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Ein Wunsch wird Wirklichkeit…

Lange, ja ganz lange hatte ich einen großen Wunsch, einmal wollte ich eine Tour mit mehr als 200km am Stück fahren. Gestern, nur ganze fünf Tage nach der langen Runde in Hamburg sollte es soweit sein. Doch lest selbst wie es dazu kam…

Irgendwie bahnte es sich schon an in den letzten Wochen, hundert Kilometer + X waren keine Ausnahme sondern eher die Regel geworden. Mein Körper hatte sich langsam an die Ausdauerstrapazen gewöhnen können und der Kopf sollte auch keine Probleme machen. Nachdem die Mittwoch-Feierabendrunde ziemlich ins Wasser fiel und wir nach 25km bis auf die Knochen durchnäßt abbrechen mußten, war ich hoch motiviert. Eigentlich versprachen die Wetteraussichten ziemlich durchwachsenes Schauerwetter, aber bereits der Donnerstag war klasse und bot jede Menge Sonnenschein. Warum sollte das am Freitag nicht auch so sein?

Ich schaute mir gegen 700 das Niederschlagsradar an und stellte fest, das die geplante Fahrt gen Westen deutlich unsicherer war, als eine Ostroute. Tja, aber wohin im Osten? Den Spessart hatte ich vor zwei Wochen bereist und durchquert, vor drei Wochen wars der Odenwald, blieb also nur noch die Rhön. So machte ich mich auf um den 824 RE nach Fulda zu erreichen. Immerhin war ich auch noch nie mit dem Schmalspurgerät in der Rhön und dort ist ja bekanntlich nahezu jeder Feldweg asphaltiert.

Die Fahrt dauerte irgendwie ewig an diesem Freitag morgen. Eine Truppe von Vätern und Söhnen machte sich neben mir zu einer mehrtägigen MTB-Tour durch die Rhön auf. Ich beneidete sie nicht wirklich, mit 10-15kg Gepäck auf dem Rücken und am Rad die Rampen rauf zu dürfen. Ich hatte lediglich das elegante schwarze ESK-Kleid in Vollmontur und meine Hipbag (Bauchtasche) am Mann. Mein Gepäck bestand aus Reifenhebern, Ersatzschlauch, Luftpumpe, 2xPowerbar, 1xMüsliriegel, 0,5l und 0,75l Trinkflaschen, Regenjacke, Armlingen, Perso, Bahnticket, 30,-EUR in Scheinen, 3 TK50 Blättern und meinem Handy.

Während meines halbstündigen Aufenthalts in Fulda gönnte ich mir noch ein Brötchen, nach den zwei kleinen Brotscheiben am Morgen vielleicht keine so schlechte Entscheidung. Die letzte dreiviertel Stunde in der Bimmelbahn nach Gersfeld verschlief ich. So kam ich ziemlich „gerädert“ und mit Kreislauf auf Low-function um Punkt 1100 am Bahnhof in Gersfeld an. Wie Ihr alle wißt heißt es von dort zunächst klettern, den Kreislauf sprichwörtlich ankurbeln. Ich rollte die paar Meter durchs Dorf und nahm die Straße nach Abtsroda. Ich wollte von hinten auf die Wasserkuppe und den von Himmelfahrt bekannten Weg einschlagen.

Nur langsam kam ich in Tritt, um ehrlich zu sein kam ich es eigentlich garnicht. Mein Kreislauf war desolat, die Beine schwach und doch gab ich mein bestes. Am Guckeisee vorbei nahm ich Höhenmeter um Höhenmeter. Nach Abtsroda stand ich am Abzweig nach Dietges und sofort fielen mir etliche Geschichten vom Rhönlandfeldzug ein. Mit den Gedanken bei Euch ging es die nächsten 200hm bis zur Wasserkuppe weiter. Wie sollte das nur klappen mit meinem Vorhaben?

Ich fühlte mich immer noch schlecht, doch Hessens höchster Berg war erklommen, nun auch mit dem Schmalen. Nur kurz schenkte ich den Fliegern und ihren Zuschauern Beachtung, hatte ja schließlich selbst noch genug vor mir. Ich nahm die Abfahrt in Richtung Rotes Moor, bog dann jedoch nicht nach rechts gen Gersfeld, sondern nach links Richtung Wüstensachsen ab. Unten angekommen merkte ich selbst, welch Anzahl an Höhenmeter soeben mirnichtsdirnichts verschleudert wurden. Gar nicht rein in den Ort, sondern gleich wieder rechts hoch hieß es da.

Was aber war das, ganz anders als der Anstieg über Abtsroda gings gleich mit 8% los. Und da die Straße ganz geradeaus verläuft war zu sehen, dabei bleibts nicht. Über 10% steigerte sich die böse Rampe auf 12% bis zum Scheitelpunkt. Leckomio, nein und nochmals nein, sowas braucht niemand. Ich war heftig am schnaufen um die Kurbel mit 39:21 und am Ende mit letzter Kraft 39:23 in Schwung zu halten. Mein Kreislauf war jetzt wach…

Auf wieder 840m ü. NN lag rechts neben mir das Rote Moor und nur einen Steinwurf links der Straße stand der Sendemast des BR auf dem Heidelstein. Kurz dachte ich über eine Pause am Moordorf nach, aber ich hielt den Zeitpunkt für verfrüht. Langsam rollte ich wieder runter, direkt aufs bayrische Bischofsheim zu. Kurz nach dem Rhönhäuschen gab es noch einen Abzweig zum Schwedenwall wieder in Richtung Hessen und Gersfeld. Diesen nahm ich, zudem mir auf der Abfahrt auch etwas kalt wurde und hochfahren bekanntlich aufwärmt. Am Schwedenwall lugte ich nach links und sah die Hohe Hölle, dunkel konnte ich mich da an einen Satz von Menis erinnern. „Freunde, Ihr seid gerade Zeugen meiner letzten Mountainbiketour…“ 😉 Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Nach dem Skandianvier Wall knallte ich super schnell die Landstraße runter, bog vor Mosbach nach Rodenbach und gleichnamigen Küppel ab. (In etwa die Stelle an der wir auf der Himmelfahrttour Rifli verloren) Kurz bergan und dann richtig heftig runter zur Töpfenmühle. Unten an der Mühle zeigte ein Wegweiser nach links, nur ungläubig wollte ich dies glauben. Bereits beim Vorbeifahren sah ich da etwas steiles dunkles direkt zum Himmel hinauf. Ich drehte um und sah mir das Stück „Straße“ an. Gut, asphaltiert war es, allerdings reichen normale Meßinstrumente wohl kaum, um das registrieren zu können. Ein zufällig rumstehender Postbote grinste mich nur an und ich konnte auch nur lachen. Na denn ma to!

Ich legte gleich meine Rettungsscheibe 39:23 auf, weniger is nich. Im sitzen war garnicht an kurbeln zu denken und so ging ich aus dem Sattel. Kämpfen, kämpfen, lange kanns nicht sein. Aua, verdammt, beim Versuch den Ciclomaster zu postieren, daß ich auch im Stehen die Prozentzahl sehen kann, riß ich das Ding fast ab. Ein komisches Bild gab ich dabei bestimmt ab. Mit eienr Hand am Lenker fast bergauf gestürzt. Trotzdem schaffte ich es irgendwie, sowohl das mit dem Tacho, als auch die Rampe hoch zu drücken. Über 20%, allerdings war das ein deutlich härteres Kaliber als der Schulberg am HenningerTurm.

Bis zum Dörfchen Rengersfeld war ich mit Luft holen und Regenration beschäftigt, ehe die Straße deutlich moderater anstieg. An der alten Ziegelei vorbei gings jetzt aber auch mal wieder runter, genauer mit voll Karacho und fetten Serpentinen runter ins Gichenbachtal. Die nächsten Kilometer waren ziemlich entspannt durchs ein enges Tal in lieblicher Natur. Ich nahm den ersten Powerbar zu mir und sollte mich auch demnächst um Wasser kümmern. Ab Schmalnau mußte ich zunächst ein bis zwei KM über eine stark befahrene Bundesstraße, ehe ich ab Thalau wieder auf ruhige Landstraßen und Feldwege durfte. Schon ziemlich unangenehm wenn Dir ein 40-Tonner entgegen kommt und du gerade von einem Rentner überholt wirst, welcher gerade selbst Opfer eines Überholvorgangs wird. Ihr könnt das ja mal aufmalen und Euch vorstellen wir eng die Straße dabei wird (es war eine sehr breite Straße…).

In Uttrichshausen war das schon wieder Geschichte und das Problem der Wasserversorgung wichtiger. Leider verfehlte ich den Ort zugunsten eines tollen Weges durch ein Vogelschutzgebiet und so kam als nächstes Heubach in Frage. Die Straße kannte ich bereits von der Tour kurz vor Himmelfahrt mit Mischiflix und Nic, und wußte welch schöne Bergwertung als nächstes auf mich wartet. Wassertanken geriet in den Hintergrund, war ich doch damit beschäftigt den Grenzkamm zwischen Rhön und Spessart zu erklimmen. Der Frauenstein bot mit knapp 600m ü. NN nochmal eine echte Herausforderung, bevor ich nun in Richtung Kinzigtal runterrollen konnte. Zwischen den Sparhöfen und Veitsteinbach nahm ich dann toskanisches Geläuf, Schotter in unterschiedlichen Größen ließ mich kurze Stoßgebete nach oben senden. Ohne Defekt überstand ich auch diese Meter und nach einer weiteren Welle hieß es ab Hutten Abfahrt.

Auf den nächsten 7km wurden 300hm vernichtet und das ganze galt es in Sepentinen zu genießen. Ab Schlüchtern befand ich mich nun im Kinzigtal, das Wasserproblem war immer noch ungelöst und im nächsten Städtchen Steinau an der Straße half mir eine Metzgerei weiter. Ich gönnte mir nebenbei noch ein paar Wiener Würstchen und rollte etwas unkoordiniert mit Wurst im Mund zwischen Straße und Radweg dahin, als plötzlich eine entschlossene Schmalspurschwuppe meine Verfolgung aufnahm. Zunächst dachte ich, gut häng dich in den Schatten und rolle ein paar Meter mit. Aber irgendwie hatte ich darauf keinen Bock und mit dem Messer (ähm Wurst) zwischen den Zähnen nahm ich den Fehdehandschuh an.

Ich steigerte das Tempo auf 35km/h, er blieb in Schlagdistanz dran. Um keinen Preis wollte ich ihn nun in meinen Schatten kommen lassen. So zog sich das über Kilometer hin, im nächsten Ort dachte ich mit zwei überrollten roten Signalzeichen hätte ich meinen Verfolger abgeschüttelt, doch Fehlanzeige. Er war hartnäckig, erneut fossierten wir beide das Tempo, ich dachte nur, wenn jetzt ne böse Welle kommt ist es aus und die Wurst wieder raus…

Nach Bad Soden-Salmünster kam als nächste Stadt Wächtersbach, bald 20km ging nun unser Duell und endlich, in Wächtersbach konnte ich ihn abschütteln. Ich weiß allerdings nichts ob er resiginierte oder einfach einen anderen Weg einschlug, jedenfalls war er weg. Nun ließ ich es etwas entspannter angehen und rollte mit knapp über 30km/h dahin. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag bemerkte ich den unangenehmen Zeitgenossen Wind von vorne. Mal von vorne rechts, mal von vorne links und manchmal einfach nur von vorne. Wenn man dann so 1300-1400hm bei über 100km in den Beinen hat, wird es zur Kopfproblematik. Schalten? Härter treten? Den Zug nehmen? Nein, einfach weiter.

Nach Biebergemünd kommt Gelnhausen, genau bis hierhin hatte ich es im letzten Jahr mal mit dem Mounti geschafft. Heute war die ehemalige Hessentagsstadt aber nur Durchgangsziel. Weiter nach Gründau-Lieblos, lieblos war auch das Wetter, begegnete mir doch hier ein kleiner Sommerschauer. Die Regenjacke blieb in der Tasche und die paar Tropfen ließen nach ein paar Minuten wieder nach. Nach Rothenbergen kam Langenselbold, hier verließ ich das Kinzigtal und begab mich westwärts ins Hanauer Hügelland. Vorbei mit stetigem bergab-rollen, Hügelland heißt Wellen klettern.

So kam ich über Ravolzhausen, Rüdigheim und Butterstadt zur Hohen Straße. Wieder waren meine Wasservorräte zur Neige gegangen und ich nahm 50hm in Kauf um in Ostheim nachzutanken. Zum zweiten Mal wurde ich etwas naß von oben, mehr ärgerte mich jedoch der konstant von vorne blasende und auffrischende Wind. Etwas nördlich von mir zog ein dunkles Gewitter vorbei. Der Ausblick war herrlich, hinter mir lag Spessart und Rhön, vor mir der Taunus und Frankfurt. Bald hatte ich es geschaft, ich schaute zum ersten Mal an diesem Tag auf die Kilometer. Schock! Da standen erst 150km und bis zu meiner Haustür waren es mit Umwegen nicht mehr als 15km. Es mußte ein Plan B her.

Ich entschloß mich nochmal nach Norden abzuzweigen und über meine Heimat zu fahren. Dies hatte zwar den Nachteil das noch einmal Höhenmeter zu bewältigen waren, aber den Vorteil der Streckenkenntnis. Ich bog am höchsten Punkt Frankfurts, der Berger Warte nach Bad Vilbel ab. Durch die Mineralwasserstadt begleitete mich der nächste Schauer ehe es gen Nordwesten bei strammem Gegenwind weiter über Nieder-Erlenbach nach Ober-Erlenbach ging. Jetzt noch zwei Dörfer, zunächst der erste Stadtteil meiner Heimat, Burgholzhausen, dann der nächste Köppern und bei 231m ü. NN war abzweigen angesagt. Durch die Kernstadt Friedrichsdorf rollte ich auch den letzten Stadtteil Seulberg ab, ehe es über die Felder nach Bad Homburg ging.

Endlich hatte ich auch Rückenwind und ganze zwei Wellen lagen nur noch vor mir. Langsam begriff ich, bald ist es geschafft. Durch den konstanten Rückenwind und die Euphorie schraubte ich durchweg mit 30km/h und mehr durch die Landschaft. Als ich bereits in Bockenheim angekommen war, schaute ich erneut auf den Tacho: 198,5km. Also noch eine 1500m Schleife um meine Behausung und mir einer Gänsehaut und eiskaltem Schauer auf dem Rücken bog ich vor meinem Haus ein. 200,41km in exakt 8 Stunden (mit Pausen) lagen hinter mir, eine Alleinfahrt wie Voigte bei der Tour, nur der Schnitt war niedriger… 😉

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5 Kommentare

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  • man tobias, was für ein ritt. spätestens bei kilometer 150 hätt ich die faule variante mit nurnoch 15km bis nach hause vorgezogen. auch finde deinen mut respektabel, bei verregneten wetterprognosen ausgerechnet in die röhn zu fahren, um dem nass vom himmel auszuweichen. denn wie wir ja wissen, regnet es, wenn es denn irgendwo regnet, ganz bestimmt immer dort.

    aber mal ehrlich: von der wasserkuppe aus ging es doch nurnoch bergab :]

    rob

  • Tja Eule, die Rhön hat auch auf der Straße einige Brocken zu bieten. Aber Hut ab vor der Fahrt an der „Straße“ entlang. Bestimmt genau so spannend wie rund um Düren 😉

  • Na da kann Parchim kommen! Fit wie ein Turnschuh sollten wir da was reißen….

    Aber nochmal zu Korrektur: Hier habt mich in der Rhön nicht verloren, ihr habt mich erst gar nicht auf die Tour mitgenommen! Ich bin euch hinterher bzw. entgegen gefahren.

  • Wie meine Vorschreiber meine auch ich, daß Du (wieder einmal in gewohnter Manier) etwas Besonderes geschafft hast. Tolle Tour, die man sicher so schnell nicht vergißt, oder?

    Bei aller Liebe zum Straßensport, meiner Neigung zu ihm und seiner Attraktivität im Sommer:
    Seit einigen Monaten scheint mir, also ob diese Strömung das Geländefahren vollends zu verdrängen versucht. Irgendwie überwiegen sowohl gemeinsame Touren am Nachmittag und Wochenende sowohl organisierte Veranstaltungen, bei denen der ESK sich zunehmend blicken läßt. Gut, daß es unter uns noch ein paar Quoten-Geländekader gibt, Jockel sei Dank!

    In diesem Sinnem wir sehen uns auf der Straße…

  • Eule – ich weiß es nicht. Finde ich nun deinen Bericht, oder deine Leistung besser? So kurzweilig deine Zeilen zu lesen waren, so hart dürften sich die letzten 50km hingezogen haben. Klasse Leistung. Irgendwie finde ich längere Distanzen immer verlockender… .

    Doch zum Theme Strasse versus Gelände möchte ich nochmals betonen, dass meine oben zitierte Aussage sich im Speziellen auf das endlose bergauf Fahrradschieben in knöcheltiefen Schlammlawienen, mittels weißen Weltmeisterschuhen, bezog. Gerade gestern rollte ich einige entspannte Kilometer im strömendem Regen durch mein heimatliches Revier und liebevoll tätschelte ich anschliessend das verschlammte Oberrohr des alten GTs und dachte „Ja, das war wider Erwarten eine ausgezeichnete Runde auf dir, mein treues, altes Ross“.

    Insofern trete ich was Kurbeln hat. Bis bald (ich bin so gespannt auf eure Berichte aus Mecklenburg!)… menis

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