höhenweg

Der Ausblick ist wirklich atemberaubend, keine Sau weit und breit – nur ich und dieser wunderbare Flecken Natur. Bei den Lichtenberger Tannen wende ich mich wieder nach Nordwest und komme über Waldautobahnen und Feldwegen nach Krumbeck, einem kleinen Nest mit Gutshaus und Park. Lenne´ hat hier wohl erstmal an was Kleineren geübt, bis er sich an die grossen Sachen wie Sanssouci und den Wörlitzer Park wagte. Sehr niedlich, eher ein Garten.


„Lenne´-Garten“ in Krumbeck

Weiter geht´s erst den Neuhauser Busch zur Rechten durch Bredenfelde über die Bredenfelder Mühle nach Loitz.


Bredenfelder Mühle

Von hier aus fahre ich über Gramelow, Riepke nach Sabel und sehe schon von Ferne die Burg Stargard.
Eine Feldberger-Fettbemme macht es sich in meinem Magen bequem, doch lange Ausruhen ist nicht, schnell sitze ich wieder im Sattel, unterwegs nach Norden.



Burg Stargard

Der Linde folgend, fahre ich durch das Große Mühlenholz und bin einsfixzwei in Neubrandenburg.


Kurz vor NBB

Der geneigte Leser wird sich fragen: Was macht der Radtouristiker in dieser Stadt? War es nicht eher sein Wunsch dem städtischen Trubel zu entfliehen und in der Wildnis hartes Mannsein zu proben? Ja natürlich! Aber es ist manchmal von Vorteil das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden und so überrasche ich eine alte Freundin, die es vor Jahr und Tag in diese unwirtliche Gegend verschlagen hat mit einem Besuch.
Die Gute ist tatsächlich auch zu Hause und sofort werden Kuchen und Getränke aufgetragen! Das ist das wirklich tolle, wenn man als mäßig interessierter Fahrradsportler Herkunft und Richtung zu besten gibt. Man wird wie ein aus der Gefangenschaft Entflohener behandelt, der barfuss durch Sibirien will: Es wird wirklich aufgetafelt! 😉 Nachdem ich genötigt wurde den halben Kuchen in mich reinzustopfen wechseln wir in das Kinderzimmer. Julius, dreieinhalb Jahre, ist noch ein wenig Schwellenängstlich, was unangekündigten Besuch angeht.
Nach dem großen „Oh und ah, der Mann ist mit dem Fahrrad gekommen!“ habe ich sein volles Interesse. Welche Farbe mein Helm den hätte, seiner sei Rot und er wäre heute schon mit voller Wucht gegen die Mülltonne gefahren. Er hätte auch noch einen anderen, einen mit Visier – mit Streitaxt dazu … Die, entgegne ich, hätte ich sonst auch immer dabei! 😉
Auch Frau Mama ist vergnügt ob des regen Interesses ihres Sohnes. Der Filius schaut sich mein Leibchen genauer an und staunt: „Boah, da ist ja ein Wildschwein drauf!“
„Ja, ein Eber.“
„Ich will auch so eine Strickjacke!“
Aha, Strickjacke! – Da ist nicht die geringste Spur Spott in den leuchtenden Augen Julius´ zu finden. Bei der Mutter verhält sich das leider deutlich anders.
Ich versuche also in einem fast nebensächlichem Tonfall den Wortschatz des Kleinen ein wenig zu erweitern: „Ah, du meinst mein TRIKOT?“
„Ja, Mama ich will auch so eine Strickjacke haben!“
Mama schaut mich mit einem spöttischen Grinsen an.
Pädagogik als Kinderloser kann nicht mein Metier sein, so belasse ich es bei der Strickjacke.
Wenn er noch ein wenig wachsen würde, könne er eins kriegen. Versprochen? Versprochen! Ich dränge zum Aufbruch.
So schnell ich in Neubrandenburg war, so schwer habe ich es wieder herauszufinden. Auf nervigen Schnellstraßen Stadtauswärts erwische ich dann doch beinahe zufällig die richtige Abfahrt.


NBB

Es geht nach Osten. Laut Karte ist die Datze nun für die nächste Zeit meine Begleitung. Vorher muss ich allerdings noch eine Schrankenanlage überwinden. Eine mit Gegensprechanlage…!!!


Call a Schranke!

„Hallo, wären sie so freundlich die Schranke zu öffnen“, frage ich nachdem ich den „Bitte Klingeln“-Knopf gedrückte habe.
Kurze Zeit später antwortet mir die Stimme Darth Vaders: „Zug kommt gleich!“
Ich warte also brav. Nach zehn Minuten ist immer noch kein Zug vorbeigekommen. Ich klingel noch mal: „Zug kommt gleich!“ sagt Darth jetzt echt gereizt.
Nach weiteren fünf Minuten reicht es mir und ich überquere verbotswidrig die Gleise.
Was jetzt kommt ist fies: Es kommt aus dem Osten und hat ca 4-5 Stärken – Gegenwind!
Jetzt, wo ich mich nicht mehr im Schutz der Bäume bewege, sondern auf dem flachen Land, kriege ich ihn mitten in die Fresse.
Meine Tacho dümpelt bei 20Km/h herum, es ist scheißekalt und ich merke, wie mir die Kraft aus den Beinen gesogen wird.


Prärieland

Wenn ich den Kopf hebe, sehe ich den Weg im Horizont verschwinden – kein Baum, kein nichts, was mir Deckung bietet.
Ich ziehe es vor meinem Vorderrad bei der Arbeit zu zu sehen um nicht mental in Knäckebrot verwandelt zu werden.
Als ich in Friedland ankomme, bin ich deutlich platt. Die Beine aus Beton, alles tut weh – doch es hilft nichts, ich muss es noch wenigstens nach Anklam schaffen.
Ein weiteres Problem taucht auf: Die Karte ist zu Ende. Ein ca zwanzig Kilometer langes Stück fehlt mir bis zur Anschlusskarte.
In ca einer Stunde wird es Dunkel sein.
Ich MUSS also über die B197 zum Ziel gelangen, da ich keine Kenntnis von den Wegen abseits des Teerbandes habe.
Auch mit Erleichterung (Mein Tacho zeigt eine Geschwindigkeit von nun 22km/h an, der Wind bläst unvermindert weiter) lege ich die letzten 25 Kilometer zurück. Es dämmert, als ich Anklam erreiche.


Anklam International Airport, Startbahn West

Zuerst versuche ich im Hotel am Stadtwall mein Glück (Nee, wir haben nur noch ein Raucherzimmer und das Fahrrad können sie nicht mit reinbringen, das müssen sie draussen lassen!) Kurze Zeit später dann im „Am Bollwerk“ das ganze Gegenteil: Fahrrad in den abschließbaren Schuppen, da man eh nicht ausgebucht ist, könne ich die FEWO zum Preis eines Einzelzimmers haben.
Es tut gut, wenn man merkt, dass die Götter mit einem sind.
Das Abendessen fällt reichlich aus, dunkles Tschechenbier gibt´s dazu. Noch rasch geduscht hieve ich meinen schlappen Körper in die Koje und schlafe augenblicklich.

14 Kommentare

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  • Wow! Ein sehr schöner Bericht!

    Und Reinhard Barby muss ein sehr glücklicher Mensch gewesen sein, wenn ein so schicker Trail nach ihm benannt wurde. Nur leider kennt nichtmal Wikipedia mehr zu seinem Namen als „Natur- und Heimatforscher“. Egal, er hat ja noch den Trail… 🙂

  • Der geneigte Leser bedankt sich für die geschriebenen Zeilen. Eine schöne Tour hat der Boerge gen Norden unternommen. Wie gestaltete sich der Rückweg? Muss man nach dem dritten Teil betteln? Lass uns nicht warten!!!
    frenkh

  • Boerge hatte eindeutig die bessere Kamera, dafür wir die höheren Berge 😉

    Barby hieß übrigens mein Babyarzt (als ich Baby war…), nur so am Rande. Die sind bestimmt verwandt.

    Wann kommt Teil3?!? Erwartungsvoll,
    Don Eule

  • Danke Boerge, endlich mal wieder ein Beitrag mit Format.

    @ Darki,

    „…dafür wir die höheren Berge“

    Als ob Dir das schon jemals was genützt hätte…

    Und Dein Kinderarzt hieß Barby oder Barbie?

  • Muß Jockel zustimmen ma wieder was wirklich Lesenswertes. Ein Traum von einem Tour Bericht.
    Glaube Börge is n Freerider! Wenigstens kämpfen noch 2-3Hanseln drum das der ESK kein reinrassiger RR-Verein wird.

  • Ich bin ja auch noch standhaft ohne Asphalttrennschneider, auch wenn ich hier schon ganz schön hart bedrängt werde – aber noch bin ich den dicken Stollen treu geblieben…

  • Primabestens, Boerge! Dem vorlauten Typen mit der Strickjacke hätte ich noch schnell in die besagte Mülltonne geholfen. Ansonsten freue ich mich, dass du diese traumhafte Piste bei Anklam fotodukomentiertest; es muss dort einfach perfekt rollen… menis

  • jockel, so einfach darfst du es dir aber auch nicht machen: die letzen berichte von DDEule waren, wenn auch schmalbereift, doch sehr lesenswert.

    nichtsdestotrotz beschenkt uns boerge hier mit einem highlight. ich danke für die traumhaften ausführungen.

    ein kurzer blick auf google konnte mir auch verraten, der denn der begleiter namens „datze“ war. man spricht auf der seite des landkreises mecklenburg-strelitz auch gerne vom „datzetal“ – auch wenn die vorstellung eines tales zu dem in einem graben dahinsiechenden rinnsal sicher große phantasie verlangt. die internetseite weiß acuh folgendes zu sagen:

    „Die Lücke des Datze Rad- und Wanderweges zwischen den Gemeinden Datzetal und Friedland soll geschlossen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

    dank spendabler EU-förderung aus dem regionalentwicklunstopfes namens LEADER+ werden wir uns sicher auch hier in zukunft über aalglatte radwege freuen dürfen. wäre schön, mal einen versammelten abstecher in diese ecke zu unternehmen.

    rb

  • Ja, ein wirklich schöner Bericht. Vor allem die Stelle mit der Strickjacke …

    aber kann es sein, daß mir die ersten Kilometer des Tages bekannt vorkommen könnten? Klingt so ähnlich wie die letzten von eisenschweinkader.org/archives/2006/07/09/blut-schweiss-und-kein-klagen/ .

    Und sehr gespannt warte auch ich auf die Fortführung des Berichts. Schließlich kommt hinter Anklam Richtung Nordost eine Gegend, die als die Sandwüste des alten Neu-5-Landes gilt, oder wird sich unser Freund der Einfachheit halber und auch, weil ihm mal wieder die Anschlußkarte fehlt, bis zum Oder-Neiße-Friedensweg durchschlagen und diesem einfach bis in ihm bekanntere Regionen folgen?

    Bin gespannt, also schnell mal weitererzählt und gebildert.
    STW

  • Also ich sehe im Odenwald kein schmalbereiftes Gefährt unter mir…
    @Jockel: Ab 40 gibts diese kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen beim Augenarzt. Und die Sache mit Dr.Barbie ist ja geschmacklos, also wirklich Du alter Schelm ;-)))

    Los Boerge, klamp rein in die Tasten und spann uns nicht länger auf die Folter!!!

Archiv

Archive

Folgt uns auf