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Das doppelte Biergit oder der verwunschene Prinz vom Schwarzwald

Tja nach den Abenteuern von Don Eule und Figor Muschuflov in und um Frankfurt, begab sich der Windmühlenkämpfer Don Eule mit dem schmalen Schwarzen in den südwestlichen Sonnenzipfel der Republik. Der Breisgau mit seiner hohen Anzahl an Sonnenstunden, der Vulkankegel Kaiserstuhl mit seinen Weinspezialitäten, der Schwarzwald mit seinem subalpinen Relief, Freiburg mit seinen Studentinnen, Colmar mit seinen Fachwerkhäusern, die Vogesen mit einsamen Landstraßen oder das Markgräfler Land mit seinen kulinarischen Leckereien, jede Menge galt es zu entdecken. Vier Tage wollte ich mir dafür Zeit nehmen und nebenbei die Bergqualitäten verbessern, aber es kam alles anders – doch lest selbst:

Samstag Nachmittag bestieg ich meinen IC gen Offenburg, dank des Tschibotickets für annähernd lau, nur das Rad mußte „blechen“. In Offenburg in den RE nach Freiburg gewechselt und ab da nahm ich die Breisgau-S-Bahn nach Breisach am Rhein. Breisach liegt direkt an der französischen Grenze, nur durch den Vater Rhein getrennt. Direkt nördlich liegt das Vulkanmassiv Kaiserstuhl, höchste asphaltierte Erhebung ca. 450m ü.NN. Westlich, etwa 25km entfernt beginnen die Vogesen, mit ihrer Fachwerkstadt Colmar und dem höchsten Gipfel, dem Grand Ballon (ca. 1400m ü.NN). Und im Osten befindet sich direkt vor der Haustür der Freiburger Hausberg, der Schauinsland mit zwölhundertirgendwasmetern. Dazwischen liegt Ulles Ex-Heimat Gemeinde Merdingen mit dem Weinhügel Tuniberg.

Wenn also ein Revier für einen ehemaligen Toursieger langt, dann sollte es für den ESK gerade gut genug sein. Ausprobieren geht über studieren und so kam ich gegen halb 9 abends an meiner Pension an. Etwas außerhalb in dem lieblichen Wohndorf Hochstetten befand sich mein Schlafplatz in excellenter Lage. Den Abend nutzte ich noch zum Besuch der einzigen Lokalität am Platze, dem Hotel-Restaurant Adler. Ich gönnte mir landestypische Kasspätzle mit Wein, ganz nach Ulle-Manier.

Sonntag, 1.4.2007
Am nächsten Morgen schaute ich etwas entsetzt aus dem Fenster. Keine Sonne, dafür dicker Nebel und Temperaturen um 7°C. „Die kommt noch raus“ höre ich meine Gastgeberin sagen und lege mich nach dem Frühstück nochmal ins Bett. Gegen halb 11 hab ich dann die Faxen dick und mache mich so langsam fertig. Ich beschließe zunächst nach Merdingen zu fahren und das Jan-Ullrich-Straßenschild zu demontieren, bzw es mit ESK-Devotionalien zu verunstalten. Aber die gesamte Dorfgemeinde, gleichbedeutend mit der österlichen Kirchprozession hält mich davon ab.

Wie ein Aussätziger werde ich zur sonntäglichen Gottesdienstzeit von den religiösen Fanatikern beäugt. Zum Glück bin ich nicht im Eichsfeld, denke ich und fahre den Tuniberg rauf. Verdammt, dieser kleine Hügel sah viel einfacher aus. Warum tut das so weh? Oben angekommen sehe ich auf ein Meer von Rebstöcken und knalle ins nächste Dorf runter. Von dort eier ich irgendwie an die Dreisam (größter Vorfluter von Freiburg und da hats viele!) und halte mich die nächsten Kilometer bis zur Freiburger Innenstadt an ihr.

In der Breisgauer Studentenmetropole soll an diesem Sonntag der Marathon stattfinden und die Sportler sind mir schon lieber als ein paar radikale Kirchgänger. Ich finde ihn auch, schaue ein wenig zu und tatsächlich läßt sich für kurze Zeit auch mal die Sonne blicken. Nachdem ich einer hübschen Studentin ihren platten Hinterradreifen aufgepumpt hatte, wurde es aber auch Zeit selber etwas zu „sporteln“. Ich machte noch einen kurzen Abstecher durch die Innenstadt inklusive Münster, bevor ich in Richtung Messe rausrollte.

Leider hatte ich die 5000 Starter der Halbmarathondistanz nicht auf der Richtung und mußte mal wieder ein wenig crossen, um an ihnen und dem Flugplatz vorbei zu kommen. Endlich Freiburg hinter mir, wurde es merklich ruhiger auf den Straßen. Über March kam ich an den Fuß des Kaiserstuhls. Läppische 250-300 Höhenmeter sollte es hier zu klettern geben, also nix wie ein in den Berg.

Ich hatte mal wieder die Gemeinheiten solcher Weinbaugebiete unterschätzt, supersteile Flanken zeichnen solche Gebiete aus. Zunächst lief es noch ganz ansehnlich, dann kam ich an die Silbermühle und ab da gabs ein Drama. Die *** (an dieser Stelle muß die Zensur einschreiten) Straße war sowas von steil, daß meine Übersetzung von 39:23 in Kombination mit leichtem Übergewicht und Frühjahrsschwäche mich leiden ließ. Ein Mountifahrer in greifbarer Reichweite motivierte mich zum Gasgeben, doch dann kurz bevor ich ihn erreichen konnte, platzte ich auf!

Ich schlängelte mich wie Tom Simpson die Rampe hoch, dachte kurz an meinen bevorstehenden Abschied. Irgendwann, nach mehrfachen Pausen, hatte ich es dann geschafft. Niemals wieder möchte ich diese fiese Sau nochmal fahren! Auf der anderen Seite ging es nicht minder Steil runter ins höchst gelegene Winzerdorf im Kaiserstuhlgebiet. Lächerliche Höhen, aber alles verdammt steil…

Fundstück am Kaiserstuhl:
Eulengasse...

Ich gondelte von Weindorf zu Weindorf, ehe ich mich in Richtung Rhein verabschiedete. In Breisach fuhr ich rauf zum Münster. Nochmal einige derbe Meter auf Kopfsteinpflaster, bevor man vor dem Breisacher Münster steht. Von dort oben hat man eine prima Aussicht, wenn nicht gerade ein so nebeliger und diesiger Tag wie heute ist. Langsam setzte sich zwar die Sonne durch, aber eine richtige Fernsicht hatte man nicht.

Ich beschloß kurz über den Rhein zu fahren und meinen Frankreich-Länderpunkt mit dem Rad zu machen. Welch gute Entscheidung, denn eigentlich war ja für Dienstag die Vogesen-Colmar-Runde geplant. Doch dazu später mehr. Kurz in Frankreich gewesen und wieder zurück über Grenze und Rhein. Keine 2km später war ich an meiner Pension, unterwegs hatte ich noch ne Literpulle Spätburgunder vom Kaiserstuhl erstanden und freute mich nach dem Duschen drauf.

Profil Kaiserstuhl

Montag, 2.4.2007
Sollte sich heute morgen die Sonne etwas früher durchsetzen? Gleich nach dem Aufwachen blickte ich aus dem Fenster. Doch es war noch schlimmer als tags zuvor. Dicke Suppe, 100m Sichtweite vielleicht, Temperaturen um die 5°C. OK, ausgiebig frühstücken und das reichhaltige Angebot des Satellitenfernsehens genießen. Gegen 1145 gab es dann endlich die versprochenen Nebelauflösungen und ich konnte starten.

Erneut führte mich mein Weg zunächst nach Merdingen, heute lief es den Tuniberg schon besser. Ein Wunder was bei mir Sonne und wärmere Temperaturen anstellen können. Mittlerweile zeigte das Thermometer bereits um die 17°C. Ich genoß die Frühjahrssonne und sah vor mir das Schwarzwaldmassiv stehen. Puh, ganz schön hoch und was ist das weiße da oben? Ah, ja, richtig über 1000m ü.NN sollte ja noch Schnee liegen. Bin ich vom nur kanpp 900m hohen Taunus halt nicht gewöhnt.

In Ebringen hatte ich den Fuß erreicht und ab jetzt begann das Klettern. Heissa hossa, welch sparsame Menschen hier leben. Die ein oder andere zusätzliche Serpentine hätte ich mir schon gewünscht. Doch ich war ja noch „frisch“ und irgendwie biß ich mich durch bis zur Berghauser Kapelle auf 450m. Jetzt auf einer Höhe ungefähr bleiben und dann in den Anstieg zum Schauinsland. Dachte ich mir so, naja von wegen, erstmal ging es mindestens 100hm wieder runter.

In Au war ich dann am Ausgangspunkt des eigentlichen Anstiegs, ab jetzt knapp 1000hm Nonstop. Och keen Problem, wer die harte Berliner Schule bei Oberst Jockel, dem pfeilschnellen Menis und den anderen überlebt hat – der schafft auch das!!!

Ab und zu sah ich nach oben und dachte nur „Verdammt, wo ist da die Serpentine und warum ist das so weit höher als ich gerade…“. Ich wollte mehrfach sterben, es ist doch etwas anderes als der Taunus. Das Prädikat „sublpin“ darf der Schwarzwald zurecht tragen. Eine Rampe zwang mich dazu zweimal Pause zu machen, aber ich bekam die Kurbeln einfach nicht mehr gedreht und schieben wollte ich auch nicht. Das Rennen mit dem Müllauto gewann ich trotzdem ganz knapp, die Typen haben sich fast schlappgelacht bei meinem roten und japsendem Gesicht.

In Langackern hatte ich dann die Wahl, entweder bei gerade mal 600m ü.NN den Rückweg über Güntherstal und Freiburg antreten, sich für die Vogesen schonen oder die geplante Befahrung des Schauinsland wagen. Ich nicht mit leeren Händen dastehen und entschied mich fürs weiterklettern. Wenigstens bis zum nächsten Dorf, bzw zur Eduardshöhe auf 859m ü.NN wollte ich kommen.

Und wieder gab es ab dem Nest Horben mächtig auf die Oberschenkel, 14…15…16…17…18…19%…dann nur 12…oh kurz mal 8…und wieder 14… immer weiter auf die Socken. Ich überholte zwei Mädels, die zu Fuß unterwegs waren, und erntete mitleidige Blicke. Keine Schwäche zeigen, nett grüßen und weiter. Tatsächlich hatte ich es dann irgendwie bis zu Eddis Höhe gepackt. Dort legte ich mich auf den warmen Asphalt, verschlang mein Brötchen und genoß die Aussicht in die Täler und auf die Berge.

Eddis Höhe

Nach kurzer Erholung war mir etwas kalt und ich fühlte mich soweit erholt, wenigstens bis zum Straßenabzweig unterhalb des Schauinsland auf über 1000m zu fahren. Der Weg dorthin führte durch einen feuchten und kühlen Nadelwald, 4° weniger als zuvor auf den Sonnendurchfluteten Rampen. Links und rechts neben dem Schotterweg lag zunehmend Schnee. Endlich am Straßenabzweig angekommen sah ich etwa hundert Meter hinter mir einen MTB’ler rauffahren. Jetzt konnte ich unmöglich die Abfahrt wählen und es waren ja auch nur noch 3km und 200hm bis zum Gipfel.

Also hoch! Der Mountifahrer war sofort an meinem Hinterrad, vorbei gehen wollte er jedoch nicht. Gut, dann spielen wir eben. Ich schaltete den Tacho wieder auf Höhenmeter und orietierte mich daran. Als ich ungefähr der Ansicht war, die letzte Serpentine sollte erreicht sein, zog ich schlagartig das Tempo an. Dieses Manöver konnte er nicht kontern und ich erreichte mit Vorsprung die Bergstation der Seilbahn.

Hier oben glaubte ich kurz die doppelte Biergit Kraft zu sehen, aber es waren die zwei hässlichen, vom sauren Regen gekennzeichneten Schwarzwaldmadeln Aknesch und Aschtritt (Agnes und Astrid im hochdeutschen). Auch genannt die Picklige und die Mollige. Die zwei ließen einen bösen Fluch auf mich nieder…
Doppeltes Biergit oder Aknesch und Aschtritt?

Doch ich genoß nochmal die Aussicht, schoß ein paar Bilder, zog mir was warmes drüber und stürzte mich in die Abfahrt. Wow, was für eine Piste! Ganz enge Serpentinen und supersteil, dummerweise hatte ich meinen Helm in Frankfurt vergessen und so fuhr ich mehr als mit angezogener Handbremse. Abfahren ist eh nicht so meins, hab da ne Menge Respekt.

Blick am Parkplatz Schauinsland

Schild-bürger

Im Münstertal wurden die Straßen aber breiter und führten eher geradeaus, endlich ließ ich den Bock laufen. Manoman, wenn ich gewußt hätte was noch kommen sollte…

Im Münstertal warf ich einen Blick auf die Karte, zwecks weiterer Routenführung. Plötzlich blöckte mich etwas von hinten aus einem vorbeifahrenden Auto an. Ich erschrak fast zu Tode! Stinkesauer nahm ich die Verfolgung auf, als mein Blick aufs Nummernschild fiel: OF-MR xxx !!!
Jeder der mich kennt, kann sich vorstellen was geschah, als ich die Autobesatzung am nächsten Parkplatz stellte… ;-)))

Über ein paar nicht weiter erwähnenswerte Nester setzte ich die Reise an den Rhein fort. Entlang des Rheinweges knallte ich die letzten 10km bis Breisach. Beim ausrollen passierte es dann, ein kurzer Schlag, ein komisches Geräusch und beim runtersehen stelle ich ein eierndes Hinterrad fest. Ich sehe nach was da passiert sein könnte und denke bei den baumelnden Speichen an Bruch. Doch was sehen meine Augen?!? Die Nabe ist ausgebrochen an zwei Speichenaufnahmen…
Danke Aknesch und Aschtritt!!! Der Defektteufel oder ein böser Fluch…

Mein umgehender Besuch im örtlichen Fachgeschäft endet leider nicht erfolgreich und so entschließe ich mich zur sofortigen Abreise. Nach kurzer Erläuterung der Geschehnisse erlässt mir meine Pensionswirtin die nächsten Übernachtungen. Überstürzt und enttäuscht trete ich die Heimreise an. Na, immerhin Kaiserstuhl und Schauinsland wurden bezwungen. Die Vogesen hebe ich mir für das nächste Mal auf und eigentlich habe ich ja Glück gehabt.

Sonne hats da tatsächlich ne Menge, wenn auch erst ab Mittag in diesen Tagen und was passiert wäre, wenn das Ding auf der Abfahrt gebrochen wäre und dazu ohne Helm…

Laßt da mal hinfahren, ist wirklich ne gaaanz tolle Gegend zum Rennrad fahren. Viele kleine asphaltierte Straßen, Berge wie in den Alpen und Auswahl zu Genüge.

So und jetzt brauch ich ne neue Campa Record Nabe in silber für 10fach…

Profil Schauinsland

darkdesigner

7 Kommentare

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  • PS: Ich vergaß zu berichten, daß in jedem Zimmer der Pension ein richtig großer Kühlschrank mit Eisfach steht. Ein Schelm wer böses bei der Beschreibung „Optimal für Radfahrer“ denkt… 😉

  • Gott sein Dank ist Dir ein Sturz erspart geblieben. Ich hätte ab heute nachmittag übrigens noch eine Veloce-Nabe in 10fach über 🙂
    Ein sehr schönes Ereignis, das Du da unternahmst, und es macht Appetit auf eine Befahrung der Gegend. Wahrlich hegte ich schon länger eine Reise dorthin, um auf Jans Blu.. äh Spuren zu fahren. Nur ist das verdammt weit weg.
    Also Aknesch und Aschtrit – grrrr!

  • Tsetse – da bricht das Stück edelster italienischer Schmiedekunst so einfach in sich zusammen. Wahrscheinlich wurde Staubis Schaltwerk auf der gleichen Hochpräzisionsfräse gedechselt. Na – dafür gibt es aber reichlich Style- und Kultpunkte.

    Der Bericht jedoch, mein lieber Eule, ist wirklich schön und sehr motivierend. Zwar musste ich ein wenig den aufkeimenden Neid niederkämpfen, jedoch schmälerte das nicht meine Freude an deinen wunderschönen Touren teilhaben zu dürfen. Bis bald… menis

  • Moin Eule,

    ich finde deinen Artikel wieder mal hinreißend. Macht jedenfalls sofort Laune auf eine Mehrtagestour.
    Mehr davon.

    Gruß

    Andreas

  • Moin,

    freut mich, dass sich mal jemand in mein ehemaliges Revier verirrt hat. Dein begeisterter Bericht bestätigt jedenfalls, dass ich da nicht zuviel vorgeschwärmt hab…

    Nordische Grüße!

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