„L‘ Eroica 2005“ oder „Mit ESK Ausweis kommt man überall rein“

der nächste tag glänzte mit strahlend blauem himmel. vom brennerpass aus waren zwar erste schneebdeckte gipfel sichtbar, jedoch schon die po-ebene bot uns angenehme 23 grad celsius. die temperatur stieg stetig und als wir das etwas 60 kilometer südlich von florenz gelegene gaiole erreichten, zeigte das thermometer bereits 26 grad an. wir befanden uns nun mittem im gallo nero gebiet, bekannt für seine dunkelroten trauben.

nun war es für uns an der zeit ein entsprechendes plätzchen zu suchen, dass für die nächsten tage unser zuhause sein sollte. im rocca di castagnoli, einem auf der spitze eines toskanischen bergs gelegenem historischen weingut, nur etwa 4-5km von gaiole entfernt, sollten wir ein ansprechendes angebot in wunderschöner umgebung finden:

somit war alles perfekt. auf dem marktplatz von gaiole hatten wir erfahren, dass morgen ab 10.00 uhr ein teilemarkt, nebst ausstellung stattfinden würde. noch ein letztes mal kramte ich die zerlesene aus der reisetasche, blätterte durch den artikel und freute mich auf den folgenden tag, der mir nun endlich selbst einen eindruck dieser besonderen veranstaltung bescheren würde.

am nächsten tag standen wir schlag 10.00 vor der sporthalle in gaiole. natürlich waren bereits endlos viele radler in ausgefallenen klamotten unterwegs. selbst julia konnte sich des besonderen reizes der kulisse nicht erwehren. vielleicht war sie auch etwas erleichtert, dass ich offensichtlich nicht der fanatischte radfahrer der welt war, sondern allenfalls ein „gemäßigt interessierter“. die richtigen vögel reisten mit teilweise 10, 20 rädern an, waren in originaltrikots des giros 1963 gekleidet, hatten backenbärte und sehnige, ja – gradezu mumifizierte beine, in denen 100tausende von kilometern steckten:


einer der ganz grossen, immer wieder im rampenlicht stehenden superstars.

doch auch der markt, oder gar die ausstellung riss mich regelrecht vom hocker. da standen diese denkmäler der radgeschichte, als wären sie eben noch über die pässe der gepeitscht worden:


1934 die tour gefahren und nun ungeputzt vor meinen augen – einfach super!


ein im rahmen der ausstellung prämiertes rad. hochautentisch, unrestauriert und noch mit manuellem kettenspanner.


eines der räder, die mir am meissten gefielen. räder in diesem zustand wechselten zwischen 400 und 1000EUR ihren besitzer. viel geld für nen 70 jahre altes fahrrad… .

auch die anmeldung erfolgte zwar in dichtem gedrängel ewig cooler klassikerfreaks, jedoch akzeptierte die dame am schalter meine lizenz, ohne wirklich mit der wimper zu zucken. ich bekam also die auf leinenstoff gedruckte startnummer für trikot und rad, sowie einige zentimeter hanf-band, mit dessen hilfe die nummer zu befestigen war.

nun denn. natürlich war eine derartige veranstaltung für meine liebe frau von nicht ewiger faszination und so zog es uns am nachmittag in die gassen von siena, um dort den mangnetstreifen der kreditkarte etwas über zupolieren. nach reichhaltigem abendessen mit entsprechendem genuss des örtlichen getränkeangebots nutzte ich die dunklen abendstunden, um mich in nervöser hektik über meine ausrüstung herzumachen. sorgfälltig wurde der lederlappen der wollhose gefettet, der ersatzschlauch in gewachstem papier eingewickelt, startnummer an rad und wollhemd befestigt und ein, zwei glücksbringer in den trikottaschen verstaut.

der letzte schluck floss durch meine trockene kehle, als ich den wecker auf 04.30 uhr stellte. sicher ist dem einen, oder anderen leser dieses gefühl bekannt, wenn man eine zehntelsekunde vor dem klingeln des weckers bereits die augen aufreisst. ich glaube man nennt das lampenfieber, nervösität oder einfach ANGST. noch wusste ich nicht, wie berechtigt diese angst sein sollte, sondern schwang mich leichtfüssig aus den federn.

meine wirklich bewundernswerte begleiterin leuchtete mir per kfz den stockdunklen weg, durch enge serpentienen bis auf den marktplatz von gaiole. der offene start lief bereits ab 05.00 uhr und so kamen uns grosse gruppen von spärlich beleuchteten radfahrern bereits entgegen.

nun ging es endlich zur sache… (fortsetzung folgt)… menis

10 Kommentare

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  • Verdammt noch mal, was heißt da Fortsetzung??? Ich hänge hier in Hamburch am Rechner und lese diese absolut hochwertige Radgeschichte und will jetzt, aber sofort, auf der Stelle und gleich wissen wie es weitergeht!!!
    Lieber Menis, wie geil ist das letzte Foto denn, da verblassen alle HEW-Henninger-Schwuppen Fotos um Längen, DANKE!!!

    Ich warte,
    dd „Eule“

    Wie gerne wäre ich als junger Eule dabei gewesen 😉

  • L’Eroica! Das wäre was für den Jockel. Mit alten, abgeranzten Ledertöppen, gewandet mit seinem gammligen, himmelblauen, mit XXL-Syndrom versehenem „Lokomotive Pankow“ Trikot und ab geht die Luzi… Was könnte es für ein schöneres Ziel im Leben eines Mannes geben?

  • Herrlich! Wenn mir nicht schon das geld fehlen würde, meine modernen Räder in Schuss zu halten, ich würde in diesem Winter kräftig einkaufen, um in Deine Fußstapfen zu treten. Schließlich sehen die alten Schwarz-Weiß-Bilder immer irgendwie wilder und romatischer aus, als die modernen Hochglanzfarbfotos der aktuellen Profis!

  • sehr schön,

    das war wirklich ein herrlicher bericht. ich wähnte mich beim lesen so richtig selbst auf diesen staubigen schotter-pisten. fertig, durstig und nur noch stupide richtung ziel stampfend. dabei voller nostalgie, pilgerern gleich, die das matyrium ihrer heiligen nachzuleiden suchen. naja, so haben wir nun beide eine ganze weile damit zugebracht, die fahrberichte des anderen zu studieren. vielleicht kommen in der nächsten saison ja noch weitere hinzu. bis dahin…

    mirko (der aus dem tour-forum mit der transalp-story)

  • wahnsinn.
    die beste radfahrgeschichte, die ich je gehört hab.
    und eine wirklich großartige leistung… kompliment auch an die tomaten-mozarella-rennbegleitung für den support.
    esk sollte medaillen vergeben, an beide. das rote ritzel am hanfband oder sowas…
    r e s p e k t !
    jensB von rennradnews/forum

  • …tolle Veranstaltung und Geschichte! Kannst Du mir sagen woher man einen Streckenverlauf oder eine Karte der Strecke bekommen kann? – Ich fahre im April in diese Gegend und würde unheimlich gerne die Strecke nachfahren!

    Vielen Dank im Voraus

    Christoph

  • ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine karte gibt. irgendwo im netz (google) habe ich mal eine karte gesehen, aber die kleinen „weissen strassen“ sind teilweise nicht einmal verzeichnet. sorry – aber da kann ich dir leider nicht weiter helfen (schliesslich habe ich es selbst bei ausgeschilderter strecke geschaft, mich zu verfahren…). grüsse… menis

  • In einem Bericht über die 2005er L’Eroica hab ich gelesen, dass die 200-km-Strecke jetzt permanent beschildert werden soll (wann das soweit ist, stand da aber nicht drin).
    @Menis: Dein wunderbarer Bericht schlägt den aus der „Rennrad aktiv“ (oder so) um Längen! L’Erocia wäre wohl das richtige Einsatzgebiet für mein altes Bianchi, das ich erst vor kurzem wegen akutem Eisenmangel erstanden hab…

  • Bin dieses Jahr die 200km gefahren und mir ist sogar der Berichtsschreiber Dieter, im gleichen Outfit, in Gaiole auf dem Marktplatz aufgefallen. Ich kann eigentlich nur noch hinzufügen, dass dieses Rennen ein für immer unvergessliches und beispielsloses Erlebnis ist und für jeden Hobbyfahrer eine tolle Herausforderung darstellt.

    Christoph, falls Du die Strecke immer noch abfahren willst, ich habe die Strecke als pdf. und kann diese gerne mailen.

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