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Diesmal kein Heldenepos- Ironhill24

Es hätte eine Geschichte der alten Schule werden sollen. In der glorreichen, nunmehr 25jährigen Tradition des Kaders hätte ich hier von unseren Heldentaten beim „Ironhill 24″ in Oberhof berichtet. Aber es kam alles anders…

Im schönen Göttingen fanden sich im September vier (zu 3/4 ehemalige) Radkuriere zusammen, um der Mountainbikesportwelt ihren Stempel aufzudrücken. Ziel sollte es sein, beim 24- Stunden- Rennen in Oberhof Flagge zu zeigen und persönliche Grenzen kennen zu lernen. Obwohl der Name “ 3 Zwerge und ein Riese“ hervorragend gepasst hätte, setzte ich als verantwortungsvolles Bezirkseisenschwein durch, dass wir unter „Eisen-SK goes Räderwerk“ firmierten, um den richtigen Ausgleich zwischen unserem Sponsor und den Großmachtinteressen des Kaders zu finden.

Da wir alle hinreichend chaotisch veranlagt sind, verlief die Planung holperig und sehr spontan. Trotz dem schafften wir es alle, am 01. 10. 05 zwischen 6 und 6.30 Uhr im Räderwerk aufzulaufen. Wir bepackten unsere beiden Kleinwagen bis zum Anschlag und düsten los.
Oberhof war nicht schwer zu finden: Einfach in die Regenwand hineinfahren! Wir holten unsere Unterlagen und versuchten, unsere Zelte aufzubauen. Leider verhinderte der heftige Wind, dass dieses Unternehmen von Erfolg gekrönt war. Als Alternative bot sich noch der Ruheraum im Biathlonstadion an, aber hier stapelten sich die Teilnehmer schon jetzt und es roch nach alten Socken. Darum schlugen wir unser Speziallager unter der Treppe auf. Hier war es warm und genug Platz für uns.

Zum Start um 12 Uhr ging der lange Martin für uns an den Start. Wir anderen waren foh, dass wir noch nicht selbst in die Sturzbäche hinaus mussten. Mir war ohnehin schon elendig kalt. Vereinbart war, dass wir uns im 2-Stunden-Turnus abwechseln wollten. Wir hofften, so über die Zeit konstante Leistungen erbringen zu können, weil jeder genügend Zeit zur Erholung bekommen würde. Martin machte seine Sache gut. Leider hatte er in der letzten Runde zwei Reifenpannen, so dass wir von Platz 4 auf acht zurück geworfen wurden. Nun ging Kreuzpeilung an den Start. Er übernahm den Transponder und entschwand im Platzregen. Während dessen schraubte ich noch ein wenig an der ONKELMASCHINE herum, verpasste ihr neue Bremsbeläge und einen neuen Zug für die Hinterradbremse. Dann tigerte ich noch ein wenig herum, draußen konnte man jetzt nicht mehr all zu weit sehen, es hatte sich eingeregnet.

(oben links mit gelber Jacke und blauem Helm: Martin)

Auf wundersame Weise hatte der Regen aber aufgehört, als ich, gestärkt mit heißem Tee, in die Wechselzone fuhr und mich warm machte. Kreuzpeilung sah aus wie ein Häufchen Elend. Tiefe Ringe unter den Augen murmelte er etwas von „noch zu schwach“ und „das war es dann“. „Mensch, reißen S´ sich zusammen, Mann!“, knurrte ich und hoffte, ihn damit geheilt zu haben. Dann fuhr ich auf die Strecke. Zunächst ging es über jene Holzbrücke, die ich schon sooft im Fernsehen gesehen hatte, wenn die Biathleten zum Stadion einbogen. Das Ding ist ganz schön steil! Ich habe einige Fahrer gesehen, die nicht genügend Schwung hatten und mittendrin einfach stehen blieben. Auf der anderen Seite ging es genau so steil wieder abwärts. Es folgte eine Abfahrt durch tiefe Schlammriefen, die den Fahrer schlingern ließen. Daran schloss sich ein morastiger Uphill an, den man fahrend nicht viel schneller bewältigt, als schiebend- ich habe beides getestet. Jetzt folgte ein recht erholsames Stück bergab. Nur ein Downhill, der gleichzeitig als Lehmgrube und Bachbett taugte, verlangte größte Konzentration. Nach einem kurzen, sanften Anstieg folgte ein ebener weg mit SEHR tiefen Pfützen, dann eine rasante Schotterabfahrt. Auf dieser stellte ich fest, dass mit beim Einstellen meiner Bremse ein Fehler unterlaufen war, ein Stück der Zughülle war nicht richtig im Gegenhalter gewesen, so dass ich leider viel zu viel Zug hatte und somit fast keine Bremswirkung auf der Hinterradbremse. Auf den folgenen 2 1/2 Runden sollte ich damit noch viel Spaß haben. Ich überlebte die Abfahrt und konnte mich dann begeistert in den schier endlosen Uphill stürzen.
Nach drei Runden und ca. 2 Stunden übergab ich an Daniel. Leider hatte Kreuzpeilung es ernst gemeint. Er spürte seine Grippe in den Knochen und hielt es für das Beste abzubrechen. Immerhin hat er in den nächsten Monaten viele Prüfungen zu bestehen, so dass diese Entscheidung unter allen Gesichtspunkten die richtige war! Gemeinsam mit Martin überlegte ich, ob wir als flotter Dreier weiter machen sollten. Ich fand diese Ausicht allerdings auch nicht allzu prickelnd. Erstmal ging der Betrieb weiter, ich ließ einen Mechaniker an die ONKELMASCHINE und führte mir nicht zu knapp Nudeln zu. Allerdings fühlte sich nun auch mein Kopf etwas zu heiß an, aber Aufgeben kam eigentlich nicht in Frage.
Als Martin wieder auf der Strecke war, diskutierte ich mit Daniel weiter. Wir lagen eigentlich auf einem guten Platz, aber das frühe Ausscheiden eines Leistungsträgers war Gift für die Moral.

Die Enscheidung wurde uns von Martin abgenommen, der plötzlich vor uns stand. Auf einer Abfahrt war er über den Lenker gegangen. Dabei war sein Bremsgriff abgebrochen. Damit war unser Abenteuer wirklich beendet. Daniel und ich als erkältetes Zweierteam? Nein, unsere Zivilberufe verlangen nach gesunden Männern. Also kniffen wir den Schwanz ein. Dass diese Entscheidung die vernünftigste war, konnte meinen Kummer nur wenig lindern.

Jetzt habe ich für das nächste Jahr jedenfalls eine Aufgabe ganz oben in meinem Lastenheft…

EDIT: Ein mir unbekannter Held, der aber mit seiner verschmierten Optik alles sagt:

8 Kommentare

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  • Hallo Onkel, offensichtlich hast Du Dir – als Rädelsführer des „Eisen-SK-Räderwerk“ (sehr löblicher Teamname) – das Heft des Handelns viel zu früh aus der Hand nehmen lassen. In den Sturmregen gebrüllte Komandos und Nachfragen im Stile von „Hunde, wollt ihr ewig leben?“ oder „…die Besten sterben jung!“ hätten sicher noch für ein paar Stunden Verteidigungskampf gereicht. Während dieser Zeit hättest Du Dir im Kommandeurszelt heißen Tee kredenzen lassen und die Gefallenenlisten in in die Hauptstadt telegrafieren können. Nun ja, ich sehe ein, dass wir das noch üben müssen. 😉

    Die besten Grüße aus der Hauptstadt nach Göttingen! Auch an die anderen Hereoen.

  • „…. Dabei war sein Bremsgriff abgebrochen….“ Seit ehrlich, in diesem Moment hättet ihr Purzelbäume schlagen können – endlich eine vernünftige Ausrede – technischer Defekt – unreparierbar – Perfekt!

    Kurzer heimlicher Blick in das Lastenheft von Onkel:
    Ironhill 2006 – Rad 2 Tage vorher reparieren und die Luschen zu Hause lassen. Das Ding als Einzelkämpfer durchziehen!

    Richtig so Onkel, nur so kann eine Eisensau ein 24h-Rennen gewinnen!

    Ritzelflitzer

  • Ritzelflitzer unkte: „Seit ehrlich, in diesem Moment hättet ihr Purzelbäume schlagen können – endlich eine vernünftige Ausrede – technischer Defekt – unreparierbar – Perfekt!“

    Wenn Du wüsstest, wie recht Du hast! In der Tat bot dieser Defekt einen willkommenen Durchbruch in die hohen Wälle unseres Stolzes. So mussten wir wenigstens nicht mit unmännlichen Argumenten wie „Vernunft“ kommen… Das mit dem Einzelstarter geht nicht, weil ich das teamerlebnis suche!

    @ Jockel: Du weisst, ich würde nicht zögern, ein ganzes Luftsturmregiment für einen Höhenzug in den Ardennen zu opfern, aber der Sieg muss den Preis lohnen!

  • ein schöner bericht! wie sehr kann ich diesen tiefen, sehnlichsten wunsch nachfühlen: „bitte, lieber gott, bitte laß die kette reissen, den reifen platzen oder wenigstens den bremshebel abbrechen! bitte!“. doch trotz allem möchte ich zwei dinge kritisch anmerken: erstens klingt die streckenbeschreibung nicht so, als ob man ohne bremshebel wirklich aufgeschmissen wäre – vielmehr sollte doch recht kräftig ins pedal getreten werden, oder? zum zweiten hätte das aufmerksame studium alter rennberichte gestandener, wenn auch selbsternannter leistungsträger des kaders euren kapitalfehler von vornherein verhindert. zwei stunden pro nase ist zu lange. immer hübsch im stündlichen rythmus wechseln und schon ist die überanstrengung gebannt. im nächsten jahr sollte mittels meiner stragtegischer tipps und jockels unterjochungsrufe ein sieg in greifbare nähe rücken. bis bald… menis

  • Menis, es war nicht die Überanstrengung, sondern ein tückischer Virus, der unseren Jan Kreuzpeilung aus der Bahn geworfen hat. Zwei Stunden waren angemessen, zumal bei diesem Wetter. Hätten wir stündlich gewechselt, wären wir ständig nass gewesen. So konnte man zwischendurch mal trocken werden und sich wieder aufwärmen.

    Und die Strecke verlangte sehr wohl nach guten Bremsen, wenn auch nur an zwei Abfahrten. Aber ich werde Euch natürlich vor dem nächsten 24Stundennrennen besser in die Lage einweisen und dann gemeinsam mit Dir und anderen Kadern die Wahl des Personals, der Ablösungen, der Reifen, der Übersetzungen, der Ernährung, der Bremsbeläge und der Federhärte durchsprechen. Es war allein mein Fehler, dies nicht bereits diesmal getan zu haben. Ich hoffe, Dich nicht noch einmal enttäuschen zu müssen. 😉

  • es war nicht die Überanstrengung, sondern ein türkischer Virus,…

    Türkischer Virus??? Wohl zur Rennvorbereitung mal wieder nur Döner gegessen?

  • Dieses Jahr probierte ich die Vernunft.
    Sie schmeckte bitter wie eine schlechte Hure.

    Doch schon wenn die Sonne in ihren zweiten Jahreszyklus eintritt,
    werden Narben meinen Körper zieren.

  • Kreuzpeilung offenbarte: „Sie schmeckte bitter wie eine schlechte Hure.“ Na das ist ja großartig! Mit Dir teile ich noch mal meine Trinkflasche! Ich muss zum Arzt, ich fühle mich nach Hepatitis und HIV!!!

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