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Von neuen Entdeckungen jenseits des brandenburgischen Sandes

Mir wird bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder angekreidet, dass man ja garnichts von mir hört, dass ich ja überhaupt kein Fahrrad mehr fahre.

Aha. Freilich fahre ich noch Rad. Ich habe lange nicht mehr so viel Spaß am Biken gehabt, wie in den letzten Monaten. Wenn jetzt nicht permanent die Zeit fehlen würde, könnte ich auch noch soviel fahren, wie ich eigentlich wollte. Da man sich aber manche Sachen nicht aussuchen kann (und die Zeitfrage gehört dazu), muss man eben das Beste aus dem machen, was man hat.

Bike

So genieße ich die Momente auf dem Bike mehr denn je zuvor. Ich habe im letzten Herbst eine Menge neuer Gegenden erkundet und möchte daran auch in diesem Jahr anknüpfen. In Brandenburg kenne ich jetzt die meisten Ecken … warum also nicht mal jenseits der Landesgrenzen auf Entdeckungstour gehen?

25. März, Sonntag morgen, 6:15 Uhr. Das als Wecker missbrauchte Telefon klingelt. Aufstehen! Noch dunkel? Ah ja, Sommerzeit, wir haben ja eigentlich noch eine Stunde früher. Kurz ins Bad und dann noch mal an den Rechner, gucken, ob alle Server laufen. Moment mal, warum steht da oben rechts 5:28 Uhr? Hat das blöde Betriebssystem nicht auf Sommerzeit umgestellt? Nachgucken, automatische Umstellung auf Sommerzeit ist aktiviert. Warum macht der das dann nicht, die dumme Sau? Neustart. Jetzt 5:29 Uhr. Mir dämmert, dass ich eine Stunde zu früh aufgestanden bin. Abgleich mit der Wanduhr im Wohnzimmer gibt Gewissheit: es ist in der Tat halb sechs, die Wanduhr zeigt noch Normalzeit, also halb fünf. Das waren dann also immerhin knapp fünf Stunden Schlaf. Egal, muss reichen.

Gegen sieben Uhr machte ich mich auf den Weg zum Ostbahnhof, kaufte dort erst mal Kaffee und Frühstück und fuhr mit der S-Bahn zum Lehrter Bahnhof, von wo mich der RegionalExpress an den Startpunkt der Tour brachte. Im Zug habe ich noch gelernt, dass eine VBB-Fahrradkarte inkompatibel mit einem normalen DB-Ticket ist, auch wenn sich bestimmte Teile der gebuchten Strecke überschneiden. Ich konnte den Schaffner aber in ein Gespräch verwickeln und er beanstandete dann auch nicht weiter („Der gute Willen war ja zu erkennen, indem Sie Ihre Fahrkarten schon am Automaten gekauft haben.“).

Er erzählte mir dann noch, was er in seiner Freizeit für ein toller Tiger ist und so alles anstellt, naja, und ruckzuck war der Zug im Landeanflug auf Neustrelitz. Hier sollte meine Tour beginnen. Mitten durch die mecklenburgische Seenplatte sollte es gehen.

Ich hatte mir am Samstag extra noch die Ampel-Karte der Müritz-Umgebung besorgt und eine nette Runde von Neustrelitz nach Fürstenberg (Havel) ausbaldowert. Es ging erst mal straight nach Westen und es rollte verdammt gut. War ich gut in Form? War es die ungeheure Freude über das erstklassige Wetter? Zufriedenheit darüber, kein anderes Volk im Wald zu treffen und einfach mal seine Ruhe auf dem Bike zu haben? Ja, von jedem etwas, aber der Hauptgrund war, dass mich ein anständiger Wind gut voran schob. Das merkte ich aber erst auf der zweiten Hälfte der Tour – da hatte ich dann nämlich das Gefühl gegen eine Wand zu fahren, der Wind blies nun von vorn direkt ins Gesicht.

Havel

Aber noch sind wir ja auf dem Weg westwärts. Ich passierte wunderbare ruhige Seen, sah die Havel auf ihren ersten Kilometern – ein gar unscheinbares Stück Fluss. Man glaubt dort nicht, dass dieser kleine Wasserlauf etwas später zum Nebenfluss der Elbe mit der drittgrößten Wassermenge mutiert.

Kurze Zeit später passierte das, was ich bereits zu Hause befürchtet hatte: Die Asphalt-Mafia hat auch den Nationalpark „Müritz“ nicht verschont und hemmungslos die zähe schwarze Masse in den Wald gekippt. Widerlich. Nach kurzem Studium der Karte konnte ich aber einen anderen (abgesehen vom fehlenden Asphalt auch sonst viel besseren) Weg Richtung Westen finden.

Müritz

Nach einer Weile erreichte ich das Hauptziel des heutigen Tages: die Müritz, der größte See Deutschlands, dessen Ufer sich vollständig auf dem Territorium der BRD befinden. Ein Platz am unglaublich klaren Wasser, gepaart mit einer fantastischen Sicht und schönstem Sonnenschein ergaben eine willkommene Pause. Ich legte mich auf die Wiese, Rucksack unter den Kopf und döste etwas vor mich hin. Unbezahlbar.

Da ich aber nicht nur zum Spaß unterwegs war, ging es kurze Zeit später direkt weiter. Ab jetzt wieder gen Osten, bis Fürstenberg waren noch gut 50 Kilometer. Wie eben schon mal kurz angedeutet, wurde es jetzt richtig zäh: der Wind drückte direkt von vorn, was er nur konnte und sorgte dafür, dass ich jetzt zum ersten Mal richtig fies treten musste. Aber da wir ja Rad fahren, um richtig harte Eisenschweine zu werden, muss man auch das Gute sehen und dem Scheiß-Wind die geballte Macht seiner Oberschenkel entgegen stellen.

Bei Zartwitzer Hütte

Es ging weiter an etlichen Seen vorbei, durch ruhige Wälder, über offene Felder (erwähnte ich schon, dass Ostwind herrschte?). Hier und da kreuzte ich eine Straße und fuhr mal durch einen Ort und erkannte so sogar einen Teil der Strecke meiner Rennrad-Tour an die Ostsee im Jahr 2004 wieder und den einen oder anderen See der großen Mecklenburgischen-Seenplatte-Kanutour 2003 (Wustrow). Was mir noch auffiel: Die Gegend ist nicht minder sandig verglichen mit dem Süden und Südosten Berlins, von daher nichts Neues. Aber: die Landschaft ist unwahrscheinlich wellig. Man merkt es erst garnicht, der Blick ins Höhenprofil offenbart aber das ganze Grauen: Höhenmeter ohne Ende, immer schön kleckerweise, obwohl man die ganze Zeit darüber nachdenkt, wie topfeben die ganze Gegend ist.

rikman himself

In der Nähe von Großmenow überfuhr ich dann wieder die Grenze ins Heimatland Brandenburg und von hier war es dann auch nicht mehr weit bis Fürstenberg. Da ich den RegionalExpress zurück nach Berlin um drei Minuten verpasste, fuhr ich erst mal an die Tanke, ein bisschen Bier shoppen und setzte mich dann unter die Eisenbahnbrücke, welche die Havel überquert. Eingeweihte kennen den traumhaften Platz zum Rasten. Dort ließ ich mir noch eine dreiviertel Stunde die Sonne auf den Pelz braten, bevor ich den Zug bestieg, welcher mich pünktlich zurück in die wuselige Hauptstadt brachte.

Fazit: Die Seenplatte ist eine fantastische Gegend. Wenn man die Tour halbwegs clever plant, kann man stundenlang durch fast unberührte Natur fahren und trifft unterwegs auch keine Menschenseele. Genau so, wie es sein soll. Leider ist auch schon die Asphalt-Mafia auf diesen Trichter gekommen und hat sich vermutlich gesagt, dass das ja wohl nicht angehen kann. So kann man die Jahre an einer Hand abzählen, bis auch hier der letzte Wald- und Feldweg zu einer Straße vergewaltigt wurde.

6 Kommentare

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  • Und wenn er nicht gestorben ist, dann radelt er noch heute…

    Schön, brav, gut gemacht Herr Rikman.

    ps: Zu früh aufstehen ist doof 😉

  • Cool, der Chef persönlich auf dem Rad. Naja, am Sonntag hatte ich ja – wie bereits verlautbart – keine Zeit, aber eventuell ja ein ander Mal wieder zusammen…

  • Wunderbar, Herr Rikman! Wirklich eine echte Oldschool-Tour. Ja, was soll ich sagen – gern wäre ich dabei gewesen. Bis bald… menis

  • riki, du lebst!! cooool. ich ruf dich mal an die nächsten tage.

    „die Müritz, der größte See Deutschlands, dessen Ufer sich vollständig auf dem Territorium der BRD befinden“

    sehr schön definiert. besser hätt`ich es auch nicht sagen können. ein schöner tourbericht im übrigen, große klasse. aber das du dich an einem sonntag um 4:30uhr aus dem bett schälst, ist schon fast erschreckend. wir sollten mal wieder ne kneipen-und-club-tour machen, dann kommt das nicht vor :]

    rob

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